Eine Kamera und sechs Objektive

Fujifilm entwickelt spiegelloses Mittelformatsystem GFX

2016-09-20 Mit der in der Entwicklung befindlichen GFX 50S will Fujifilm nach Hasselblad in den Markt der spiegellosen Mittelformatkameras einsteigen. Die Kamera befindet sich aktuell noch in der Entwicklung und soll einen 50 Megapixel auflösenden 44 mal 33 Millimeter großen Sensor besitzen. Mit weniger als 800 Gramm soll die GFX 50S weniger als eine Profi-Vollformat-DSLR wiegen und inklusive des Standardobjektivs GF 63 mm F2.8 R WR weniger als 10.000 Euro kosten. Neben den zum Verkaufsstart Anfang 2017 erhältlichen drei GF-Objektiven befinden sich drei weitere für 2017 in Entwicklung.  (Benjamin Kirchheim)

Fujifilm springt direkt vom APS-C-Format des X-Systems mit 24 Megapixeln Auflösung auf das Mittelformat mit einem 43,8 mal 32,9 Millimeter großen Sensor, also gerundet 44 mal 33 Millimeter, mit einer Auflösung von 51,4 Megapixeln. Das Kleinbildformat überspringt Fujifilm also und will die höchste Bildqualität in der Geschichte von Fujifilm liefern. Der japanische Hersteller will nämlich herausgefunden haben, dass etwa 30 Prozent der X-System-Fotografen gerne eine höhere Auflösung hätten. Die soll mit dem im Vergleich zum Kleinbild-Vollformat 1,7-mal größeren Mittelformatsensor erreicht werden. Fujifilm sieht nämlich im APS-C-Format bereits bei 24 Megapixeln das Ende der Fahnenstange erreicht. Das neue GFX-System soll die DNA des X-Systems erben, was sich sowohl im Design als auch in der Bedienung der GFX 50S niederschlägt, die sich aktuell noch im Prototypenstadium befindet. Der CMOS-Sensor jedoch verwendet ein klassisches Bayer-Farbfiltermuster und nicht die X-Trans-Technologie. Die Bildaufbereitung soll für höchste Nachbearbeitungsansprüche sehr zurückhaltend zu Werke gehen. Wer möchte, kann dennoch beispielsweise die 15 Filmsimulationsmodi von Fujifilm, darunter Provia, Astia, Velvia und Classic Chrome, verwenden.

Sowohl das Gehäuse der GFX 50S als auch alle Objektive werden spritzwasser- und staubgeschützt sowie frostsicher bis -10 Grad Celsius sein. Das G-Bajonett der GFX misst 65 Millimeter im Durchmesser ist vier Millimeter dick. Zwölf elektronische Kontakte sollen nicht nur die GF-Objektive unterstützen, sondern mittels Adaptern auch andere Mittelformatobjektive. Das Auflagemaß beträgt lediglich 26,7 Millimeter, die Objektive können gar bis knapp über 16 Millimeter an den Sensor heranreichen. Etwas Platz muss jedoch für den Schlitzverschluss bleiben. Fujifilm hat sich aus mehreren Gründen für diesen entschieden: Einerseits erlaubt er besonders kurze Belichtungszeiten von bis zu 1/4.000 Sekunde, andererseits können so auch Objektive ohne Zentralverschluss verwendet werden. Für die Zukunft schließt Fujifilm aber nicht aus, auch Objektive mit Zentralverschluss anzubieten. Die Blitzsynchronzeit des Zentralverschlusses liegt jedoch bei lediglich 1/125 Sekunde. Der Schlitzverschluss soll sehr leise und vibrationsarm arbeiten, Erschütterungen durch einen Spiegelschlag, die die Auflösung reduzieren würden, gibt es in der spiegellosen Systemkamera logischerweise nicht.

Das Gehäuse soll ohne Objektiv und EVF lediglich 800 Gramm wiegen und damit leichter als so manche Profi-Kleinbild-DSLR sein. Das Gehäuse ist ergonomisch geformt, optional ist ein Hochformatgriff erhältlich. Verriegelbare Drehräder auf der Oberseite erlauben die direkte Einstellung der Belichtungszeit und ISO-Empfindlichkeit (ISO 100 bis 12.800). Die neue C-Stellung (C wie Command) deaktiviert auf Wunsch die manuellen Räder und erlaubt die Einstellung der Aufnahmeparameter mit dem vorderen und hinteren Drehrad. Ein Joystick erlaubt das einfache Verschieben des Autofokuspunkts. Der große Lithium-Ionen-Akku lässt sich seitlich entnehmen, hier befinden sich auch zahlreiche Schnittstellen wie USB 3, ein Fernauslöseanschluss oder etwa ein Mikrofoneingang und ein Kopfhörerausgang. Videos nimmt die GFX 50S jedoch maximal in Full-HD-Auflösung auf, nicht in 4K. Der gegenüberliegende Speicherkartenschacht bietet zwei SD-Slots.

Äußerst innovativ ist das Konzept des aufsteckbaren elektronischen Suchers. Dieser befindet sich im Lieferumfang und fügt sich aufgesteckt so gut in das Design ein wie ein fest verbauter Sucher. Damit hat der Fotograf die Wahl, wie klein und leicht oder groß und funktional die GFX sein soll. Der Sucher schleift den zum X-System kompatiblen Blitzschuh durch. Optional wird zudem ein Multi-Winkel-Adapter erhältlich sein, der den Sucher seitlich schwenkbar und nach oben klappbar macht. Der rückwärtige Bildschirm ist ebenfalls klappbar. Wie bei der X-T2 erlaubt der Mechanismus nicht nur ein Klappen nach oben und unten, sondern auch seitlich für Hochformatperspektiven. Des Weiteren kann problemlos ein HDMI-Kontrollmonitor angeschlossen werden. Auch zum Tethered Shooting im Studio eignet sich die GFX. Zusätzlich bietet die Mittelformatkamera ein OLED-Statusdisplay auf der Oberseite, das auch im ausgeschalteten Zustand über die vorgenommenen Einstellungen informiert.

Ohne Objektive nützt die schönste Kamera nichts. Sechs Stück will Fujifilm noch 2017 auf den Markt bringen. Sie sollen höchste optische Abbildungsleistung bieten und werden laut Fujifilm vor allem optisch statt elektronisch auskorrigiert, um Bildfehler wie Verzeichnung, Vignettierung oder Farbsäume zu minimieren. Zusammen mit der Kamera sollen Anfang 2017 drei Objektive erhältlich sein. Das GF 63 mm F2.8 R WR ist das Standardobjektiv, es bietet den Bildwinkel wie ein 50 Millimeter Kleinbildobjektiv. Hinzu kommt mit dem GF 32-64 mm F4 R LM WR ein Zoomobjektiv mit kleinbildäquivalenter Brennweite von 25 bis 51 Millimeter, das sich vor allem für Landschaftsaufnahmen eignen soll. Beim dritten Objektiv im Bunde handelt es sich um ein Makro mit einem Abbildungsmaßstab von 1:0,5. Das GF 120 mm F4 Macro R LM OIS WR bietet sogar einen optischen Bildstabilisator. Die kleinbildäquivalente Brennweite beträgt 95 Millimeter. Mitte 2017 sollen mit dem GF 110 mm F2 R LM WR ein lichtstarkes Porträtobjektiv (Kleinbildäquivalent 87 Millimeter mit einer Schärfentiefe entsprechend einem F1,6 lichtstarken Kleinbildobjektiv) sowie mit dem GF 23 mm F4 R LM WR ein Ultraweitwinkel (18 Millimeter entsprechen Kleinbild) für Landschaftsaufnahmen folgen. Ende 2017 schließlich wird das Objektivangebot laut aktuellen Planungen mit dem GF 45 mm F2.8 R WR um eine 35 Millimeter (Kleinbildäquivalent) Reportagebrennweite ergänzt.

Alle Objektive sind nicht nur spritzwasser- und staubgeschützt sowie frostsicher bis -10 Grad Celsius, sondern bieten auch einen Blendenring mit verriegelbarer Automatikstellung sowie verriegelbarer C-Stellung, in der die Blende über die Drehräder der Kamera gesteuert werden kann. Der manuelle Fokusring wird wie im X-System "Fly-by-wire" arbeiten, also elektronische Steuerbefehle an den Autofokusmotor übertragen. Für das Set der GFX 50S samt Standardobjektiv GF 63 mm F2.8 R WR peilt Fujifilm übrigens einen Preis von "deutlich" unter 10.000 Euro an. Gemunkelt wird von rund 8000 Euro, was eine echte Kampfansage an Hasselblad und auch Leica wäre. Eine ähnlich günstige digitale Mittelformatkamera, allerdings nur mit Spiegel, bietet aktuell nur Ricoh mit der Pentax 645D und 645Z an.


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Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.