Rubrik: Tipps zu einzelnen Kameras

Automatische Front- und Backfokuskorrektur mit der Nikon D500 und D5

2016-05-30 Fehlfokus, egal ob Front- oder Backfokus, ist auch bei modernsten DSLRs weiterhin ein Thema. Das Problem ist vielschichtig, beispielsweise sitzt der Autofokussensor separat und nicht auf dem Bildsensor, sodass es bei kleinsten mechanischen Abweichungen zum Fehlfokus kommen kann. Des Weiteren wird für die AF-Sensoren nur ein Teil des Strahlengangs ausgekuppelt, der in der Regel einer Blendenöffnung von F5,6 entspricht. Ist das Objektiv lichtstärker, kann es wiederum zum Fehlfokus kommen. Daher bieten moderne DSLRs für den Anwender einstellbare, objektivabhängige Korrekturfaktoren an. Nikon implementiert nun erstmals eine Automatik dafür, was das Einstellen erleichtert.  (Benjamin Kirchheim)

Hinweis: Die AF-Feinabstimmung funktioniert auch bei den neueren Nikon-Modellen D7500, D780, D850 und D6. Die genaue Vorgehensweise ist dem jeweiligen Handbuch zu entnehmen.

Die Schärfentiefe bei F5,6 ist bedeutend größer als bei Offenblende, besonders bei lichtstarken Objektiven. Ist ein anfokussierter Punkt bei F5,6 also scharf, so kann er bei F1,4 außerhalb des Schärfebereichs liegen. Es gilt also, bei F5,6 einen Schärfepunkt anzufahren, der auch bei F1,4 noch im Schärfebereich liegt. Da dies auch vom Objektiv (Brennweite, Mechanik, Blendenöffnung) abhängt, sind in der Regel unterschiedliche Korrekturfaktoren für unterschiedliche Objektive und teilweise sogar Brennweiten und Entfernungen vonnöten. Moderne Objektive mit Chip bieten ihrerseits bereits entsprechende Korrekturmöglichkeiten, die werksseitig vorbelegt sind und oft recht gut passen, aber eben nicht immer bei jeder Kamera 100 Prozent genau sind, beziehungsweise je nach Nutzeranspruch genauer sein müssen als bei anderen.

Moderne Kameras begegnen dem Problem auf zweierlei Arten. Einerseits gibt es Autofokussensoren, die für eine größere Anfangsöffnung empfindlich sind. Am Markt sind Module, die bis zu F2,8 unterstützen und dadurch nicht nur genauer arbeiten, sondern oft auch bei weniger Umgebungslicht. Meistens ist diese Lichtempfindlichkeit jedoch auf den zentralen Fokussensor beschränkt, manchmal auch noch auf ein paar umliegende AF-Sensoren. Weiter am Bildrand jedoch "sehen" sie nur ein F5,6 entsprechendes Bild. Mechanische Dejustierungen der Lage des AF-Sensors in Bezug zum Bildsensor können jedoch weiterhin auftreten.

Die zweite Strategie betrifft das Speichern von Korrekturfaktoren für die verwendeten Objektive. Da jedes Objektiv eine ID besitzt, kann die Kamera unterscheiden, welches Objektiv sich am Bajonett befindet. 20 Speicherplätze für Objektivkorrekturdaten sind in der Regel vorhanden und für die meisten Fotografen auch völlig ausreichend. Das Problem für den Fotografen besteht darin, die richtigen Korrekturfaktoren einzustellen und zu speichern. In der Regel läuft das auf eine lange Testreihe mit vielen Aufnahmen und viel Ausprobieren hinaus.

Für den Fotografen stellt sich noch ein weiteres Problem. Er kann nicht ausschließen, dass ein Fehler im Objektiv und/oder der Kamera vorliegt. Stammen Objektiv und Kamera vom selben Hersteller, so kann er die Kombination mit einer detaillierten Fehlerbeschreibung einschicken und bekommt sie innerhalb der Garantiezeit, sofern kein extern verursachter Schaden, etwa ein Sturz, vorliegt, womöglich kostenlos repariert. Stammt aber das problematische Objektiv von einem anderen Hersteller als die Kamera, so muss erstmal festgestellt werden, in welchem der beiden Geräte das Problem vorliegt oder ob sogar beide Geräte betroffen sind. Hier kann es auch dazu kommen, dass der Kamerahersteller das Objektiv als Ursache ausmacht, während der Objektivhersteller die Kamera für schuldig erklärt. Der Fotograf bleibt dann auf seinem Problem sitzen.

So funktioniert die automatische AF-Feinabstimmung

Nikon hat die D5 und D500 nun mit einem pfiffigen Mechanismus ausgestattet, der eine automatische Kalibrierung erlaubt. Diese ist im ansonsten sehr guten und ausführlichen 400-seitigen Handbuch nicht erklärt. Zur automatischen AF-Feinabstimmung wird die Kamera am besten auf einem Stativ aufgebaut und mit dem Objektiv auf das gewünschte Motiv möglichst exakt fokussiert. Dies muss auf dem Bildsensor im Live-View erfolgen. Am einfachsten verwenden Sie den Kontrastautofokus auf dem Sensor. Verwenden Sie den mittleren Autofokussensor, denn nur dieser kann kalibriert werden (in der Hoffnung, alle AF-Sensoren messen in Relation zueinander dieselben Werte). Drücken Sie dazu im Live-View die mittlere Taste des Vierwegewählers (nicht des Joysticks), woraufhin das AF-Messfeld in die Mitte springt. Gegebenenfalls kontrollieren Sie den Fokus mit Hilfe der Lupe (Lupentaste mit dem Plus-Symbol links am Display) und justieren bei Bedarf nach.

Nun drücken Sie an der Kamera bei weiterhin aktiviertem Live-View die Tasten im AF-Wähler in der Nähe des Bajonetts und die Videoaufnahmetaste gleichzeitig für einige Sekunden (siehe auch Markierungen im zweiten Bild oben). Die Kamera zeigt daraufhin einen Infodialog auf dem Bildschirm an (siehe Bilderslider unten) und misst das Ziel nach Ihrer Bestätigung des Dialogs mit dem Phasenautofokus an und speichert die Differenz ab. Es muss also weder der Korrekturwert ermittelt, noch genau kontrolliert und eingegeben werden, da die Kamera dies automatisch übernimmt. Im Systemmenü (Schraubenschlüssel-Symbol) können Sie die AF-Feinabstimmung auf der ersten Seite im letzten Menüpunkt kontrollieren. Wichtig ist, die Feinabstimmung über den entsprechenden Menüpunkt generell zu aktivieren. Hier können Sie dann auch den Korrekturwert ablesen. In unserem Fall war die Korrektur +3 für das Nikon AF-S 300 mm 4 E PF ED VR an der D500 bei einer Entfernung von 8,5 Metern (zwölf Meter wäre als 40-facher Brennweitenwert ideal gewesen, das gab unser Büro aber nicht her). Positive Werte stehen bei Nikon für einen Frontfokus, die Kamera muss also in diesem Fall um drei Schritte weiter hinten fokussieren. Bei einem Backfokus wird ein negativer Korrekturwert gespeichert.

Wählen Sie für die Fokus-Abstimmung ein möglichst kontrastreiches Motiv in einer typischen Aufnahmeentfernung, mit der Sie das Objektiv verwenden. Haben Sie keine typische Aufnahmeentfernung, so ist der 40-fache Wert der Brennweite eine gute Referenz, die entspricht etwa einem Meter bei einem 24mm-Objektiv oder acht Metern bei einem 200mm-Tele. Benutzen Sie möglichst Tageslicht oder Tageslichtlampen oder, falls Sie das Objektiv ohnehin nur unter Kunstlicht einsetzen, eine entsprechende Lichtquelle, denn auch die Farbtemperatur des Lichts kann Einfluss auf die Fokusmessung haben, da die Schärfeebene der verschieden langen Lichtwellen nicht exakt dieselbe ist und sogar vom Objektiv beziehungsweise seinen optischen Fehlern beeinflusst werden kann. Möglicherweise kann vor allem die Korrektur von Weitwinkelobjektiven oder Zooms im Weitwinkel problematisch sein, da hier der Phasenautofokus ohnehin nicht immer dieselbe Entfernung einstellt. Das können Sie daran feststellen, ob die Kamera bei jedem erneuten Fokussieren die Entfernung leicht korrigiert oder ob die Fokussierung exakt auf demselben Punkt stehen bleibt. Ab besten geht das mit einem Objektiv mit Fokusentfernungsanzeige.

Nikon erlaubt jedoch nur das Speichern eines Korrekturwerts für das jeweilige Objektiv und unterscheidet dabei nicht die Brennweite oder die Aufnahmeentfernung. Wie viel mehr Aufwand die Berücksichtigung aller Parameter bedeutet, zeigen die USB-Docks von Tamron und Sigma, die nicht nur unterschiedliche Korrekturwerte für die beiden Brennweitenenden von Zooms erlauben, sondern auch je vier Entfernungen. Pro Objektiv sind das also schon acht einzustellende Werte, der Aufwand ist hoch. Der weitere Vorteil von Nikons einfacher Korrektur ist außerdem die Tatsache, dass sie im Zweifel direkt beim Fotografieren erfolgen kann, falls man feststellt, dass nicht richtig fokussiert wird.

Noch ein Tipp aus der Praxis: Lassen Sie sich nicht von Berichten zu Fehlfokussierungen, auch diesem hier, verrückt machen. Nehmen Sie eine Kalibrierung eines Objektivs nur dann vor, wenn es in der Aufnahmepraxis tatsächlich zu Problemen kommt. Denn eine falsche Fokuskorrektur kann auch zu unschärferen Bildern führen. Oft lassen sich bei genauer Messung leichte Fehlfokussierungen feststellen, die in der Praxis nicht auffallen, sei es, weil die Schärfentiefe groß genug ist, die Bilder nicht riesig ausbelichtet und von Nahem betrachtet werden oder weil das Foto ohnehin so viele "diffuse" Schärfeebenen hat, dass man gar nicht weiß oder merkt, wohin die Kamera denn nun genau fokussiert hat. Nur ein Problem, das in der Praxis auftritt, sollte untersucht werden, nur dann lohnt sich die investierte Zeit mit dem nicht unerheblichen Aufwand und möglicherweise Kosten. Ohnehin hat nicht jedes leicht oder ganz unscharfe Bild einen Fehlfokus als Ursache. Vielleicht ist die Aufnahme leicht verwackelt, das Motiv hat nicht still genug gehalten oder die Kamera wurde nach dem Fokussieren nochmal nach vorne oder hinten bewegt oder aber der Fokuspunkt hat nicht gepasst beziehungsweise es waren zu viele Schärfeebenen im Bereich des Fokuspunkts, der oft nicht exakt mit der Größe und Position in der Anzeige des Suchers übereinstimmt.


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Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.