Ultralichtstarkes Normalobjektiv

Testbericht: Canon RF 50 mm 1.2 L USM

2019-01-30 Im noch jungen spiegellosen EOS-R-System will Canon mit dem F1,2 lichtstarken 50 mm zeigen, was für eine Bildqualität mit der EOS R dank des großen Bajonetts und geringen Auflagemaßes möglich ist und grenzt sich bei der Lichtstärke klar vom direkten Konkurrenzen Nikon ab. Selbst der spiegellose Vollformat-Pionier Sony kann kein so lichtstarkes 50mm-Objektiv für sein E-System vorweisen. Ob das Canon RF 50 mm 1.2 L USM die hohen Erwartungen an die Bildqualität erfüllen kann, zeigt unser Test an der Canon EOS R.  (Benjamin Kirchheim)

Verarbeitung und Bedienung

Mit einem Preis von knapp 2.500 Euro (UVP) ist das Canon RF 50 mm 1.2 L USM alles andere als ein Schnäppchen. Dafür bekommt man einen rund 940 Gramm schweren, elf Zentimeter langen und neun Zentimeter dicken Brocken von Objektiv. Dass spiegellos automatisch mit klein und leicht gleichzusetzen ist, widerlegt dieser Lichtriese eindrucksvoll. In Kombination mit der EOS R zerren fast 1,6 Kilogramm am Kameragurt. Zum Lieferumfang gehören immerhin eine Weichtasche und eine Gegenlichtblende.

Ein bisschen wundert man sich, wenn man die Festbrennweite in die Hand nimmt: Trotz des Preises und Gewichts besteht das Gehäuse aus Kunststoff, was sogar auf das 77mm-Filtergewinde zutrifft. Immerhin ist das Objektiv gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet, das Metallbajonett wird von einer Dichtungslippe umgeben. Obwohl es sich um ein Festbrennweitenobjektiv handelt, besitzt das Canon RF 50 mm 1.2 L USM zwei Einstellringe. Der vordere ist einen Zentimeter breit und lässt sich sanft rastend ohne Anschlag drehen. Die Funktion kann man im Kameramenü festlegen, defaultmäßig wird so die Belichtungskorrektur eingestellt. Das ist etwas unglücklich, denn viel zu leicht verstellt sich der Ring beim Hantieren versehentlich, und ändert bei eingeschalteter Kamera dann womöglich ungewollt die Belichtung.

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Fokussierung

Der hintere der beiden Ringe ist mit 2,7 cm deutlich breiter und arbeitet stufenlos. Dank der Gummiriffelung lässt er sich sicher bedienen. Hiermit kann, sofern man das am Schalter links eingestellt hat, manuell fokussiert werden. Aber auch bei aktiviertem Autofokus kann manuell in die Fokussierung eingegriffen werden. Der Fokusring arbeitet rein elektronisch, sodass der AF-Motor unterschiedlich auf die Bewegungen reagieren kann. Schnelle Bewegungen werden hoch übersetzt und langsame sehr lang untersetzt, sodass man sehr feinfühlig und genau fokussieren kann. Unterstützung bieten dabei die Fokuslupe und das Fokuspeaking, beides optional zuschaltbar.

Der Autofokusmotor arbeitet leise, aber nicht ganz unhörbar. Dabei ist es weniger der Motor, den man hört, sondern wenn eine mechanische Bewegung anfängt oder stoppt. Besonders deutlich wird dann beim Überfahren, Stoppen, Zurückfahren, nochmal Zurückfahren etc., wenn die Kamera den perfekten Fokuspunkt sucht. Von vorne betrachtet wird deutlich, warum der Autofokus nicht allzu schnell arbeitet: Die gesamte Frontlinsengruppe und damit der schwerste Teil der Objektivkonstruktion, wird bei diesem Vorgang bewegt. Immerhin erfolgt diese Bewegung innerhalb des Tubus', sodass sich die Baulänge nicht ändert. Schraubt man einen Filter vorne ans Objektiv und betrachtet ihn als Teil des Objektivaufbaus, handelt es sich dann sogar um einen Innenfokus.

Die Naheinstellgrenze liegt übrigens bei 40 Zentimetern, was einen größten Abbildungsmaßstab von immerhin 1:5,3 erlaubt. Die geringste Bildfläche beträgt somit rund 19,1 mal 12,7 Zentimeter. Um den Autofokus etwas zu beschleunigen, kann ein Fokusbegrenzer auf 80 Zentimeter bis unendlich per Schiebeschalter an der Objektivseite aktiviert werden.

Bildqualität

Etwas ungewöhnlich ist die Anzahl der Blendenlamellen, zehn Stück sind es an der Zahl. Damit soll sich bei weit geöffneter Blende eine nahezu runde Öffnung ergeben und für ein schönes Bokeh sorgen. Zwar sind die Unschärfescheibchen etwas hart abgegrenzt, aber durch die geringe Schärfentiefe bei offener Blende ergibt sich dennoch ein schönes Bokeh mit großen, runden Unschärfescheibchen. Blendet man das Objektiv hingegen stark ab, so sorgen die symmetrisch gegenüberliegenden Ecken zwischen den Blendenlamellen für einen besonders ausgeprägten Sternstrahleneffekt an hellen, punktuellen Lichtquellen.

Direktes Gegenlicht bei großen Lichtquellen sollte man hingegen vermeiden, besonders bei geöffneter Blende. Dies führt zu sehr großflächigen Blendenreflexen, die sich wie ein Schleier kontrastmindernd über das Bild legen. Wegen des Brennglaseffekts ist es aber ohnehin keine gute Idee, ein so lichtstarkes Objektiv länger in die Sonne zu halten. Ansonsten verhält sich das Canon RF 50 mm 1.2 L USM ausgesprochen gutmütig. Eine sichtbare Randabdunklung gibt es nicht einmal bei Offenblende, auch Farbsäume oder Verzeichnung treten nicht im sichtbaren Rahmen auf, sogar die Schärfeleistung ist bereits ab Offenblende visuell ausgesprochen gut, selbst in den Bildecken.

Der Labortest bestätigt die Eindrücke aus der Praxis. Die chromatischen Aberrationen bewegen sich nahe der Nulllinie (siehe Diagramm aus dem Labortest unten) und auch die Verzeichnung ist mit maximal 0,2 Prozent Tonnenfom minimal. Die Randabdunklung beträgt bei Offenblende nur 0,9 Blendenstufen und halbiert sich beim Abblenden auf F2,0. Der Verlauf ist jedoch derart sanft ansteigend, dass die Randabdunklung praktisch kaum auffällt. Eine sehr gute Leistung für ein so lichtstarkes Kleinbildobjektiv.

Die Auflösung erreicht bereits bei Offenblende sehr gute 59 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) bei 50 Prozent Kontrast im Bildzentrum. Bei Abblenden steigert sie sich auf bis zu knapp 72 lp/mm bei F5,6. Jenseits von F8 setzt zwar die Beugung deutlicher ein, jedoch erst jenseits von F11 wird die Linien von 60 lp/mm unterschritten, bei F22 sind es immer noch über 50 lp/mm im Bildzentrum. Am Bildrand beträgt die Offenblendauflösung gut 50 lp/mm und macht ab F2,0 einen deutlichen Sprung nach vorne auf 58 lp/mm. Bei F4 wird mit 66 lp/mm die maximale Randauflösung erreicht, darüber setzt langsam die Beugung ein, die sich aber ebenfalls erst jenseits von F8 deutlicher bemerkbar macht. Selbst bei F22 sind es immerhin noch 50 lp/mm Randauflösung, also nicht schlechter als bei Offenblende.

Fazit

Das Canon RF 50 mm 1.2 L USM ist zwar kein preisgünstiges Objektiv, dem Canon zudem eine höherwertige Verarbeitung hätte spendieren können, an der optischen Leistung jedoch gibt es fast nichts zu mäkeln. Der Autofokus ist nicht der schnellste, aber flott genug und manuell lässt sich das 50er ebenfalls hervorragend fokussieren. Interessant ist die Kombination aus kreisrunden Unschärfescheibchen bei offener Blende und der Möglichkeit, einen deutlichen Sternstrahleneffekt bei geschlossener Blende dank der geraden Anzahl von zehn Blendenlamellen hervorrufen zu können. Von dominantem Gegenlicht ist das Canon RF 50 mm allerdings weniger ein Freund. Bei der Bildqualität kann man das Canon RF 50 mm 1.2 L USM als uneingeschränkt offenblendtauglich bezeichnen, die höchste Auflösung erhält man bei F4 und F5,6. Weiter als F8 sollte man nur im Notfall abblenden, denn hier macht sich die Beugung deutlich, wenn auch nicht dramatisch auflösungsmindernd bemerkbar. Optische Fehler treten indes praktisch nicht auf.

Kurzbewertung

  • Hohe Auflösung bereits ab Offenblende
  • Praktisch frei von optischen Fehlern
  • Schönes Bokeh
  • Staub- und Spritzwasserschutz
  • Schwindende Kontraste bei direktem Gegenlicht
  • Nicht ganz preisgünstig
  • Kunststoffgehäuse
  • Nicht allzu schneller Autofokus

Canon RF 50 mm 1.2 L USM mit Canon EOS R (v6.0)

Chromatische Aberration

Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.

Hersteller Canon
Modell RF 50 mm 1.2 L USM
Unverbindliche Preisempfehlung 2.499,00 €
Bajonettanschluss Canon RF
Brennweite 50,0 mm
Lichtstärke (größte Blende) F1,2
Kleinste Blendenöffnung F16
KB-Vollformat ja
Linsensystem 15 Linsen in 9 Gruppen
inkl. ED und asphärische Linsen
Anzahl Blendenlamellen 10
Naheinstellgrenze 400 mm
Bildstabilisator vorhanden nein
Autofokus vorhanden ja
Wasser-/Staubschutz ja
Filtergewinde 77 mm
Abmessungen (Durchmesser x Länge) 90 x 108 mm
Objektivgewicht 942 g

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.