Einzigartig lichtstarkes Vollformat-Standardzoom

Testbericht: Canon RF 28-70 mm 2L USM

2019-02-06 Mit dem RF 28-70 mm 2L USM präsentierte Canon einen echten Knaller für seine neue spiegellose Vollformat-Systemkamera EOS R, denn so ein lichtstarkes Standardzoom (durchgehend F2,0) für das Kleinbildformat bietet aktuell kein anderer Hersteller an. Doch mit seinem hohen Gewicht, den großen Abmessungen und dem stolzen Preis sowie dem fehlenden Bildstabilisator muss man auch Kompromisse eingehen. Ob das auch auf die Bildqualität zutrifft, zeigt unser Test.  (Benjamin Kirchheim)

Normalerweise bieten die hochwertigen Standardzooms nur eine durchgehende Lichtstärke von F2,8, fangen dafür aber oft bereits bei 24 Millimeter Weitwinkel an statt bei 28 Millimeter wie das Canon und bieten heutzutage einen optischen Bildstabilisator. Dafür hat es beim Canon RF 28-70 mm 2L USM trotz oder gerade wegen seiner hohen Lichtstärke und entsprechenden Linsendurchmessern nicht gereicht. Über 1,4 kg Lebendgewicht bringt es auf die Waage, angesetzt an der EOS R klettert das Gesamtgewicht sogar über die Marke von zwei Kilogramm. Spiegellose Systemkameras: War da nicht was mit klein und leicht? Jedenfalls nicht im Vollformat, wenn es noch dazu um lichtstarke Objektive geht!

Dafür sind tatsächlich solche Lichtriesen auch im Zoomformat möglich. Ganze 14 Zentimeter lang ist das 28-70mm und es misst über zehn Zentimeter im Durchmesser. Entsprechend groß fällt das Filtergewinde mit 95 Millimetern aus. Und als preisgünstig kann man das Canon RF 28-70 mm 2L USM nun wirklich nicht bezeichnen, knapp 3.250 Euro gibt Canon als unverbindliche Preisempfehlung an.

Verarbeitung

Nimmt man das 28-70 in die Hand, fällt zwar das hohe Gewicht auf, aber es fühlt sich merkwürdig "warm" an. Tatsächlich besteht das Gehäuse zum größten Teil aus Kunststoff. Nur das Bajonett sowie der Zoomring bestehen aus Metall. Angesichts des Preises und ohnehin hohen Gewichts hätten 50 oder 100 Gramm mehr für ein Leichtmetallgehäuse nicht geschadet und die Wertigkeit und Langlebigkeit unterstrichen. Aber immerhin ist das Objektiv gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet und eine Weichtasche sowie eine Streulichtblende gehören zum Lieferumfang.

Angesetzt an der Canon EOS R wirkt das Objektiv immer noch riesig, zudem ist die Kombination recht frontlastig. Tatsächlich fällt das mehr auf einem Stativ als in der Hand auf, denn dank des wohlgeformten Handgriffs der EOS R lässt sich die Kombination erstaunlich gut handhaben. Auf einem Stativ hingegen ist die Kombination ausgesprochen frontlastig, man bekommt fast schon Angst um das Stativgewinde. Das Canon RF 28-70 mm 2L USM ist offenbar hart an der Grenze, ab der eine Stativschelle nötig wäre. Aber ein 28-70mm-Objektiv mit Stativschelle? Das traut sich nicht einmal Canon.

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Ausstattung

Drei Einstellringe und zwei Schalter zieren das wuchtige Gehäuse des Canon RF 28-70 mm 2L USM. Der hinterste besteht wie erwähnt aus Metall, das aber größtenteils von einem zwei Zentimeter breiten, geriffelten Gummiring verdeckt wird. Es handelt sich um den Zoomring, der mit weniger als einer viertel Umdrehung das Durchfahren des 2,5-fachen Zoombereichs von 28 bis 70 Millimeter erlaubt. Nur bei 28, 35, 50 und 70 Millimetern befinden sich Markierungen. Der Ring läuft sanft und angenehm schwergängig. Obwohl der maximal um 2,2 Zentimeter herausfahrende Tubus nicht von seinem Eigengewicht herausgezogen werden kann, besitzt das Objektiv einen Zoomsperrschalter, der bei 28 Millimetern greift.

Der mittlere Einstellring ist ebenfalls mit einer zwei Zentimeter breiten Gummiriffelung versehen und dreht sich etwas leichter. Es handelt sich um einen elektronisch gekoppelten Fokusring, der Stellbefehle an den flüsterleisen Innenfokus weitergibt. Dadurch erlaubt der Fokusring eine hohe und eine kleine Übersetzung, was sowohl ein grobes, schnelles, also auch ein langsames, präzises manuelles Fokussieren erlaubt. Unterstützt wird man dabei von der zuschaltbaren Fokuslupe sowie dem aktivierbaren Fokuspeaking. Eine Entfernungsskala gibt es zwar nicht auf dem Objektiv, dafür wird sie aber auf dem Bildschirm oder im Sucher der Kamera eingeblendet und lässt sich relativ genau ablesen. Großartig wäre natürlich eine volldigitale Entfernungsanzeige in Zentimetern gewesen.

Die Naheinstellgrenze liegt bei 39 Zentimetern ab Sensorebene, was einen Abbildungsmaßstab von 1:5,6 bei größter Brennweite erlaubt. Damit beträgt das kleinste Bildfeld etwa 20,2 x 13,4 cm bei einem Arbeitsabstand von etwa 21 Zentimetern. Da es sich um einen echten Innenfokus handelt, sind trotz der hohen Lichtstärke nur relativ kleine Linsen und damit eine geringe Masse durch den Fokusantrieb zu bewegen. Dadurch arbeitet der Autofokus leiser und schneller als beispielsweise beim RF 50 mm F1,2 (Testbericht siehe weiterführende Links). Umgeschaltet zwischen Autofokus und manueller Fokussierung wird über den seitlich am Objektiv angebrachten Schalter.

Ganz vorne am Objektiv sitzt ein rastender Einstellring mit etwa einem Zentimeter Breite. Er ist nur geriffelt und nicht gummiert und daher sofort blind erkennbar. Es handelt sich um einen Multifunktionsring, dessen Funktion sich über das Kameramenü festlegen lässt. Standardmäßig ist dies die Belichtungskorrektur. Keine allzu gute Idee, denn der Ring verstellt sich beim Hantieren recht leicht versehentlich, was zumindest bei eingeschalteter Kamera direkt Auswirkungen hat. 

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.