Jetzt also doch mit kleinerem Sensor

Canon EOS R7 und R10 läuten die APS-C-Ära im EOS-R-System ein

2022-05-24 Mit den beiden Modellen EOS R7 und R10 stellt Canon seine ersten beiden APS-C-Modelle im EOS-R-System vor – und das obwohl früher immer behauptet wurde, ein kleiner APS-C-Sensor würde in dem großen Bajonett keinen Sinn ergeben. Zwischenzeitlich ist jedoch die Erkenntnis gereift, dass eine Marktführerschaft ohne APS-C nicht möglich ist. Zudem erschließen die APS-C-Kameras neue Zielgruppen und (Highspeed-) Anwendungen, darüber hinaus dienen sie Einsteigern als Brücke ins Vollformat.  (Benjamin Kirchheim)

Vor allem die Canon EOS R7 beeindruckt mit ihren Leistungsdaten, man kann sie durchaus als Nachfolgemodell der EOS 7D Mark II sehen, auch wenn sie vielleicht eher zwischen eben dieser und der EOS 90D angesiedelt ist. Auf jeden Fall ist sie das Highend-APS-C-Modell von Canon, während Canon mit der EOS R10 eher Einsteiger bis ambitionierte Hobbyfotografen im Visier hat, die EOS R10 also eher als Nachfolgemodell der EOS 850D angesehen werden kann.

Beide Kameras besitzen viele Gemeinsamkeiten, etwa den Autofokus mit der bekannten Technologie Dual Pixel CMOS AF II. Dieser erstreckt sich fast über die gesamte Sensorgröße und bietet bei der automatischen Erkennung 651 Zonen. Als kleine Sensation bieten die APS-C-Modelle den Deep-Learning-AF des Vollformat-Spitzenmodells EOS R3 (!) samt Erkennung von Menschen, Tieren und Fahrzeugen, wobei auch Körper, Gesichter und Augen von Menschen und Tieren sowie Köpfe (und Helme) von Menschen erkannt werden. Sogar die AF-Cases sowie die erweiterten AF-Feld-Steuerungen der EOS R3 sind in den beiden APS-C-Modellen zu finden. Dafür besitzen beide einen Fokus-Joystick, aber auch einen Touch&Drag-AF via Bildschirm.

Mehr noch: Sie besitzen den schnellsten mechanischen Verschluss, den Canon bisher verbaut hat: 15 Bilder pro Sekunde sind mit mechanischem Verschluss möglich, selbstverständlich inklusive Tracking-Autofokus und Belichtungsnachführung. Erst bei Serienbildern mit elektronischem Verschluss gibt es Unterschiede: 23 Bilder pro Sekunde bei der R10 und 30 Bilder pro Sekunde bei der R7 – ebenfalls mit AF und AE. Unterschiede gibt es aber bei der kürzesten mechanischen Verschlusszeit, die 1/4.000 Sekunde bei der R10 und 1/8.000 Sekunde bei der R7 beträgt. Elektronisch belichten beide bis zu 1/16.000 Sekunde kurz.

Ebenfalls identisch sind der für die APS-C-Kameras angepasste Bildprozessor Digic X, die Sucherauflösung von 2,36 Millionen Bildpunkten und die 7,5 Zentimeter großen, schwenk- und drehbaren Touchscreens. Auch bei der drahtlosen Kommunikation sind beide Kameras mit WLAN und Bluetooth gut aufgestellt, sie können sogar via WLAN live bei YouTube streamen. Über die USB-C-Schnittstellen (bei der R7 3.2 Gen 2, bei der R10 2.0) lässt sich nicht nur der Akku laden, sondern auch die Kamera mit Strom versorgen, womit langen Videoaufnahmen nichts im Wege steht, denn auch die 30-Minuten-Grenze gibt es nicht mehr. Mikrofone lassen sich ebenfalls an beiden Kameras anschließen und beide filmen mit 4K30 mit Oversampling und mit 4K60 ohne Oversampling (genaueres weiter unten).

Bei allen Gemeinsamkeiten gibt es aber natürlich auch Unterschiede. Die EOS R10 ist mit 429 Gramm die leichtere der beiden APS-C-Kamera, denn sie besitzt ein Kunststoffgehäuse und wird von einem LP-E17 mit Strom versorgt, der auch in der Canon EOS RP zum Einsatz kommt. Er ermöglicht 430 Aufnahmen mit Monitor beziehungsweise 260 mit Sucher. Die R7 hingegen wiegt mit 612 Gramm deutlich mehr, denn sie besitzt ein gegen Spritzwasser und Staub abgedichtetes Magnesiumgehäuse und wird vom größeren Akku LP-E6NH mit Strom versorgt, der für 770 Aufnahmen mit Monitor beziehungsweise 500 mit Sucher reicht. Darüber hinaus besitzt die R7 im Gegensatz zur R10 zwei SD-Speicherkartensteckplätze, die zudem seitlich statt von unten zugänglich sind und den schnellen Standard UHS II unterstützen. Dafür besitzt die EOS R10 einen integrierten Blitz, wenn auch nur mit einer Leitzahl von sechs.

Einen Sensor-Shift-Bildstabilisator bietet wiederum nur die R7. Er erlaubt nun sogar einen automatischen Horizontausgleich. Die R7 ist auch etwas größer, wobei beide Kameras einen Handgriff mit sehr guter Grifftiefe bieten, um sicher in der Hand zu liegen. Zwar sind die Touchscreens identisch groß und beweglich, aber die R10 bietet nur eine Auflösung von 1,04 Millionen Bildpunkten, während es bei der R7 1,62 Millionen sind.

Die Sucher wiederum lösen zwar identisch auf, aber die R10 bietet nur eine 0,95-fache Vergrößerung, was 0,59-fach im Kleinbildäquivalent entspricht. Bei der R7 vergrößert der Sucher hingegen 1,15-fach, was einem Kleinbildäquivalent von 0,72 entspricht. Zudem ist die Austrittspupille größer, der Sucher der R7 wirkt insgesamt viel erwachsener und ist mit dem einer Kleinbildkamera vergleichbar, während der Sucher der R10 deutlich kleiner und "weiter weg" wirkt, wie wir bei einem ersten Hands-On feststellen konnten.

Die Bildsensoren der beiden Kameras unterscheiden sich nicht nur beim Bildstabilisator, sondern auch bei der Auflösung. Beim Sensor der EOS R10 handelt es sich um einen neu entwickelten, rauschärmeren APS-C-Sensor mit einem Cropfaktor von 1,6 und einer Auflösung von 24,2 Megapixeln. Er erlaubt 4K30-Videoaufnahmen mit 6K-Oversampling bei voller Sensorbreite, in 4K60 hingegen wird nur 64 Prozent der Sensorbreite genutzt (1:1-Pixelauslesung). In Full-HD sind sogar 120 Bilder pro Sekunde möglich, dann aber ohne Ton.

Die EOS R7 besitzt hingegen einen 32,5-Megapixel-Sensor, bei dem es sich um eine Weiterentwicklung des Sensors der EOS 90D und M6 Mark II handelt. Er besitzt eine optimierte Mikrolinsenstruktur für eine verbesserte Lichtausbeute sowie eine optimierte Verdrahtung für die schnellere Auslesung, was den Rolling-Shutter-Effekt reduziert. Bei 4K30 wird die volle Sensorbreite mit 7K-Oversampling genutzt. Bei 4K60-Aufnahmen hat man dagegen die Wahl, ob die volle Sensorbreite (aber ohne Oversampling) verwendet werden soll oder ob man nur 55 Prozent der Sensorbreite nutzt, dafür aber mit 1:1-Pixelauslesung.

Im Gegensatz zur R10 bietet die R7 übrigens einen Kopfhörerausgang und Canon Log 3 und Cinema Gamut für eine flache Tonwertkurve und spätere Gradation. Beide Kameras wiederum bieten Videoaufnahmen im Standard HDR PQ mit 4:2:2 10 Bit für die direkte Anzeige auf HDR-Displays. Das Material der Kameragehäuse hat übrigens Einfluss auf die tatsächliche maximale Videoaufnahmelänge. Canon gibt zwei Stunden für die EOS R10 an und sechs Stunden für die EOS R7, wofür selbstverständlich eine externe Stromquelle via USB-C nötig ist. Beide verfügen selbstverständlich über einen HDMI-Anschluss, und zwar in der kleinsten Größe "Micro-HDMI" beziehungsweise Typ D. Dank Clean-HDMI lassen sich auch extern Videos aufzeichnen, und zwar sogar mit 4:2:2 10 Bit.

Bei Videoaufnahmen steht die volle Autofokus-Funktionalität inklusive allen Erkennungsfunktionen zur Verfügung. Auch Peaking und die 3D-Fokus-Map können als Fokushilfen verwendet werden. Beide Kameras besitzen zudem drei Mikrofone. Das dritte Mikrofon dient der Detektion von Kamerageräuschen sowie Grundrauschen, das dadurch im Stereoton herausgefiltert werden kann. Zudem kommt bei beiden der neue Multifunktions-Blitzschuh zum Einsatz, der auch den Anschluss von Videozubehör erlaubt, etwa dem XLR-Adapter CA-XLR2d-C von Tascam. Ebenfalls beiden Kameras gemeinsam ist der digitale Bildstabilisator, der sich mit dem optischen Bildstabilisator kombinieren lässt. Bei der EOS R7 bedeutet das eine Kombination aus drei Bildstabilisatoren, nämlich dem optischen Stabilisator des Objektivs, dem Sensor-Shift-Bildstabilisator und dem digitalen Bildstabilisator, was besonders ruhige Videobilder ergeben soll.

Neu in der EOS R7 und R10 ist der automatische Panoramamodus, der erstmals in einer Canon EOS zum Einsatz kommt. Mit fünf Bildern pro Sekunde werden bei Schwenks hochauflösende Panoramen direkt in den Kameras zusammengesetzt: 30.240 mal 3.248 Pixel im Querformat (98 Megapixel!) und im Hochformat sogar 30.240 mal 4.480 Pixel (135 Megapixel!). Zudem beherrschen beide Kameras Fokus-Reihenaufnahmen sowie Fokus-Stacking-Aufnahmen, wobei letzteres keine externe Software mehr benötigt, denn die Bilder werden direkt in den Kameras verrechnet.

Die Canon EOS R7 und R10 bieten in Summe eine umfangreiche Ausstattung und ergonomische Gehäuse sowie vom Start weg dank der Kompatibilität zu den RF-Vollformatobjektiven eine große Objektivauswahl. Zudem gibt es mit dem RF-S 18-45 mm F4.5-6.3 IS STM und RF-S 18-150 mm F3.5-6.3 IS STM zwei neue APS-C-Objektive, die wir separat vorstellen (siehe weiterführende Links). Darüber hinaus lassen sich EF- und EF-S-Objektive der Canon-Spiegelreflexkameras adaptieren, die nötigen Adapter gehören sogar zum Lieferumfang der beiden Kameras. Damit stellt Canon das EOS-R-System deutlich breiter auf und zeigt eindrucksvoll, dass APS-C doch eine sinnvolle Erweiterung des Vollformats ist, denn die Kameras sind nicht nur kompakter, sondern für weniger Geld auch viel leistungsfähiger.

Apropos Geld: Die Canon EOS R7 soll ab Juni 2022 zu einem Preis von knapp 1.500 Euro erhältlich sein, EF-Adapter inklusive. Im Set mit dem neuen RF-S 18-150 mm F3.5-6.3 IS STM soll sie 1.890 Euro kosten, ebenfalls inklusive EF-Adapter. Mit einem Preis von knapp 980 Euro ist die Canon EOS R10 deutlich preisgünstiger, auch ihr liegt der EF-Adapter bei, allerdings ist sie erst ab Juli 2022 erhältlich. Von der EOS R10 bietet Canon gleich zwei zusätzliche Sets an: Mit dem RF-S 18-45 mm F4.5-6.3 IS STM soll sie gut 1.100 Euro kosten, mit dem RF-S 18-150 mm F3.5-6.3 IS STM 1.370 Euro – EF-Adapter jeweils inklusive.


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Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.