Lichtstarkes Ultraweitwinkel-Zoom

Canon RF 15-35 mm F2.8L IS USM im Test

2022-05-18 Mit dem Canon RF 15-35 mm F2.8L IS USM bietet der japanische Kamera-Marktführer in seinem spiegellosen System einen Millimeter mehr Weitwinkel als beim klassischen Spiegelreflexobjektiv der Trinity-Serie. Es soll nicht nur den Weitwinkelbereich mit einer Bilddiagonale von 110 Grad Ultraweitwinkel bis 63 Grad klassisches Reportageweitwinkel abdecken, sondern das auch noch bei einer hohen Lichtstärke mit entsprechendem kreativen Potential. Wie es um die Bildqualität und die Praxistauglichkeit steht, haben wir im Test an der 45 Megapixel auflösenden Canon EOS R5 herausgefunden.  (Benjamin Kirchheim)

Angesichts des hohen Preises von immerhin knapp 2.500 Euro bekommt man auch einen vernünftigen Ausstattung- und Lieferumfang. Ein Objektivbeutel und eine Streulichtblende gehören selbstverständlich dazu. Zudem ist das Objektiv "Made in Japan", das heißt Canon setzt bei den anspruchsvolleren L-Objektiven auf die Produktion im Heimatland statt beispielsweise Taiwan, wo preisgünstigere Canon-Objektive produziert werden.

Verarbeitung

Mit gemessenen fast 840 Gramm hat das RF 15-35 mm F2.8L IS USM ein sattes Gewicht und ist sogar 50 Gramm schwerer als das Spiegelreflex-Objektiv EF 16-35 mm F2.8L III USM und ist auch bis auf einen Millimeter weniger Länge genauso groß, bietet dafür aber auch mehr Weitwinkel und sogar einen optischen Bildstabilisator. Zusammen mit der 25 Gramm leichten Gegenlichtblende und der 735 Gramm schweren Canon EOS R5 zerren immerhin fast 1,6 Kilogramm am Kameragurt. Vollformat, vor allem in Kombination mit hoher Lichtstärke, war noch nie besonders leicht. Dank des guten Griffs der EOS R5 liegt die Kombination dennoch gut in der Hand, besonders dann, wenn die linke Hand das Objektiv von unten stützt.

Die Abmessungen sind mit einer Länge von 12,7 und einem Durchmesser von 8,9 Zentimetern nicht ohne. Das Filtergewinde hat 82 Millimeter Durchmesser. Die mitgelieferte Streulichtblende ist mit einem Durchmesser von 10,5 und einer Länge von nur drei Zentimetern sehr klein und lässt sich zum Transport verkehrt herum anbringen. Dabei verdeckt sie lediglich den Funktionsring, aber auch nur zu einem Teil, so dass er sich im Eifer des Gefechts noch bedienen lässt. Die Blende rastet zuverlässig im Bajonett ein und muss zum Lösen per Knopf entriegelt werden.

Das Gehäuse des Canon RF 15-35 mm F2.8L IS USM besteht komplett aus Kunststoff, lediglich das Bajonett ist aus Metall gefertigt. Angesichts des Preises würden wir uns eine höherwertige Materialanmutung wünschen, auch wenn der Kunststoff sicher mechanische EInflüsse gut abfedern kann. Apropos Einflüsse: Selbstverständlich ist das Objektiv gegen das Eindringen von Staub und Spritzwasser abgedichtet. Die Frontlinse ist zudem mit einer Fluorbeschichtung gegen die Anhaftung von Verschmutzungen versehen.

Ausstattung und Bedienung

Das Canon RF 15-35 mm F2.8L IS USM besitzt drei Einstellringe – einer davon mechanisch und zwei elektronisch – sowie zwei Schalter. Der hinterste Ring ist mit seiner 3,5 Zentimeter breiten Gummiriffelung der dominanteste. Mit ihm wird die Brennweite mechanisch eingestellt, wobei Markierungen bei 15, 20, 24, 28 und 35 Millimeter angebracht sind. Im Livebild zeigt die EOS R5 leider nicht die exakte Brennweite an. Mit etwas weniger als einer Viertel Umdrehung wird der Zoombereich durchfahren, wobei sich bei abnehmender Brennweite ein Tubus bis zu 1,2 Zentimeter weit aus dem Gehäuse schiebt. Das Zoom ist also bei längster Brennweite am kürzesten.

Das Canon RF 15-35 mm F2.8L IS USM besitzt einen Nano-Ultraschallmotor für eine schnelle Fokussierung. In unserem Test arbeitete unhörbar und sehr präzise. Die Naheinstellgrenze beträgt laut Datenblatt 28 Zentimeter ab Sensorebene. In der Praxis konnten wir sogar bereits ab etwas unter 26 Zentimetern Abstand zur Sensorebene fokussieren. Das minimale Bildfeld betrug bei 35 Millimetern Brennweite etwa 13,5 mal neun Zentimeter, was einem Abbildungsmaßstab von 1:3,75 entspricht und die Herstellerangabe von 1:4,76 sogar deutlich übertrifft. Der Abstand des Motivs von der Objektivfront beträgt dabei rund elf Zentimeter. Beim Auszoomen auf 15 Millimeter sinkt dieser Abstand auf gut 9,5 Zentimeter, das Bildfeld wird dagegen mit 30 mal 20 Zentimetern deutlich größer, der Abbildungsmaßstab schrumpft auf 1:8,3.

Um manuell fokussieren zu können, muss man einfach nur den ober der beiden seitlich angebrachten Schalter "umlegen". Dann kann über den mittleren, 1,8 Zentimeter breiten, fein geriffelt gummierten Fokusring manuell fokussiert werden. Der Ring arbeitet elektronisch, die Steuerbefehle werden je nach Drehgeschwindigkeit unterschiedlich stark an den Fokusmotor weitergegeben. Dreht man den Ring schnell, lassen sich große Wege zurücklegen, dreht man ihn langsam, ist eine sehr feine, genaue Fokussierung möglich. Dabei helfen die Einblendungen auf dem Kamerabildschirm (oder im Sucher) wie die Fokusskala, das Fokuspeaking und die Lupenfunktion. Eine zentimetergenaue Entfernungsanzeige gibt es indes nicht. Auf Wunsch kann die nicht-lineare Reaktion des Fokusrings über das Kameramenü auf einen linearen Betrieb umgeschaltet werden, was Videografen freuen dürfte.

Der unterste der beiden seitlich angebrachten Schalter kontrolliert den verbauten optischen Bildstabilisator. Er soll bis zu fünf Blendenstufen längere Belichtungszeiten aus der Hand ermöglichen, in Kombination mit dem Sensor-Shift-Bildstabilisator der EOS R5 sogar bis zu acht Blendenstufen. Das entspricht bei 35 Millimetern Brennweite sechs Sekunden und bei 15 Millimetern sogar 15 Sekunden Belichtungszeit! Das ist natürlich ein rein theoretischer Wert, denn so lange kann niemand ohne Livebild die Kamera auf den Bildausschnitt halten, außer einer Testmaschine, die zwar wackelt, aber den Livebild-Blick auf Motiv dafür nicht benötigt. Selbst die fünf Blendenstufen ohne Kamera-Bildstabilisator sind mit 0,8 bis zwei Sekunden Belichtungszeit kritisch zu hinterfragen. Wir konnten in der Praxis unabhängig der Brennweite ungefähr bis eine halbe Sekunde lang unverwackelte Fotos aufnehmen, was je nach Brennweite drei bis knapp über vier Blendenstufen entspricht.

Ganz vorne sitzt der ein Zentimeter breite, griffig geriffelte Multifunktionsring, der sanft beim Drehen klickend rastet. Wer sich daran stört, kann den Ring vom Canon-Service umbauen lassen, damit er stufenlos arbeitet. Der Ring übernimmt je nach Kamerakonfigurationen verschiedene Funktionen, beispielsweise die Einstellung der Blende, der Belichtungskorrektur oder etwa des Weißabgleichs.

Bildqualität

Bevor es ans Eingemachte mit den Fakten aus dem Labortest an der Canon EOS R5 geht, noch ein paar Worte zur subjektiven Bildqualität in der Praxis. Dank moderner Vergütungen ist das Canon RF 15-35 mm F2.8L IS USM nicht gegenlichtanfällig. Die Kontraste bleiben stets hoch, selbst mit direktem Sonnenlicht im Bildfeld, Blendenreflexe treten dabei kaum auf und wir haben sie nicht als störend empfunden.

Aufgrund der großen Blendenöffnung und geringen Naheinstellgrenze lässt sich problemlos ein unscharfer Hintergrund erzeugen. Als schön empfanden wir das Bokeh indes nicht, denn die Unschärfescheibchen zeigen einen deutlich hellen Rand, fast könnte man meinen, mit einem Spiegeltele zu fotografieren, so ausgeprägt zeigen sich die Ringe im Bokeh, das dadurch sehr unruhig wirkt. Immerhin treten dabei so gut wie keine Farbsäume auf. Wer die neunlamellige Blende ganz auf F22 schließt, kann sogar einen ausgeprägten Stern um punktuelle Lichtquellen erzeugen, was seinen ganz eigenen Reiz haben kann.

Im Labortest an der 45 Megapixel auflösenden Canon EOS R5 zeigt das RF 15-35 mm F2.8L IS USM durchwachsene Ergebnisse. So zeigt sich bei kürzester Brennweite trotz aktivierter digitaler Korrektur eine sichtbare Randabdunklung, auch wenn diese sanft auf die 1,2 Blendenstufen ansteigt, die in den äußersten Bildecken auftreten. Abgeblendet auf F4 oder gezoomt auf 23 Millimeter sinkt die Randabdunklung deutlich auf 0,6 bis 0,7 Blendenstufen, bleibt aber noch leicht sichtbar. Erst weiteren Abblenden oder Zoomen sorgt für ein nahezu gleichmäßig helles Bild bis in die Ecken. Erfreulich gering sind dagegen die chromatischen Aberrationen, selbst im Maximum sind sie kaum der Rede wert.

Anders sieht es mit der Verzeichnung aus (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Zwar ist diese bei einem Ultraweitwinkelzoom erwartbar, zeigt beim Canon RF 15-35 mm F2.8L IS USM aber insbesondere bei mittlerer Brennweite eine unschöne Wellenform. Bei 50 Prozent radialem Abstand von der Bildmitte ist sie minimal tonnenförmig, am Bildrand hingegen sichtbar kissenförmig. Bei maximaler Brennweite ist sie mit über 1,5 Prozent deutlich sichtbar kissenförmig, bei kürzester Brennweite dagegen mit knapp über zwei Prozent sichtbar tonnenförmig. Wer sich daran stört, sollte die Verzeichnungskorrektur in der Kamera oder in seinem Rohdatenkonverter aktivieren.

Bei der Auflösung bei 50 Prozent Kontrast stellt das Canon RF 15-35 mm F2.8L IS USM zwar keine Rekorde auf, schlägt sich aber ordentlich. Die Auflösung ist im Bildzentrum bereits ab Offenblende hoch, lässt sich durch Abblenden aber bei allen Brennweiten noch etwas steigern. Bei kürzester Brennweite sind bis zu 80 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) drin, gezoomt sind es 72 bis 76 lp/mm. Zum Bildrand fällt die Auflösung um maximal ein Drittel ab. Das ist zwar absolut gesehen nicht wenig, aber bei Weitwinkelzooms nicht ungewöhnlich beziehungsweise hier sogar weniger stark, als bei manch anderem Objektiv. Der Randabfall sinkt bei Zoomen auf mittlere Brennweite auf maximal ein Vierten und bei längster Brennweite sogar auf unter ein Fünftel. Zudem hilft Abblenden, den Randabfall in den griff zu bekommen. F8 wäre hier unser Tipp, denn da ist die Auflösung im Bildzentrum noch hoch und der Randabfall bewegt sich zwischen gut zehn und 15 Prozent.

Fazit

Angesichts der 2.500 Euro, die Canon für das RF 15-35 mm F2.8L IS USM aufruft, hinterlässt das lichtstarke Ultraweitwinkelzoom gemischte Gefühle. Das Objektiv ist weder besonders klein, noch besonders leicht, trotzdem muss man mit einem Kunststoffgehäuse vorliebnehmen, das aber immerhin gegen Witterungseinflüsse geschützt ist. Als Pluspunkte kann man klar den ungewöhnlich großen Bildwinkel, den schnellen Autofokus und die geringe Naheinstellgrenze verbuchen sowie natürlich die durchgehend hohe Lichtstärke. Andererseits zeigt das Zoom ein unruhiges, mit Ringen versehenes Bokeh, das man eher von einem billigen Spiegeltele als einem hochwertigen L-Objektiv erwarten würde. Unschön sind auch die trotz Korrektur teilweise sichtbare Randabdunklung sowie die partiell wellenförmige Verzeichnung, die sich immerhin digital korrigieren lässt. Die Auflösung geht an der Canon EOS R5 in Ordnung, stellt aber keine Rekordwerte auf und wer eine gleichmäßig hohe Auflösung bis in die Bildecken wünscht, sollte auf F8 abblenden.

Kurzbewertung

  • Staub- und Spritzwasserschutz
  • Schneller, leiser Autofokus
  • Geringe Naheinstellgrenze mit großem Abbildungsmaßstab
  • Bei F8 hohe, gleichmäßige Auflösung
  • Kunststoffgehäuse
  • Unschönes Bokeh
  • Wellenförmige Verzeichnung

Canon RF 15-35 mm 2.8L IS USM mit Canon EOS R5

Verzeichnung

Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.

Hersteller Canon
Modell RF 15-35 mm 2.8 L IS USM
Unverbindliche Preisempfehlung 2.499,00 €
Bajonett Canon RF
Brennweitenbereich 15-35 mm
Lichtstärke (größte Blende) F2,8 (durchgängig)
Linsensystem 16 Linsen in 12 Gruppen
inkl. ED und asphärische Linsen
KB-Vollformat ja
Anzahl Blendenlamellen 9
Naheinstellgrenze 280 mm
Bildstabilisator vorhanden ja
Autofokus vorhanden ja
Wasser-/Staubschutz ja
Filtergewinde 82 mm
Abmessungen (Durchmesser x Länge) 89 x 127 mm
Objektivgewicht 840 g

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.