Ohne Super-Makro-Modus konnten wir das 90 mm F3,5 Macro auf minimal 25 Zentimeter Motivabstand (ab Sensorebene) fokussieren. Damit konnten wir ein 16 x 8 mm kleines Motiv formatfüllen abbilden, was einem Abbildungsmaßstab von 1,08:1 entspricht. Wird der Super-Makro-Modus aktiviert, dann ist sogar ein Abbildungsmaßstab von 2:1 (etwa 8,7 x 6,5 mm) bei etwa 22 Zentimetern Abstand möglich. Dabei ist zu beachten, dass der Abbildungsmaßstab bei kleinerem Sensor auch zu einem kleineren abgebildeten Motivbereich führt. Bei einem größeren Sensor bräuchte man für dieselbe Motivgröße im Foto also einen größeren Abbildungsmaßstab. Ein Makroobjektiv an einem Kleinbildsensor müsste für ein ähnliches Bildfeld einen Abbildungsmaßstab von 2:1 beziehungsweise 4:1 erreichen.
Wird der zweifache Telekonverter MC-20 in Kombination mit dem 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro verwendet, so steigert sich der Abbildungsmaßstab auf 2:1 bei 25 Zentimetern Abstand beziehungsweise 4:1 bei 22 Zentimetern (8:1 im Kleinbildäquivalent). Spätestens in diesem Fall ist aber auf ein stabiles Stativ nicht mehr zu verzichten. Am besten setzt man noch einen Makro-Schlitten ein. Zum Glück unterstützt das 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro mit der Fokus-Stacking- und Fokus-Bracketing-Funktion der OM-1 und OM-5 sowie den "alten" OM-D-Modellen von Olympus, die diese Funktion im Repertoire haben.
Mit der Makro Einstellung konnten wir mit dem OM System 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro ab 25 cm automatisch und manuell fokussieren und damit eine minimale Bildbreite von 16 mm aufnehmen, was einem Abbildungsmaßstab von 1,08:1 entspricht. [Foto: MediaNord]
Mit der Super-Makro Einstellung konnten wir mit dem OM System 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro ab etwa 22 cm fokussieren und damit eine minimale Bildbreite von knapp unter 9 mm aufnehmen, was einem Abbildungsmaßstab von 2:1 entspricht. [Foto: MediaNord]
Trotz der großen Brennweite von 90 Millimetern ist der Mindestabstand von minimal etwa 22 Zentimetern ab Sensorebene recht gering. Immerhin ist die Objektiv-Vorderseite im Super-Makro-Modus nur etwa 6,7 Zentimeter vom Motiv entfernt. Da muss man in einigen Situationen schon mit dem Licht tricksen. Im normalen Makro-Modus ist die Vorderseite des 90 mm etwa neun Zentimeter vom Motiv entfernt, da gestaltet sich die Lichtsetzung schon etwas einfacher. Außerdem ist das Makro mit dem Zangenblitz Olympus STF-8 kompatibel.
Nachtrag vom 16.02.2023 Eingefleischten Makrofotografen dürfte bekannt sein, dass die auf den Bildsensor treffende Lichtmenge mit sinkender Fokusdistanz im Makrobereich sinkt. Besonders beim Einsatz von Zwischenringen ist dieser Effekt bekannt. Auch das OM System 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro ist davon betroffen. Während die effektive Blende im normalen Makrobereich bei einem Abbildungsmaßstab von 1:2 nur von F3,5 auf F4 fällt, sinkt sie bei 1:1 auf F4,5. Anders sieht es aus, wenn man den Super-Makro-Modus aktiviert, bei dem im Objektiv Linsen verschoben werden. Hier beträgt die effektive Lichtstärke bei einem Abbildungsmaßstab von 1:2 nur noch F5,6 und bei 1:1 F6,3 sowie bei 1,5:1 F7,1 und bei maximaler Vergrößerung von 2:1 nur noch F8.
Bildqualität
Im Inneren des 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro wurde die bislang größte Anzahl von ED-Linsen verbaut, die jemals in einem Micro-Four-Thirds-Objektiv von Olympus beziehungsweise OM System verbaut wurden. Neben den vier ED-Linsen und zwei Super ED-Linsen sind noch eine HR- sowie eine Super HR-Linse enthalten. Das 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro kommt am Ende auf insgesamt 18 Linsen in 13 Gruppen und besitzt zudem eine ZERO-Vergütung. ZERO ist ein Akronym und steht für Zuiko Extra-low Reflection Optical, also eine besonders reflexionsarme Vergütung, um Innenreflexionen zu vermeiden, die die Hauptursache für Streulichtprobleme sind. Der Lichtdurchlass wird durch eine Blende mit sieben Lamellen gesteuert, die sich auf bis zu F22 schließen lässt.
Das 90 mm F3.5 Macro IS ED Pro von OM System ist mit seiner Länge von 136 mm ein ziemlich lange. Immerhin verlängert sich die Baulänge nicht beim Fokussieren. [Foto: MediaNord]
Bei Streulicht macht das 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro eine gute Figur. Der Kontrastverlust im Bild ist gering und auch Blendenflecke treten nur unter bestimmten Umständen auf. Grund dafür sind mit Sicherheit der relativ geringe Durchmesser von etwa 32 Millimetern der Frontlinse und eine rigorose Beseitigung von Reflexionsursachen im Inneren des Gehäuses. Die zum Lieferumfang gehörende Streulichtblende reduziert zudem die Auswirkungen von Streulicht bei bestimmten Einfallswinkeln.
Das Aussehen des Bokehs hat Olympus bei Makro-Objektiven seit jeher im Griff und es ist schön zu sehen, dass OM System diese Tradition mit dem 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro nicht bricht. Der Unschärfebereich vor und hinter der Fokusebene ist sehr weich und homogen, ohne dass sich inhomogene Bereiche an Konturen zeigen. Im Nahbereich wird es besonders spektakulär, denn hier scheinen die Farben fast wie bei einem Aquarell ineinander zu laufen. Einen Blendenstern gibt bei stark geschlossener Blende, allerdings zeigt dieser keine klar differenzierten Strahlen. Vielmehr sind die Strahlen in unterschiedlicher Helligkeit mehrfach zu sehen.
Die Auflösung bei Objektivtests ermitteln wir im digitalkamera.de-Testlabor bei 50 Prozent Motivkontrast. Für die bessere Vergleichbarkeit werden die Ergebnisse auf einen Kleinbildsensor umgerechnet. Das 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro von OM System erreicht seine höchste Auflösung bei Blende 8 mit knappen 56 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm). Der Abfall der Auflösung zum Bildrand beträgt dabei nur acht Prozent. Das ist ein gutes Ergebnis (siehe Diagramm aus dem Labortest unten).
Beim 2:1 Abbildungsmaßstab aus freier Hand macht das OM System 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro eine außerordentlich gute Figur, allerdings muss das Licht stimmen. [Foto: MediaNord]
Bei eher mäßigem Licht und offener Blende ist der Schärfenbereich derart gering, dass der Autofokus, selbst bei kontinuierlicher Betriebsart, nicht hinterher kommt. [Foto: MediaNord]
Bei der im Gegenlicht stehende Tulpe war ein Makro aus der Hand gar kein Problem. [Foto: MediaNord]
Die Fokussierung wurde in diesem Beispiel auf die Kante des Blütenblatts gelegt. Die AF-Funktion war beim ersten Versuch erfolgreich. [Foto: MediaNord]
Auch direkt ins Innere der Blüte zu fotografieren, war kein Problem. Die hohe Bokehqualität wird in dieser Aufnahme sehr deutlich. [Foto: MediaNord]
Auch bei offener Blende liegt die Auflösung mit etwa 52 lp/mm in der Bildmitte und 48 lp/mm am Bildrand nur geringfügig darunter. Oberhalb von Blende 11 fängt die Beugung an, die Auflösung in der Bildmitte und am Rand zu reduzieren. Bei Blende 16 bleiben noch knapp 46 lp/mm in der Bildmitte und 43 lp/mm am Bildrand übrig. Das lohnt sich nur in Ausnahmefällen, wenn überhaupt.
Die Randabdunklung ist sehr gut auskorrigiert und beträgt bei offener Blende 0,7 EV. In allen anderen Blendeneinstellungen sind nur noch 0,1 EV Abdunkelung zu beobachten. Farbsäume sind ebenfalls gut auskorrigiert, können aber mit einem Pixel Größe an sehr starken Kontrastkanten sichtbar werden. Man muss also schon sehr genau hinschauen, um Farbsäume auszumachen. Auf ähnlich hohem Niveau liegt die Korrektur der Verzeichnung. Diese ist nominell zwar vorhanden, aber so gering, dass man das 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro als verzeichnungsfrei bezeichnen kann.
Fazit
Die optische Qualität des OM System 90 mm F3,5 Macro IS ED Pro überzeugt auf ganzer Linie. Die Auflösung ist ab Offenblende hoch und fällt zum Bildrand kaum ab. Zudem sind die optischen Fehler gering und das Bokeh sehr harmonisch. Dank effektivem Bildstabilisator ermuntert es zu qualitativ hochwertigen Makro-Aufnahmen aus freier Hand. Auch am hochwertigen Metallgehäuse samt IP53-Schutz gibt es kaum etwas zu kritisieren. Der Preispunkt von etwa 1.500 Euro ist jedoch für ein Spezialobjektiv, trotz der hohen Bildqualität und der phänomenalen Vergrößerung, sehr steil, zumal ein Einsatz als normales Teleobjektiv für die schnelle Fotografie durch die langsame Fokussierung eher zweifelhaft ist.