Die letzte Olympus und erste OM System

Die OM System OM-1 läutet eine neue Ära ein

2022-02-15, aktualisiert 2022-02-22 Mit der OM System OM-1 stellt OM Digital Solutions die als "Wow-Kamera" gehandelte Systemkamera vor. Sie ist unverkennbar das Nachfolgemodell der Olympus OM-D E-M1 Mark III und trägt als Hommage an die Olympus OM-1 aus den Jahr 1972, also zur Feier von 50 Jahren OM-System, als letzte Kamera prominent das Olympus-Logo. Auch an "Wow" hat die spiegellose Micro-Four-Thirds-Systemkamera einiges zu bieten.  (Benjamin Kirchheim)

Wir konnten bereits ein Serienmodell der OM System OM-1 zusammen mit dem guten alten M.Zuiko Digital ED 12-40 mm 2.8 Pro im Labor und in der Praxis testen. Die Ergebnisse sind über die weiterführenden Links gegen ein kleines Entgelt abrufbar. Unser Testbilderpaket mit einer ISO-Reihe in Raw und JPEG ist ebenfalls gegen ein kleines Entgelt abrufbar. Auch unser ausführlicher Kameratest ist sowohl in der kostenlosen Webversion als auch in der kostenpflichtigen Premium-Version als PDF samt Kamerabewertung online über die weiterführenden Links abrufbar.

Während das Gehäuse der OM System OM-1 rein äußerlich nur leicht überarbeitet wurde (mehr dazu weiter unten), hat sich unter der Haube einiges getan. OM Digital Solutions hält sowohl am 17,3 mal 13 Millimeter kleinen Four-Thirds-Sensor mit seinem 4:3-Seitenverhältnis als auch an der effektiven Auflösung von "nur" 20 Megapixeln fest. Dennoch handelt es sich um einen völlig neu entwickelten Bildsensor, der mit seinem Stacked-BSI-Aufbau dem aktuellen technischen Stand entspricht. Zudem ist jeder Pixel für den Phasen-Autofokus in vier Subpixel aufgeteilt, so dass theoretisch 20 Millionen Phasen-AF-Kreuzsensoren zur Verfügung stehen. Die Kamera fasst diese zu 1.053 Fokuspunkten zusammen, die bis in die Bildecken reichen. Mit einem F1,2 lichtstarken Objektiv kann bereits ab -8 EV fokussiert werden.

Eine weitere wichtige Neuerung ist der dreimal leistungsfähigere Bildprozessor TruePic X. Mit ihm erhält die Objekterkennung der Olympus OM-D E-M1X endlich Einzug in die "kleinere" Kameraklasse und wird von Algorithmen mit künstlicher Intelligenz (statt dem bisherigen Deep Learning) unterstützt. Die OM-1 erkennt selbstverständlich Gesichter und Augen, die Objekterkennung erlaubt die Auswahl von 1. Autos und Motorrädern, 2. Flugzeugen und Hubschraubern, 3. Zügen und Lokomotiven (moderne und historische), 4. Vögeln sowie 5. Hunden und Katzen (auch andere ähnliche Tiere sollen erkannt werden). Sämtliche Erkennungsfunktionen arbeiten um den Faktor Drei schneller und den Faktor Zwei genauer, verspricht zumindest OM Digital Solutions. Das große Aber: Im Gegensatz zu manch anderem Hersteller muss der Fotograf wählen, welche der fünf Motiv-Kategorien die Kamera erkennen soll, eine intelligente Automatik gibt es nicht.

Mit dem neuen Bildsensor und Bildprozessor verspricht OM Digital Solutions eine verbesserte Bildqualität mit höherem Dynamikumfang und verringertem Rauschen. Dafür sollen neue Rauschunterdrückungsalgorithmen zum Einsatz kommen. Der Standard-Empfindlichkeits-Bereich arbeitet nun von ISO 200 bis ISO 25.600, mit Erweiterung stehen ISO 80 bis 102.400 zur Verfügung.

Auch beim Sensor-Shift-Bildstabilisator gibt es eine leichte Verbesserung: Die Einheit ist um zehn Prozent leichter. Nur mit Kamera-Bildstabilisator sollen wie bisher bis zu sieben Blendenstufen längere Belichtungszeiten möglich sein, zusammen mit einem Objektiv-Bildstabilisator sollen es sogar bis zu acht Blendenstufen sein (bisher 7,5 EV). Neu ist eine Anzeige im Livebild, die die Arbeit des Bildstabilisators anzeigt, auch während der Belichtung. Sowohl die Position des Sensors in seinem Bewegungsrahmen als auch die Rotation werden angezeigt.

Bis zu diesem Punkt kann man die OM System OM-1 noch für eine sehr solide Weiterentwicklung der Olympus OM-D E-M1 Mark III halten, schließlich hat man sämtliche erwähnte Technologien bereits in einer anderen Olympus oder einer Kamera der Konkurrenz gesehen. Doch der neue Bildsensor kann noch mehr: Er liefert 120 Bilder pro Sekunde bei voller Auflösung, was die OM-1 auch zu nutzen weiß. Mit AF-S und fester Belichtung nimmt sie etwas über 90 Bilder in dieser schnellen Folge auf. Auch der Pro-Capture-Modus, der bereits vor dem Drücken des Auslösers mit der Aufnahme beginnt und so die vielleicht entscheidenden Bilder ebenfalls mit abspeichert, ist mit an Bord. Hier lassen sich bis zu 99 Bilder aufnehmen und einstellen, wie viele davon vor dem Auslösen aufgenommen werden sollen.

Aber nicht nur mit AF-S weiß die Serienbildfunktion zu beeindrucken, sondern auch mit AF-C und Belichtungsnachführung: Hier sind mit kompatiblen Objektiven 50 Serienbilder pro Sekunde möglich (alle anderen Objektive unterstützen 25 Bilder pro Sekunde mit AF-C). Folgende Objektive sind mit 50 Bildern pro Sekunde AF-C kompatibel:

  • Olympus 12-40 mm F2.8 ED Pro
  • OM System 12-40 mm F2.8 ED Pro II
  • Olympus 12-100 mm F4 ED IS Pro
  • Olympus 40-150 mm F2.8 ED Pro
  • OM System 40-150 mm F4 ED Pro
  • Olympus 300 mm F4 ED Pro
  • Olympus 150-400 mm F4.5 ED TC1.25 IS Pro

Sowohl bei 120 als auch bei 50 Bildern pro Sekunde arbeitet das Livebild übrigens unterbrechungsfrei, bei 50 Bildern pro Sekunde gibt es allerdings eine Einschränkung bei der längsten Belichtungszeit, die 1/640 Sekunde beträgt (1/320 Sekunde bei 25 Bildern pro Sekunde). Apropos Belichtung: Die OM-1 verfügt über einen bis zu 1/8.000 Sekunde schnellen mechanischen Verschluss. Er stammt aus der E-M1X und soll bis zu 400.000 Auslösungen durchhalten, ist also äußerst robust und langlebig. Elektronisch kann man sogar 1/32.000 Sekunde kurz belichten. Dank der Sensorauslesung mit 120 Bildern pro Sekunde soll der Rolling-Shutter-Effekt geringer als bisher ausfallen und damit nur noch minimal sein.

Im "normalen" Serienbildmodus, der arbeitet zwar ebenfalls mit AF-C, aber auch mit Sucherunterbrechung, sind mit elektronischem Verschluss 20 Bilder pro Sekunde möglich und mit mechanischem zehn Bilder pro Sekunde (fps). Zudem stehen in allen vier Serienbildmodi auch langsamere Serienbildraten zur Verfügung, der 120-fps-Modus beispielsweise geht bis 60 Bilder pro Sekunde hinunter und der 50-fps-Modus bis 25 Bilder pro Sekunde.

An die Videografen hat OM Digital Solutions ebenfalls gedacht: Diese können in 4K-Auflösung (16:9 UHD und 17:9 C4K) ohne Zeitbegrenzung oder Wärmeprobleme mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde in maximal 10 Bit Farbtiefe aufnehmen, in Full-HD sind 240 Bilder pro Sekunde im Highspeed-Modus möglich. Über die Micro-HDMI-Schnittstelle lassen sich Videos extern in als ProRes-Raw mit 12 Bit und einem Farbsubsampling von 4:4:4 auf einem Atomos Ninja aufnehmen. Für die Tonaufzeichnung steht neben dem integrierten Stereomikrofon auch ein 3,5mm-Klinkenanschluss zu Verfügung, auch ein Kopfhöreranschluss fehlt nicht.

Timecode steht genauso zur Verfügung wie Zebra, Fokus-Peaking und OM-Log für eine spätere Gradation. Neu ist zudem ein HLG-Modus für die interne Aufzeichnung von HDR-Videos. Der Autofokus steht bei Videoaufnahmen zwar zur Verfügung, aber nur mit der Gesichts- und Augenerkennung, andere Motive werden hingegen nicht explizit erkannt. Videografen profitieren zudem von dem sehr guten Sensor-Shift-Bildstabilisator, dem auf Wunsch auch noch ein digitaler Stabilisator (dann mit etwas Bildbeschnitt) zur Seite steht.

Ein etwas kleineres "Wow" steckt bei der neuen OM System OM-1 im Gehäuse. Dieses wurde gegenüber der E-M1 Mark III optisch leicht überarbeitet und bietet bei minimal gewachsenen Dimensionen einen etwas größeren Griff und ist mit knapp 600 Gramm betriebsbereitem Gewicht etwas schwerer. Der Olympus-Schriftzug prangt zwar prominent auf dem neuen Gehäuse, ist aber kein Bestandteil des Produktnamens mehr, sondern reine "Zierde" und eine Hommage an das 50-jährige Bestehen des (analogen) OM-Systems.

Ein Highlight ist die verbesserte Robustheit mit einem Staub- und Spritzwasserschutz gemäß IP53. Der Frostschutz bis -10 °C ist ebenfalls mit an Bord, der nicht nur für beispielsweise den Akku wichtig ist, sondern auch für die digitalen Anzeigen, die bei derart niedrigen Temperaturen normalerweise träge werden. IP53 bedeutet einen Staubschutz nach IP5X, der das Eindringen von für die Funktion schädlichem Staub verhindert. Selbstverständlich ist auch die Ultraschall-Sensor-Reinigungs-Funktion mit an Bord, die den Sensor bei jedem Einschalten mit 35.000 Schwingungen pro Sekunde bewegt und so Staub abschüttelt, falls der sich trotz staubabweisender Beschichtung auf den Sensor gesetzt hat. Der IPX3-Schutz soll Sprühwasser aus bis zu 60 Grad gegenüber der Senkrechten abhalten. Laut unseren Informationen soll die Kamera sogar eine Minute Untertauchen überstehen (ohne Gewähr).

Damit ist die OM System OM-1 noch besser geschützt als eine Olympus OM-D E-M1X, die nur IPX1 bietet. Auch die 6.000-Euro-Boliden Nikon Z 9 und Canon EOS R3 bieten keinen solch hohen Schutz, zumindest sind sie nicht entsprechend zertifiziert. Die Nikon Z 9 hat keine IP-Zertifizierung, die Canon EOS R3 nur IPX2 (Tropfwasser bis 10 Grad zur Senkrechten).

Fortsetzung auf Seite 2

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Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.