2020-04-06 Vergangenes Jahr stellte Sigma mit der fp eine spiegellose Vollformatkamera mit L-Mount vor, die sich nicht etwa durch einen Foveon-Sensor auszeichnet, sondern durch das kompakte, robuste Gehäuse und das modulare Konzept mit vielen Erweiterungsmöglichkeiten. So soll sich die kleinste und leichteste digitale Kleinbildkamera der Welt individuell an die Aufnahmeanforderungen anpassen lassen – egal ob Fotos oder Videos produziert werden sollen. Ob dieses Konzept aufgeht und wie es um die Bildqualität der Sigma fp bestellt ist, die Ende März 2020 sogar einen Red-Dot-Award gewinnen konnte, verrät unser Test. (Benjamin Kirchheim)
Die Sigma fp ist eine äußerst kompakte, aber dennoch sehr robuste Kleinbildkamera mit Leica-L-Bajonett. Als passendes, kleines Setobjektiv bietet Sigma das 45 mm F2,8 DG DN Contemporary an, das eine ordentliche Bildqualität abliefert. [Foto: MediaNord]
Ergonomie und Verarbeitung
Wenn man das kleine, von Sigma auf den Namen "fp" getaufte Ziegelsteinchen das erste Mal in die Hand nimmt fragt man sich, ob es tatsächlich nicht nur die offensichtlich kleinste, sondern wirklich auch leichteste spiegellose Kleinbild-Systemkamera ist, so schwer und robust fühlt sie sich an. Die Kamera wirkt wie aus einem vollen Metallblock gefräst, wobei das Gehäuse aus Aluminium gefertigt ist. Tatsächlich wiegt die "nackte" (ohne Objektiv) Kamera lediglich knapp über 400 Gramm, zusammen mit dem im Set erhältlichen 45mm-Objektiv, das ebenfalls aus Aluminium besteht, sind es gerade einmal 633 Gramm. Andere spiegellose Systemkameras knacken hingegen spätestens mit Objektiv die Marke von einem Kilogramm, von der die Sigma meilenweit entfernt ist.
Dass sich die fp so schwer anfühlt, liegt an ihrem äußerst kompakten Gehäuse, das lediglich rund elf mal sieben mal dreieinhalb Zentimeter misst. Wer sich noch an den guten alten Personalausweis erinnert, der war von der Fläche her ähnlich groß. Das etwa 0,7 Zentimeter hervorstehende Bajonett sorgt letztendlich für eine Gesamttiefe von etwas über vier Zentimetern. Das Aluminium ist mit einer matten, rauen Beschichtung versehen, die für einen guten Grip sorgt. Zudem gibt es an der Handgriffseite eine kleine Daumenmulde und genarbte Gummiapplikationen.
Einen vernünftigen Handgriff gibt es hingegen nicht, wodurch die fp allenfalls mit einem kleinen, leichten Objektiv wie dem getesteten 45 mm F2.8 DG DN Contemporary leidlich gut in der Hand liegt. Für den "relativ" guten Grip sorgt nicht zuletzt die Oberflächenstruktur, eine Sony RX100 beispielsweise ist deutlich glatter und damit weniger sicher zu greifen, jede andere Kamera, die wenigstens einen Griffsteg besitzt, liegt jedoch besser in der Hand als die Sigma fp.
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Hier greift Sigmas modulares Konzept, das der fp zugrunde liegt. Nicht nur auf der Unterseite befindet sich ein Stativgewinde (sogar in der optischen Achse), sondern auch an der rechten und linken Kameraseite ist je eins zu finden. Hier können nicht nur die mitgelieferten Gurtösen angeschraubt werden, sondern stattdessen auch allerlei Zubehör. So bietet Sigma beispielsweise mit dem BG-11 für 70 und dem BG-21 für 110 Euro zwei optionale Griffe an, wobei wir finden, dass Sigma den BG-1 gerne hätte beilegen können, immerhin ist die Kamera mit knapp 2.000 Euro nicht ganz günstig.
Dennoch ist die fp aktuell (Anfang April 2020) tatsächlich die preisgünstigste Kleinbildkamera mit Leica-L-Bajonett. Vielleicht ist das Fehlen günstiger Vollformat-L-Kameras die Ursache, warum sich Sigma-Manager in Interviews über den schleppenden Verkauf der L-Objektive beklagen, denn eigentlich hatte man sich mit der 2018 gegründeten Allianz von Leica, Panasonic und eben Sigma eine größere Marktmacht erhofft.
Die Wahl von Aluminium als Gehäusematerial hat einen guten Grund: Die gesamte Oberfläche beziehungsweise Gehäusemasse dient als Wärmeleiter (wofür sich Aluminium bestens eignet), sogar Kühlrippen befinden sich auf der Rückseite zwischen Display und Kamera, um die Wärme abzuführen. Das ist auch nötig, denn die Kamera beziehungsweise das Gehäuse wird im Betrieb tatsächlich schnell warm. Trotz der Kühlrippen im Innern ist das Gehäuse vollständig gegen Spritzwasser und Staub abgedichtet.
Die Batteriefachklappe an der Kameraunterseite ist mit einem Drehverschluss verriegelt und verfügt rundherum über eine Dichtung. Auch die SD-Speicherkarte findet hier Platz. Neben SDHC, SDXC und UHS I wird laut Sigma auch UHS II unterstützt. Allerdings schrieb die Kamera in unserem Serienbildtest mit Raw trotz USH-II-Speicherkarte mit weniger als 70 MB/s auf die Speicherkarte, was auch mit UHS I möglich wäre. Eventuell ist hier der Bildprozessor der Flaschenhals.
Der kleine Lithium-Ionen-Akku mit seinen 8,7 Wh reicht für weniger als 300 Aufnahmen nach CIPA-Standardmessverfahren. Er wird bei ausgeschalteter Kamera per USB geladen. Bei eingeschalteter Kamera ist hingegen leider keine USB-Stromversorgung möglich. Stattdessen muss für längeren Betrieb ein Netzteil samt Akku-Dummy angeschlossen werden. Laut Sigma ist eine Stromversorgung aber auch via V-Mount Battery Plate möglich. Diese sind aus dem Videobereich bekannt, wo sie zur mobilen Stromversorgung zum Einsatz kommen. Der passende Akku-Dummy dafür kann auch ohne das Netzteil relativ preisgünstig erworben werden (ca. 20 Euro).
Auf der linken Kameraseite befinden sich insgesamt vier Schnittstellen hinter drei gut schließenden Gummipfropfen. Der untere lässt sich abklappen und gibt den Stereo-Mikrofonanschluss (3,5 mm Klinke) frei, der außerdem als Kabelfernauslöseanschluss dient. Der mittlere Pfropfen lässt sich ganz herausnehmen. Hier befindet sich neben der Micro-HDMI-Schnittstelle auch der externe Blitzanschluss. Der passende Adapter HU-11 befindet sich praktischerweise im Lieferumfang der Kamera. Dieser bietet nicht nur einen TTL-Systemblitzschuh für das Sigma-Blitzsystem sowie Mittenkontakt-Blitze, sondern auch eine Steckerklemme für das Micro-HDMI-Kabel, um die kleine und damit nicht besonders robuste Schnittstelle mechanisch zu entlasten. Der Gummipfropfen findet übrigens im HU-11 Platz und geht dadurch nicht verloren. Auch der Mikrofonanschluss sowie die letzte Schnittstelle, eine USB-C-Buchse (wieder mit abklappbarem Gummipfropfen), bleiben mit angeschraubtem HU-11 zugänglich. Ein Stativgewinde zum Anschrauben von weiterem Zubehör ist ebenfalls am HU-11 zu finden.
Auch wenn die USB-C-Schnittstelle leider kein Power Delivery zur Kamera-Stromversorgung unterstützt, was in mancher Situation sehr praktisch gewesen wäre, beherrscht sie doch weit mehr als das bloße Laden des Akkus und die Übertragung von Bilddaten der Speicherkarte zum Rechner. Hier kann nämlich auch eine SSD als externer Speicher und Alternative zur SD-Karte angeschlossen werden. Als vierte Funktionalität unterstützt die USB-C-Schnittstelle UVC (USB Video Class), ein Standard zum Streamen eines Videosignals.
In der Praxis bedeutet das, dass man die Kamera ohne weiteres Zubehör direkt per USB als Webcam an einen PC anschließen kann. Und zwar als qualitativ äußerst hochwertige Webcam, schließlich handelt es sich um einen Kleinbildsensor mit entsprechend hoher Auflösung, Dynamik und Lichtempfindlichkeit. Der Unterschied zu einer schnöden Webcam ist selbst für Laien mehr als deutlich sichtbar. Zudem wird das Tonsignal eines am Mikrofoneingang angeschlossenen Mikrofons an den PC durchgeschleift. Wer allerdings die Sigma fp für längere Livestreams verwenden möchte, kommt mangels USB Power Delivery um ein Netzteil nicht herum. Was die fp übrigens nicht bietet, sind Drahtlos-Schnittstellen: kein WLAN, kein Bluetooth und auch kein GPS. Schade.
Das Bedienkonzept der Sigma fp soll intuitiv sowie für Foto- und Videografen gleichermaßen praktikabel sein. Zwar wirft es im Prinzip keine großen Rätsel auf, aber etwas umgewöhnen muss man sich als Fotograf dennoch. So gibt es beispielsweise Direktwahltasten für Funktionen, die man von Fotokameras nicht kennt, etwa "Color" und "Tone". Die ISO-Empfindlichkeit oder den Weißabgleich findet man hingegen nur über das Menü oder das Quick-Menü.
Sowohl zum Einschalten als auch zur Wahl des Betriebsmodus "Cine" oder "Still" (Video oder Foto) kommen Schiebeschalter zum Einsatz, die der sonstigen Hochwertigkeit der Kamera und ihrem Preis leider überhaupt nicht gerecht werden. Beim Schalten geben sie ein lautes Knacken von sich und fühlen sich ziemlich billig an. Hoffentlich sind sie dennoch langlebig, immerhin sind auch die Schalter abgedichtet (insgesamt verfügt die Sigma fp über 43 Dichtungen). Praktisch sind hingegen die farbigen Indikatoren, die beim Einschalten (weiß) und beim Cine-Modus (rot) unter den jeweiligen Schaltern zum Vorschein kommen.
Die restlichen Tasten und Drehräder fühlen sich besser an, wenn auch eher gut durchschnittlich als super hochwertig. Die fünf Tasten im unteren Bereich der Rückseite sind länglich, alle anderen Tasten sind rund. Sie besitzen keinerlei Struktur, so dass bei blinder Bedienung nur die Position die Funktion erahnen lässt, wenn man die Kamera in und auswendig kennt. Das um den Auslöser angeordnete Drehrad ist angenehm groß, auch der darin befindliche Auslöser besitzt einen großen Durchmesser und ist gut fühlbar erhaben.
Bis zum ersten Druckpunkt bewegt sich der Auslöser sehr weich und mit angenehmem Hub, wobei sich die Position gut halten lässt, ohne versehentlich auszulösen. Beim Durchdrücken ist dann ein leises Klicken zu hören und der Hub vom ersten zum zweiten Druckpunkt ist ganz klein, was uns gut gefällt. Weniger schön ist die Kombination des hinteren Drehrads mit dem Mehrwegewähler. Zwar ist die Riffelung recht griffig, aber dennoch kann es passieren, dass man beim Drehen versehentlich einen Tastendruck auslöst.
Mit Hilfe des großen Handgriffs HG-21 lässt sich die Ergonomie der Sigma fp deutlich verbessern. Das Akku- und Speicherkartenfach bleibt zugänglich, ein Stativgewinde ist ebenfalls vorhanden. Mit 110 Euro ist der Griff allerdings nicht ganz günstig. [Foto: Sigma]
Mit knapp 70 Euro ist der Sigma HG-11 der preisgünstigere, aber auch einfachere Handgriff für die Sigma fp. Wenigstens der hätte zum Lieferumfang gehören müssen, verbessert er die Ergonomie für Fotografen doch trotz geringer Größe ungemein. [Foto: Sigma]
Selbst die Kameragurt-Ösen werden bei der der Sigma fp nur bei Bedarf angebracht. Sie gehören aber im Gegensatz zu den griffen zum Lieferumfang. [Foto: MediaNord]
Der rückwärtige Bildschirm ist mit acht Zentimetern Diagonale angemessen groß. Es handelt sich um einen Touchscreen mit einer äußerst hohen Auflösung von 2,1 Millionen Bildpunkten. Auch die maximale Leuchtdichte von bis zu 700 cd/m² ist gut, wenn auch nicht überragend (es gibt durchaus Kameradisplays mit an die 1.000 cd/m² Leuchtdichte). Darüber hinaus funktioniert die automatische Helligkeitsregelung hervorragend, so dass man die Bildschirmhelligkeit im Sonnenschein im Gegensatz zu manch anderen Kameras nicht manuell anpassen muss.
Beweglich ist der Bildschirm hingegen nicht und auch einen elektronischen Sucher gibt es nicht. Stattdessen bietet Sigma als Zubehör einen Bildschirmaufsatz mit Okular an. Das ist zwar eine Kompromisslösung, aber angesichts der guten Bildschirmauflösung sollte das ganz passabel funktionieren (der Aufsatz stand uns wie auch anderes optionales Zubehör leider nicht zum Test zur Verfügung).
Die wohl wichtigste Taste für Fotografen dürfte die "QS"-Taste sein. Drückt man sie, öffnet sich das Quick-Menü mit insgesamt acht Funktionen, darunter die ISO-Empfindlichkeit, der Auslösemodus, der Weißabgleich und die Bildqualitätseinstellungen samt Seitenverhältnis. Ein Programmwählrad gibt es übrigens nicht, stattdessen wird über die "Mode"-Taste der Belichtungsmodus eingestellt.
Das Hauptmenü ist klar gegliedert in drei Hauptbereiche für die Aufnahmeeinstellungen, die Wiedergabe und das System. Die Menüs verändern sich je nachdem, ob man sich im Cine- oder Still-Modus befindet, wobei es jedoch im Still-Modus trotzdem möglich ist, eine Videoaufnahme zu starten. Die Menüs bieten maximal sechs Menüpunkte pro Bildschirmseite und sind in bis zu sechs Registerkarten aufgeteilt, die jedoch keine weitere Beschriftung besitzen, sondern nur als Leuchtbalken markiert sind. Am einfachsten navigiert man mit dem vorderen Einstellrad durch die Registerkarten, denn sobald man mit dem Drücken des Steuerkreuzes nach unten oder oben einen Menüpunkt auswählt, werden mit einem Druck nach rechts die Einstelloptionen des Menüpunkts angezeigt.
Zum Lieferumfang der Sigma fp gehört dieser TTL-Blitzschuhadapter. [Foto: MediaNord]
Er wird einfach seitlich an die Sigma fp geschraubt. Der Gummistopfen, der dafür vor der HDMI- und Blitzschnittstelle entfernt werden muss, findet im Adapter Platz. Der Blitzschuh befindet sich allerdings nicht über der optischen Achse. [Foto: MediaNord]
Der Blitzsdchuhadapter HU-11 dient gleichzeitig als Zugentlastung für den etwas kleinen und daher fragilen Micro-HDMI-Stecker. Auch der USB-C-Anschluss bleibt zugänglich und ein Stativgewinde fehlt ebenfalls nicht. [Foto: MediaNord]
Im Prinzip bietet das Menü alle nötigen Einstellungen, ohne mit Spezialfunktionen überladen zu sein. Ein paar nützliche Funktionen, die noch längst nicht jede Kamera beherrscht, bietet die Sigma fp dennoch, doch dazu im nächsten Abschnitt mehr. Die Touchfunktionalität des Bildschirms ist übrigens eher stiefmütterlich ins Bedienkonzept einbezogen worden. Es gibt weder virtuelle Tasten, noch kann in den Menüs per Fingertipper navigiert werden. Per Touch wird lediglich der Fokuspunkt ausgewählt oder in der Wiedergabe zum nächsten Bild gewischt oder per Fingergeste gezoomt. Im Live-View bietet die Sigma fp übrigens alle relevanten Einblendungen von aktuell gewählten Aufnahmeparametern über eine elektronische Wasserwaage und Gitterlinien bis hin zu einem Live-Histogramm und einer Belichtungsvorschau.