Einsteigerkamera ohne Spiegel

Testbericht: Fujifilm X-T100

2018-09-13 Mit den im Retro-Design gehaltenen spiegellosen Systemkameras hat Fujifilm den richtigen Nerv getroffen. Wenig verwunderlich also, dass zu den Top-Modellen auch Mittelklasse- und Einsteigerkameras hinzugekommen sind. Zu den Einsteigerkameras gehört auch die X-T100, die im Mai 2018 angekündigt wurde. Die zur Zeit günstigste Fujifilm-Systemkamera mit Sucher besitzt einen beweglichen Touchscreen. Wir haben die Kamera zusammen mit dem Set-Objektiv XC 15-45 mm OIS PZ genauer im Labor und in der Praxis getestet.  (Harm-Diercks Gronewold)

Ergonomie und Verarbeitung

Pures Retrofeeling kommt auf, wenn der Fotograf die X-T100 aus dem Karton nimmt und sie das erste mal betrachtet. Das Gehäuse macht einen einen soliden Eindruck und besitzt sogar einen oberen Gehäusedeckel aus Metall. Allerdings würde sich der Eindruck verfestigen, wenn es sich nicht um eine Blende handeln würde. Die gegenüberliegende Seite, also der Kameraboden, ist allerdings nur Kunststoff. Die Kamera ist trotz der geringen Größe recht griffig. Das liegt vor allem an dem abnehmbaren kleinen Handgriff und der Daumenmulde auf der Rückseite der Kamera. Die “Belederung” der T100 ist natürlich keine echte. Sowohl bei der Daumenmulde auf der Rückseite als auch dem kleinen Handgriff handelt es sich um geprägten Kunststoff. Lediglich der Vorderseite hat Fujifilm eine Gummierung in Lederoptik spendiert, die sich gut anfasst und zudem edel aussieht. Viel mehr kann und sollte man auch nicht von einer Kamera in dieser Preisklasse (ca. 700 Euro inklusive des 15-45mm-Objektivs) erwarten.

Überraschend gut fällt der 7,6 Zentimeter große Monitor aus. Dieser besitzt eine recht präzise Touchbedienung mit Gestenerkennung. Auf diese kommen wir später zurück. Der Monitor ist über eine interessante Mechanik um 180 Grad nach links schwenkbar und kann zusätzlich um 90° nach oben beziehungsweise 45° nach unten geneigt werden. Damit lassen sich leicht Frosch- und Vogelperspektiven im Hoch- und Querformat umsetzen und auch Selfies, ohne die es heutzutage kaum noch geht, stellen kein Problem mehr dar. Die Auflösung des Monitors beträgt ordentliche 1.04 Millionen Bildpunkte und die maximale Helligkeit beträgt etwa 510 cd/m². Damit liegt die maximale Monitorhelligkeit der Fujifilm X-T100 allerdings deutlich unter der maximalen Monitorhelligkeit der vergleichbaren Canon EOS M50.

Das Layout der Bedienelemente ist erwartungsgemäß gut. Sehr erfreulich ist auch die Anzahl der Einstellräder. Die Kamera besitzt davon nämlich drei Stück. Das auf der Rückseite angebrachte Drehrad sitzt als einziges vertikal und kann, wie die anderen Drehräder auch, zur Navigation der Menüs genutzt werden. Dabei braucht der Fotograf bei der Benutzung dieses Drehrades keine zusätzliche Bestätigungstaste drücken. Zum Bestätigen muss das Drehrad einfach nur nach unten gedrückt werden. Die Positionierung der Drehräder auf der Rückseite und rechten Seite ist unglücklich, da beide Drehräder zu eng beieinander liegen. Zudem sind diese Räder für die Daumenbedienung vorgesehen, der Zeigefinger wird für das Auslösen geschont. Das Moduswahlrad auf der rechten Seite haben wir nicht in die Zählung der Einstellräder aufgenommen, da es eine festgelegte Funktion besitzt. Links neben dem Sucher ist das letzte Einstellrad zu finden. Mit diesem kann der Fotograf in der Grundeinstellung durch die verschiedenen Filmsimulationen durchschalten. Doch dazu später mehr.

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Neben den Drehrädern stehen Schnellwahltasten auf der Rückseite sowie dedizierte Funktionstasten zur Verfügung. Hinter der prominent sichtbaren “Q”-Taste auf der Rückseite verbirgt sich das Schnellmenü (Quick Menu). Hier finden sich alle relevanten Aufnahmeeinstellungen wie Weißabgleich, Bildgröße, Bildparameter und vieles mehr. Leider verzichtet Fujifilm hier auf eine Integration des Touchscreens. So muss der Fotograf mit einer Mischbedienung aus Steuerkreuz und Drehradauswahl durch die Einstellungen der Schnellmenüs navigieren. Das Hauptmenü der Kamera ist zwar umfangreich, kann aber leicht navigiert werden. Zur Navigation können alle Drehräder und die Schnellwahltasten auf der Rückseite genutzt werden. Der Touchscreen Monitor ist leider nicht für die Navigation durch die Menüs vorgesehen.

Wie bereits erwähnt, erkennt der Touchscreen Gesten, beispielsweise das Hinein- oder Herauszoomen in Bilder mit Hilfe des Zusammen- beziehungsweise Auseinanderführen der Fingerspitzen. Diese Art der Gesten ist von Smartphones oder Tablettcomputern bekannt. Darüber hinaus können bestimmte Funktionen aktiviert werden, wenn der Fotograf schnell von den Mitte des Monitors nach oben, links, rechts oder unten wischt. Der Wischvorgang muss allerdings eine bestimmte Geschwindigkeit haben, damit die Kamera den Unterschied zwischen dem Touch AF und der Funktionsaktivierung per Wischvorgang erkennen kann. Das ist schwieriger, als es die Theorie vermuten lässt.

Der elektronische Sucher der Kamera besitzt einen Augensensor. Dank dieses Sensor schaltet die Kamera vom Monitorbetrieb auf den Sucherbetrieb um. Leider ist es dem Sensor egal, ob sich ein Auge, ein Finger oder ein anderes Objekt im Sensorbereich befindet. Besonders in Kombination mit der zuvor erklärten Gestenauswahl sollte der Fotograf es sich gut überlegen, die Funktion durch das nach oben wischen zu aktivieren. Denn oftmals landet der Finger oder die Hand vor dem Augensensor und die Kamera schaltet zum Sucher um und dann sofort wieder zurück, wenn der besagte Sensor nichts im Bereich vorfindet. Diese Umschaltung ist zwar relativ schnell, verbraucht allerdings mehr Energie als wenn zwischen Sucher oder Monitor nicht umgeschaltet werden würde. Zum Glück lässt sich der Augensensor auch deaktivieren.

Der elektronische Sucher löst mit gut 2,3 Millionen Bildpunkten auf und deckt, wie bei Systemkameras üblich, 100 Prozent des Bildfelds ab. Für Brillenträger ist der Suchereinblick etwas zu klein, so dass sich ein bebrillter Fotograf hinter dem Sucher bewegen muss, um den vollen Überblick zu behalten. Dank eines Dioptrienausgleichs ist die Kamera in der Lage, Fehlsichtigkeiten von -4 bis +2 Dioptrien auszugleichen. Der Monitor zeigt sich scharf und übersichtlich. Wird der Sucher benutzt, lässt sich der AF-Punkt über den Touchscreen schrittweise verschieben.

Der eingebaute Blitz ist wirklich gut ins Gehäusedesign integriert und damit “unsichtbar”. Die Designer der X-T100 haben die Kamera so gestaltet, dass sie den “Pentaprisma-Höcker” einer Spiegelreflexkamera besitzt. Da die Kamera aber auf ein solches Prisma verzichtet und der elektronische Sucher nicht soviel Platz benötigt, ist der gesamte vordere Teil des “Höckers” der klappbare Blitz. Der Blitz wird per mechanischem Schalter entriegelt und klappt dann per Federspannung nach oben. Der Blitz erreicht eine ganz ordentliche Leitzahl von 6,8 bei ISO 100 und einem Meter Messabstand. Drüber hinaus besitzt die Kamera einen Blitzschuh für Fujifilm- oder kompatible Blitzgeräte. Außerdem kann der Blitzschuh einfache Mittenkontaktblitzgeräte auslösen.

Die Kamera speichert Fotos und Videos auf Speicherkarten mit SD-Formfaktor. Dabei unterstützt sie SDHC- und auch SDXC-Karten sowie den UHS-I-Standard. Die Speicherkarte ist zusammen mit dem Akku auf der Unterseite der Kamera untergebracht. Bei dem Akku handelt es sich um den NP-W126S, der in verschiedenen X-Modellen von Fujifilm zum  Einsatz kommt. Der Akku besitzt eine Spannung von 7,2 Volt und eine Kapazität von 1.260 mAh. Geladen wird der Akku per USB-Schnittstelle in der Kamera. Die Unterseite der Kamera ist zudem noch Heimat für das Stativgewinde, das jedoch zum einen nicht in der optischen Achse liegt und zum anderen so dicht an der Akkufachklappe, dass Schnellwechselplatten demontiert werden müssen, um den Akku beziehungsweise die Speicherkarte zu entnehmen.

Da wir die Fujifilm X-T100 zusammen mit dem XC 15-45 mm F3.5-5.6 OIS PZ Setobjektiv getestet haben, möchten wir einige Worte zum Objektiv verlieren. Dieses Objektiv wurde von Fujifilm mit einem Motorzomm und einem Bildstabilisator ausgestattet. Das Bajonett des Objektivs ist im Gegensatz zum Kamerabajonett aus Kunststoff und nicht aus Metall. Vom Anfassgefühl hinterlässt das leichte Objektiv einen sehr “preisoptimierten” Eindruck.

Ausstattung

Bei der Ausstattung kann sich die X-T100 sehen lassen. Neben den üblichen Halbautomaten für Zeit und Blende bietet die Kamera selbstverständlich auch einen komplett manuellen Modus. Sollte der Fotograf mal keine große Lust drauf haben Einstellungen vorzunehmen, so kann er eine Programm-Automatik nutzen. Zudem stehen Motivprogramme und eine Motivautomatik bereit. Während der Fotograf sich bei den Motivprogrammen für ein bestimmtes voreingestelltes Programm entscheiden muss, analysiert die Kamera das Motiv bei der Motivautomatik und passt die Aufnahme- sowie Bildprozessoreinstellungen auf den ermittelten Einsatz an. Insgesamt können zehn verschiedene Motivprogramme ausgewählt werden, unter anderem für die Porträtfotografie. Alle genannten Betriebsarten finden sich auf dem Moduswahlrad. Da es sich aber um ein recht großes Drehrad handelt, ist sogar noch Platz für häufig eingesetzte Motivprogramme wie beispielsweise für Landschafts-, Nacht- und Sportaufnahmen. Eine weitere Position des Moduswahlrades ist mit einem “Adv.” markiert. Wer nun vermutet, dass es sich dabei um einen Bedienmodus für Fortgeschrittene handelt, liegt leider falsch. Hinter dieser Einstellung verstecken sich “nur” Spezialeffekte, wie beispielsweise HDR-, Miniatur- und der Fischaugen-Effekt.

Auch die Panorama-Funktion ist auf dem Drehrad untergebracht. Panorama-Fotografie hat seit der Popularisierung der HDR-Fotografie etwas an Beliebtheit verloren. Das ist eigentlich Schade, denn nie war es leichter, Panoramaaufnahmen zu erstellen. Bei der X-T100 ist das ebenfalls nicht anders. Die Kamera nutzt ein sogenanntes “Motion-Panorama”-Verfahren. Der Fotograf wählt dabei nur aus, ob er ein großes oder “normales” Panorama haben möchte. Zudem kann dann noch die Schwenkrichtung angegeben werden. Ein Druck auf den Auslöser reicht dann, um die Aufnahme zu starten. Während der Fotograf die Kamera langsam dreht, rattert der Verschluss und macht die Aufnahmen als Serienbilder. Intern fügt die Kamera die Bilder zusammen und das Panorama ist kurz nach dem Ende der letzten Aufnahme fertig.

Fast schon zum Standard gehört das Hybrid-Autofokus-System bei den Fujifilm-Systemkameras. Auch die X-T100 macht hier keine Ausnahme. Die Kamera besitzt also neben dem für Systemkameras üblichen Kontrastautofokus auch Phasenvergleichssensoren, die direkt auf dem 24 Megapixel auflösenden APS-C-Sensor untergebracht sind. Im Gegensatz zum Kontrastautofokus ist der Phasenvergleichsautofokus deutlich schneller, allerdings vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen etwas weniger präzise, weshalb immer der Kontrastautofokus helfend zum Einsatz kommt, daher wird das System auch Hybrid-Autofokus genannt.

Ein weiterer Nachteil der Phasenmesssensoren ist der höhere technische Aufwand, sie auf dem Bildsensor unterzubringen. Die Kamera besitzt insgesamt 91 Messpunkte, die in einem 13 x 7 Raster um die Bildmitte angeordnet sind. Zusätzlich können auch Areale aus Messfeldern ausgewählt werden. Diese lassen sich dann per Steuerkreuz oder Touchscreen auf dem Bildfeld verschieben. Ein “Verfolgungs”-Modus steht ebenfalls zur Verfügung. Dieser kann Objekte verfolgen, die sich im Bildfeld bewegen. Leider hat die Kamera bei dieser Funktion keine überzeugende Leistung gezeigt.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Harm-Diercks Gronewold

Harm-Diercks Gronewold, 52, ist gelernter Fotokaufmann und hat etliche Jahre im Fotofachhandel gearbeitet, bevor er 2005 in die digitalkamera.de-Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Produktdatenbanken, Bildbearbeitung, Fototipps sowie die Berichterstattung über Software und Zubehör. Er ist es auch, der meistens vor der Kamera in unseren Videos zu sehen ist und die Produkte vorführt.