Lichtstarkes Profi-Telezoom

Testbericht: Sony FE 70-200 mm F2.8 GM OSS (SEL70200GM)

2017-12-21 Mit lichtstarken Telezooms für Vollformatkameras ist das so eine Sache: Sie sind groß, schwer und teuer. Daran ändert auch eine spiegellose Systemkamera nichts. Vielleicht hat Sony deshalb mit dem FE 70-200 mm F2.8 GM OSS (SEL70200GM) etwas gewartet und brachte vorher eine leichtere, aber mit F4 auch lichtschwächere Variante auf den Markt. Spätestens für die schnelle Alpha 9 ist ein lichtstarkes Telezoom jedoch unabdingbar. Doch auch an der Sony Alpha 7R II macht es eine gute Figur. Was das Telezoom leistet, haben wir getestet.  (Benjamin Kirchheim)

Über 1,5 Kilogramm drückt das Sony FE 70-200 mm F2.8 GM OSS auf die Waage, zusammen mit der Alpha 7R II sind es fast 2,2 Kilogramm, die es zu stemmen beziehungsweise zum Motiv zu schleppen gilt. Das sind für spiegellose Systemkameras beachtliche Werte. Bei solchen Brennweiten und Lichtstärken gibt es leider keinen Größen- oder Gewichtsvorteil, da das Auflagemaß keinerlei Rolle spielt. Fast wird die kleine Kamera schon eher zum Nachteil. Hier wäre ein Batteriegriff quasi Pflicht. Immerhin ist die Alpha 7R II robuster gebaut als die ersten Modelle der 7er-Serie, wodurch sie das Objektiv besser trägt und sich das Gehäuse kaum verformt. Es ist zwar möglich, die Kamera-Objektivkombination einhändig zu halten, aber besser stützt man das Objektiv mit der Linken Hand. Dumm nur, dass man den Menüknopf praktisch nur mit der linken Hand erreicht und auch zum Bewegen des Displays die linke Hand benötigt. So bleibt einem nichts anderes übrig, als die Kamera abzusetzen oder eine der Hände von der stabilen Position zu lösen. Irgendwie fühlt es sich nicht so an, als sei eine Alpha 7 die richtige Kamera für dieses "Monster"-Objektiv, jedenfalls nicht ohne den optionalen Batteriegriff.

Verarbeitung

Das FE 70-200 mm F2.8 GM OSS ist nicht nur schwer, sondern mit 20 Zentimetern Länge und einem Durchmesser von knapp neun Zentimetern auch sehr groß. Das Gehäuse besteht fast komplett aus Metall, nur die Aufnahme für das 77mm-Filtergewinde sowie die Streulichtblende bestehen aus Kunststoff. Wie bei Canon ist das Objektiv übrigens Grau statt Schwarz lackiert. Wirklich schön sieht das nicht aus, fällt aber auf – vielleicht ein gewollter Effekt und darum für manchen Betrachter eben doch "schön", das ist halt subjektiv.

Zum Lieferumfang des gut 2.600 Euro teuren Objektivs gehört neben der Streulichtblende und der robusten Objektivtasche samt Tragegurt eine Stativschelle. Sie besteht aus einem fest am Objektiv angebrachten, stufenlos und damit ohne Rastungen drehbaren Ring sowie einem abnehmbaren Metallwinkel. Die Kamera-Objektiv-Kombination steht auf diesem Winkel sehr stabil, das heißt er befindet sich nahezu im Schwerpunkt. Der abschraubbare Winkel bietet gleich zwei Stativgewinde, eines vorne und eines hinten, womit es sich je nach Stativ besser ausbalancieren lässt. Der Winkel und die Drehvorrichtung werden übrigens über ein Konstrukt miteinander verbunden, das einem Blitzschuh ähnelt, jedoch weichen die Abmessungen minimal ab. Der Winkel rastet ein und wird mit einem Schraube gegen Wackeln gesichert. Das ist sehr stabil und zuverlässig, gleichzeitig kann man das Objektiv leicht abnehmen. Objektivseitig ist übrigens ein weiteres Stativgewinde verbaut, sodass sich das 70-200 auch ohne den Winkel auf ein Stativ montieren lässt. Der Schwerpunkt liegt dann allerdings eindeutig vorne.

Ergonomie und Ausstattung

Ziemlich genau in der Objektivmitte befindet sich der drei Zentimeter breite Zoomring. Er ist griffig geriffelt gummiert und durchfährt mit einer Viertel-Umdrehung den Bereich von 70 bis 200 Millimetern. Bei 100 und 135 mm gibt es Zwischenmarkierungen. Das Zoom arbeitet rein intern, was dem Staub- und Spritzwasserschutz zu Gute kommt. Der Fokusring ist satte vier Zentimeter breit, ebenfalls mit einer geriffelten Gummierung sehr griffig und befindet sich fast ganz vorne am Objektiv. Er arbeitet mechanisch, eine Fokusskala fehlt dennoch. Die Endanschläge sind leicht spürbar, dennoch lässt sich der Ring fast ohne größeren Widerstand endlos drehen. Die Naheinstellgrenze liegt bei 96 Zentimetern, was einem Arbeitsabstand von etwa 75 Zentimetern entspricht. Dabei wird ein beachtlicher Abbildungsmaßstab von 1:4 erreicht.

Zur Steuerung des Fokus besitzt das Objektiv an der Seite gleich zwei Schiebeschalter: Einer wechselt zwischen automatischem und manuellem Fokus, der andere aktiviert den Fokusbegrenzer und erhöht die Naheinstellgrenze auf drei Meter. So wirken naheliegende Objekte, die ins Bild ragen, bei der Fokussierung nicht störend. Des Weiteren befinden sich vorne am Objektiv zwischen Zoom- und Fokusring drei Knöpfe, die dieselbe Funktion übernehmen. Durch die dreifache Anordnung ist in jeder Drehlage (Querformat sowie Hochformat links und rechts herum) immer ein Knopf intuitiv erreichbar. Defaultmäßig arbeitet er als Fokus-Stopp-Knopf, lässt sich aber in der Kamera mit vielen anderen Funktionen belegen, also beispielsweise auch mit dem Gegenteil, der Fokus-On-Funktion. Der Autofokus selbst arbeitet übrigens mit einem Ultraschallantrieb und ist unhörbar leise und reagiert sehr schnell, arbeitet aber gleichzeitig äußerst präzise. Damit kann er, abhängig von der Leistungsfähigkeit des AF-Systems der Kamera, sehr gut auf bewegte Action- und Sportmotive reagieren.

Angesichts der langen Brennweite ist zudem ein optischer Bildstabilisator im Objektiv nützlich, auch wenn die Alpha-7-Kameras ab der zweiten Generation sowie die Alpha 9 einen Sensor-Shift-Bildstabilisator bieten. Letzterer kommt mit seinem möglichen Bewegungsradius jedoch bei längeren Brennweiten schnell an seine Grenzen. Zudem erlaubt ein Bildstabilisator im Objektiv eine permanente Stabilisierung des Sucherbilds, ohne den Bildsensor zu belasten. Beim 70-200 F2.8 heißt es aber nicht entweder, oder, sondern und! Beide Stabilisatoren arbeiten in Harmonie zusammen und jeder arbeitet in seinem optimalen Bereich, wodurch eine noch effektivere Bildstabilisierung erreicht wird. Das funktioniert in der Praxis wirklich gut. So kann der Objektiv-Stabilisator keine Drehbewegungen ausgleichen, der Kamerastabilisator hingegen schon.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.