Super-Telezoom

Testbericht: Sony FE 100-400 mm F4.5-5.6 GM OSS

2018-01-08 Das FE 100-400 mm F4.5-5.6 GM OSS bietet die derzeit längste Brennweite im spiegellosen Vollformatsystem von Sony. Mit einem Dual-Direct-Drive-SSM soll es besonders gut für Sport- und Wildlife-Aufnahmen geeignet sein. Außerdem ist es mit einem optischen Bildstabilisator, einem Spritzwasser- und Staubschutz sowie einer Stativschelle ausgestattet. Die Zugehörigkeit zur G-Master-Serie soll zudem eine hohe Bildqualität garantieren. Ob das alles zutrifft, klärt unser Test.  (Benjamin Kirchheim)

Knapp 2.900 Euro ruft Sony als Preis für das Super-Telezoom auf, aktuell ist es lediglich rund 250 Euro günstiger zu haben. Allerdings ist es derzeit das einzige Objektiv mit 400 Millimetern Endbrennweite im spiegellosen Sony-Vollformatsystem und somit quasi alternativlos. Als G-Master-Telezoom ist es hellgrau beschichtet und fällt somit farblich sofort auf. Ein wenig fühlt man sich an Canon erinnert, denn alle anderen Hersteller mit solchen Telezooms wie Nikon, Sigma, Tamron oder Panasonic setzen bei ihrem 100-400mm-Objektiven auf schwarze Gehäuse.

Sei es drum. Das Gehäuse des FE 100-400 mm F4.5-5.6 GM OSS besteht überwiegend nur aus Kunststoff und ist gegen Staub und Spritzwasser geschützt. Dazwischen mischen sich jedoch Metallteile wie etwa der fest am Objektiv verbleibende, drehbare Teil der Stativschelle und der schwarze Ring vorne am Objektiv. Das 77mm-Filtergewinde wiederum besteht aus Kunststoff. Warum Sony hier gespart hat, erschließt sich uns bei dem Objektivpreis nicht. Vielleicht wollte man Gewicht sparen, denn trotz viel Kunststoff drückt das 100-400 mm fast 1,4 Kilogramm auf die Waage. Schlecht verarbeitet wirkt es hingegen nicht, sondern durchaus solide. Die Größe ist mit über 20 Zentimetern Länge und über neun Zentimetern Durchmesser enorm.

Damit ist das Objektiv mehr als doppelt so schwer wie die zum Test verwendete Sony Alpha 7R III. Die Kamera ist indes so robust und griffig, dass man die Kamera-Objektivkombination durchaus einhändig am Kamerahandgriff stemmen kann. Ergonomisch ist das freilich nicht und sollte mit den ersten beiden Alpha-7-Generationen auch nicht unbedingt nachgemacht werden, denn Sony hat die Stabilität der Kameras mit jeder Generation verbessert, wobei die Alpha 9 auf dem Niveau der dritten Alpha-7-Generation rangiert.

Ausstattung und Handhabung

In der Mitte des Objektivs liegt der vier Zentimeter breite Zoomring, der ergonomisch optimal über der von unten stützenden linken Hand liegt. Die Kamera-Objektiv-Kombination lässt sich so wunderbar ausbalanciert bedienen, wobei der Daumen die Tasten und Schalter spielend erreicht, während sich mit dem Zeigefinger bei Bedarf der leicht drehende Fokusring erreichen lässt, ohne umgreifen zu müssen. Das hat Sony wirklich sehr praxisnah gelöst. Verwendet man den abnehmbaren Stativadapter, so ist die Kamera-Objektivkombination auch auf einem Stativ gut ausbalanciert. Der Winkeladapter besteht aus Metall, ist allerdings nicht Arca-Swiss-kompatibel. Er wird mittels Bajonett und Fixierschraube angebracht. Auch ohne den Winkeladapter kann das Objektiv direkt an der fest am Objektiv verbleibenden Schelle auf ein Stativ geschraubt werden, ist dann jedoch frontlastig. Löst man die Fixierschraube der Schelle, kann das Objektiv frei und ohne Rastungen gedreht werden, oben links und rechts sind jedoch Orientierungspunkte aufgedruckt, um die 90-Grad-Stellung (ungefähr) zu finden.

Der Zoomring ist mit einem schwarzen, geriffelten, griffigen Gummi überzogen. Er dreht sich äußerst leicht, viel zu leicht für unseren Geschmack. Beim Zoomen fährt der ebenfalls grau beschichtete Kunststoff-Objektivtubus um bis zu acht Zentimeter aus dem Gehäuse heraus. Hinter dem Zoomring befindet sich ein unscheinbarer Ring für die Einstellung der Friktion. Dreht man diesen auf "Tight", bietet der Zoomring etwas mehr Widerstand und ist für unseren Geschmack genau richtig. Gerne dürfte die "Smooth"-Stellung etwas fester sein (hier fährt das Objektiv allein durch sein Eigengewicht gerne mal aus oder ein) und die Tight-Stellung noch etwas strammer, vielleicht sogar bis nahezu zur Blockierung des Zoommechanismus, um diesen, beispielsweise auf dem Stativ, zu fixieren. Aber Sony hat sich hier anders entschieden und so wie es ist, wird es sicher auch seine Befürworter finden.

Zur Fokussierung kommen gleich zwei Ultraschallmotoren zum Einsatz, die zwei Gruppen im Objektiv zur Scharfstellung verschieben. Der Fokus arbeitet damit nicht nur äußerst leise, sondern auch sehr direkt und schnell. Plötzlichen Bewegungsänderungen des Motivs kann der Fokus damit besser folgen. Die Naheinstellgrenze liegt bei nur 98 Zentimetern, das ist sehr wenig für ein solches Objektiv und ermöglicht Detailaufnahmen mit einem Abbildungsmaßstab von 1:2,9. Damit der Fokus nicht unnötig in den Nahbereich fährt und sich von hier befindlichen, eventuell unwichtigen Motivdetails nicht verwirren lässt, kann mittels Schiebeschalter ein Fokusbegrenzer aktiviert werden, der die Naheinstellgrenze auf drei Meter anhebt.

Auch ein AF-MF-Schalter ist hier selbstverständlich zu finden. Die manuelle Fokussierung erfolgt über den leichtgängigen und ebenfalls mit geriffeltem schwarzem Gummi versehenen, etwa 2,5 Zentimeter breiten Fokusring ganz vorne am Objektiv. Dieser arbeitet rein elektronisch und reagiert sehr feinfühlig auf langsame Bewegungen, ermöglicht bei schnellen Bewegungen aber ein entsprechend kurz übersetztes Durchfahren des Fokusbereichs. Hiermit lässt sich vorzüglich manuell fokussieren, erst Recht mit Hilfe der Fokuslupe der Kamera oder bei Bedarf dem Fokus-Peaking, wobei wir letzteres für eine feine Schärferegulierung generell nicht empfehlen können, da es in einem zu großen Verstellbereich noch "scharf" anzeigt und man den Fokus damit nicht punktgenau findet.

Zwischen Zoom- und Fokusring sind drei Knöpfe zu finden, die im 90-Grad-Winkel zueinander rund um den Tubus angeordnet sind und alle dieselbe Funktion auslösen. Dies ist defaultmäßig die Fokus-Stopp-Funktion. In der Kamera lässt sich die Funktion auf Wunsch umprogrammieren. Durch die redundante 90-Grad-Anordnung lässt sich die Funktionstaste im Quer- sowie in jedem Hochformat (links und rechts) optimal erreichen.

Obwohl die Alpha-7-Kameras ab der zweiten Generation sowie die Alpha 9 einen integrierten Bildstabilisator mittels beweglich gelagertem Bildsensor besitzen, ist das FE 100-400 mm F4.5-5.6 GM OSS mit einem optischen Bildstabilisator ausgestattet. Das macht angesichts der Brennweite auch Sinn, denn die Auslenkungen werden für den Sensor bei langen Brennweiten recht groß beziehungsweise stoßen an ihre Grenzen. Zwei Systeme zu haben, bietet aber einen Vorteil: Sie können im Fall von Sony zusammenarbeiten, was die Bildstabilisierung nochmals effektiver macht, zumal der bewegliche Sensor Verwackelungen in der Rotationsachse ausgleichen kann, was mittels Bildstabilisator im Objektiv nicht realisierbar ist.

An- und abgeschaltet (für Stativbetrieb) wird der Bildstabilisator über einen Schiebeschalter am Objektiv. Ein weiterer Schalter bestimmt den Modus. Mode 1 ist der normale Bildstabilisator, er gleicht Verwackelungen in allen Bewegungsrichtungen aus. In Mode 2 wird hingegen nur horizontal oder vertikal stabilisiert, um Mitzieher zu ermöglichen. Der optische Bildstabilisator arbeitet äußerst effektiv, so dass deutlich längere Belichtungszeiten freihändig möglich sind. Das geht so weit, dass sogar Motivbewegungen schon wieder zu Unschärfen führen können.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.