210-Grad-Fisheye

Testbericht: Laowa 4 mm F2,8 Circular Fisheye

2019-10-29 Mit einem Bildwinkel von 210 Grad ist das Laowa 4 mm F2,8 Circular Fisheye aktuell das wohl weitwinkligste "normale" Objektiv, das man für eine Wechselobjektivkamera kaufen kann. Dabei ist es nicht einmal besonders teuer, sondern sogar als "Spielerei" durchaus leistbar. Mit einem Bildwinkel von 210 Grad bildet es nicht nur von rechts bis links und oben bis unten alles ab, sondern schaut in alle Richtungen sogar etwas nach hinten. Wir haben das extreme Fisheye einem Praxistest unterzogen.  (Benjamin Kirchheim)

Auch, wenn wir die Panasonic Lumix DC-GX880 für Fotos dieses Artikels verwendet haben, erfolgte der Praxistest an der älteren Olympus OM-D E-M10 (der ersten, ohne "Mark"-Zusätze). Letztendlich ist die verwendete Kamera aber ziemlich egal, denn so riesig sind bei dieser Anwendung die Unterschiede zwischen dem "alten" 16-Megapixel-Sensor und dem aktuellen mit 20 Megapixeln Auflösung ohnehin nicht. Einen Labortest können wir aufgrund des großen Bildwinkels wie bei den beiden Fisheye-Tests zuvor (siehe weiterführende Links) sowieso nicht machen. Anders, als bei bisherigen Fisheye-Tests, ist das Laowa 4 mm F2,8 Circular Fisheye aber das erste rein manuelle Objektiv, das wir testen, es muss also ohne Autofokus auskommen, doch dazu später mehr. Für den Test zur Verfügung gestellt wurde uns das Objektiv übrigens freundlicherweise von B.I.G. photo, die auch für den Vertrieb hierzulande zuständig sind.

Verarbeitung

Mit einem Preis von gerade einmal knapp 280 Euro kann man das Laowa 4 mm F2,8 Circular Fisheye als recht preisgünstig bezeichnen. Damit reißt es, vor allem angesichts dessen, dass damit praktisch keine "normalen" Fotos möglich sind, kein großes Loch in die Geldbörse. Für den Preis erhält man ein erstaunlich solide verarbeitetes Festbrennweiten-Objektiv. Es besteht komplett aus Aluminium, ist aber nicht spritzwassergeschützt (eine schützenswerte Elektronik besitzt das Objektiv ohnehin nicht). Die Verpackung ist ebenfalls ansprechend gestaltet und das überraschend kleine Fisheye ruht gut vor Stößen geschützt darin. Lediglich 138 Gramm wiegt das Objektiv. Mit einer Länge von nur 3,1 Zentimetern geht es schon fast als Pancake durch, mit einem Durchmesser von gerade einmal 5 Zentimetern passt es problemlos in eine kleine Ecke der Fototasche.

Ein 3,1 mal 4,8 Zentimeter großer, 23 Gramm schwerer Stülpdeckel umschließt nicht nur die Frontlinse, sondern sogar den gesamten Tubus, nur der Anfasser des Fokusrings schaut hervor. Dieser ist angesichts des schmalen Rings zwar nötig und praktisch, aber dadurch verstellt sich leicht der Fokus, spätestens, wenn man das Objektiv am Deckel aus dem Bajonett heraus oder hineindreht. Auch die Blende stand nach dem Transport nicht mehr unbedingt auf dem vorher eingestellten Wert. Man sollte diese also vor dem Fotografieren in jedem Fall prüfen, zumal sie nicht in der Kamera angezeigt wird. Das ist sehr schade, überhaupt arbeitet das gesamte Objektiv rein manuell, sodass die EXIF-Daten etwas beschnitten werden.

Bedienung und Praxis

Möchte man den Sensor-Shift-Bildstabilisator der Kamera verwenden, muss man diesem manuell die korrekte Brennweite mitteilen, damit er effektiv arbeiten kann. Der Stabilisator ist bei einer derart kleinen Brennweite von nur vier Millimetern aber ohnehin nahezu überflüssig, zumal man die Kamera mit diesem Objektiv für eine sorgsame Bildkomposition, vor allem ohne Finger im Bild, besser irgendwo ablegt oder zumindest aufstützt, wie wir es mit Ausnahme der Nahaufnahme bei allen Bildern für diesen Artikel gemacht haben.

Der enorme Bildwinkel von 210 Grad bringt nämlich Probleme mit sich. Zuerst einmal ist es mit einem Fisheye sinnvoll, es bei einem sichtbaren Horizont im Bild genau mittig zum Horizont auszurichten, da dieser sich ansonsten stark wölbt. Nimmt man die Kamera so gewohnt ans Auge, sind nicht nur die Füße mit auf dem Bild, sondern auch die Finger der rechten Hand am Kameragriff. Man muss also mindestens am ausgestreckten Arm fotografieren und dabei die Kamera aber auch eher mit den spitzen Fingern halten, etwa wie bei einer kleinen Kompaktkamera oder einem Smartphone. Das ist prinzipiell auch kein Problem, denn das Objektiv wiegt selbst mit der Olympus OM-D E-M10 nur knapp über ein halbes Kilogramm und frontlastig ist das kurze Objektiv ohnehin nicht. Dennoch sind ein Stativ oder zumindest irgendeine Ablagemöglichkeit, bei der man die Kamera nur noch zwecks korrekter Ausrichtung stützt, genauso sinnvoll wie das Einschalten der Wasserwaage auf dem Kamerabildschirm. Bei einem Stativ verwendet man am besten einen Fernauslöser, bei der Aufnahme senkrecht in den Himmel haben wir dafür ein Smartphone verwendet, um mit etwas Abstand auslösen zu können, ohne selbst im Bild zu sein.

Angesichts der kurzen Bauform fallen die beiden Einstellringe mit je kaum fünf Millimetern sehr schmal aus. Ganz vorne sitzt der Blendenring, der die siebenlamellige Irisblende manuell in ganzen Blendenstufen von F2,8 bis F16 steuert. Unsere Aufnahmen mit Sonne im Bild entstanden ausnahmslos mit Blende F8 oder F11, da ansonsten die Kamera bei ISO 200 überbelichtet hätte. Zwar gibt es keinerlei elektronische Steuerung des Objektivs, aber die Belichtungsmessung der Kamera funktioniert trotzdem, man arbeitet einfach in der Zeitautomatik. Auch eine Anpassung der Messmethode oder eine Belichtungskorrektur waren trotz der großen schwarzen Flächen bei unserer E-M10 nicht notwendig, die Kamera hat den dominierenden Himmel stets gut belichtet. Angesichts hoher Kontraste empfiehlt sich aber das Rohdatenformat, um die Schatten besser nachbearbeiten zu können und je nach Motiv gegebenenfalls sogar Belichtungsreihen.

Der Fokusring sitzt dicht am Bajonett und besitzt einen praktischen "Anfasser", denn mit einer einfachen Riffelung wäre er nicht gut zu bedienen. Mit gut einer Viertel-Umdrehung wird der Fokusbereich von acht Zentimetern bis unendlich mit einem angenehmen Widerstand sanft durchfahren. Dabei ändert sich die Länge des Objektivs nicht, es handelt sich also um einen Innenfokus. Dank einer gut ablesbaren Schärfentiefeskala und der ohnehin riesigen Schärfentiefe ist es am einfachsten, mit der Hyperfokaldistanz zu arbeiten. Das heißt, man dreht das Unendlichsymbol auf die linke Begrenzung der zur Blende passenden Markierung und kann an der rechten Markierung ablesen, ab welcher Entfernung alles scharf ist. Bei Blende F8 erstreckt sich die Schärfentiefe von 50 Zentimetern bis unendlich. Nur bei Nahaufnahmen muss man also überhaupt noch genauer fokussieren, was aber selbst dann angesichts der immer noch großen Schärfentiefe auch ohne Fokuslupe und Fokuspeaking, das man selbstverständlich trotzdem zuschalten könnte, einwandfrei funktioniert. Angesichts einer Naheinstellgrenze von drei Zentimetern ab Frontlinse kann man übrigens die Kamera einfach beispielsweise ganz nah in einer Blütenmeer halten und sucht sich am besten eine Blüte oder ein Blatt heraus, das im Fokus sein soll und bewegt die Kamera entsprechend ein wenig vor oder zurück.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.