Leistbare Vollformat-DSLR

Testbericht: Canon EOS 6D Mark II

2017-10-24 Die EOS 6D war vor fünf Jahren die erste Vollformat-DSLR von Canon, die weniger als 2.000 Euro kostete. Mit der EOS 6D Mark II ist nun das stark verbesserte Nachfolgemodell erhältlich, das jedoch – zumindest laut UVP – die 2.000-Euro-Schallmauer nicht unterbietet. Dafür gibt es einen neuen, höher auflösenden Bildsensor mit schnellem Kontrast-Autofokus, einen dreh- und schwenkbaren Bildschirm und einen deutlich leistungsfähigeren Autofokus mit 45 anstelle magerer elf Messpunkte. Im Test muss die 6D Mark II nun zeigen, wie sie sich in der Praxis und von der Bildqualität her im Testlabor schlägt.  (Benjamin Kirchheim)

Ergonomie und Verarbeitung

Auch wenn das Gehäuse der Canon EOS 6D Mark II aus Kunststoff besteht, ist sie mit 760 Gramm kein Leichtgewicht. Das Gehäuse ist sauber verarbeitet und fühlt sich durchaus robust an. Auch beim festen Zupacken gibt es nicht nach, Knarzgeräusche sind auch nicht zu vernehmen. Die Robustheit wird vom Spritzwasser- und Staubschutz unterstrichen. Die Kamera ist recht dick und besitzt einen ausgeprägten Handgriff mit Einbuchtung für den Mittelfinger, sodass sich die DSLR sicher halten lässt. Eine Daumenmulde auf der Rückseite sowie die Gummibelederungen tragen ihren Teil zur Griffigkeit bei. Sowohl der Auslöser, als auch die Bedienknöpfe besitzen eher schwammige Druckpunkte, dennoch lassen sich die beiden Druckpunkte des Auslösers gut unterscheiden und somit der Autofokus und die Auslösung dosieren. Aber auch eine entsprechende AF-On-Taste fehlt nicht, falls man den Autofokus vom Auslöser entkoppeln möchte.

Das Speicherkartenfach ist seitlich auf der Handgriffseite bequem zugänglich, es schluckt jedoch nur eine SD-Karte und ist zu SDHC und SDXC kompatibel. UHS I wird unterstützt, das schnellere UHS II hingegen nicht. Die maximale Speichergeschwindigkeit lag im Test bei einem sehr guten Wert von 77 Megabyte pro Sekunde (mehr dazu im Abschnitt Ausstattung). Der Lithium-Ionen-Akku sitzt im Handgriff und wird auf der Unterseite entnommen, wobei die Klappe reichlich Raum zum in der optischen Achse befindlichen Stativgewinde lässt. Mit 14 Wh bietet der LP-E6N eine üppige Kapazität, ganze 1.200 Aufnahmen sind damit nach CIPA-Standard möglich. Der fehlende interne Blitz, der normalerweise bei jeder zweiten Aufnahme gezündet werden müsste, trägt seinen Teil dazu bei. Die 6D Mark II profitiert darüber hinaus vom stromsparenden Betrieb des Spiegelreflexsuchers. Zudem gibt es einen optionalen Batteriegriff, der die Ausdauer weiter erhöht und für eine bessere Ergonomie bei Hochformataufnahmen sorgt. Schnittstellen gibt es immerhin vier, die allesamt auf der linken Gehäuseseite sitzen: Neben einem Fernauslöser lassen sich ein externes Mikrofon, ein Mini-HDMI-Kabel sowie ein Mini-USB-Kabel anschließen. Eine USB-Ladefunktion bietet die 6D Mark II nicht, der Akku kann ausschließlich in der mitgelieferten Ladeschale außerhalb der Kamera aufgeladen werden.

Der Spiegelreflexsucher zeigt mit einer 0,71-fachen Vergrößerung ein angenehm großes Sucherbild, bildet jedoch nur 98 Prozent des aufzunehmenden Bildes ab. Die unterhalb des Sucherbilds eingeblendeten Aufnahmedaten lassen sich gut ablesen. Als Brillenträger kommt man allerdings nicht nahe genug an den Sucher heran, sodass die Ecken etwas abschatten. Wer kann, sollte sich mit der Dioptrienkorrektur des Suchers helfen. Der 7,7 Zentimeter große Bildschirm bringt es auf eine Auflösung von 1,04 Millionen Bildpunkten. Zudem sorgt das Seitenverhältnis von 3:2 für eine optimale Platzausnutzung im Livebild-Betrieb. Neu ist die Möglichkeit, den Bildschirm seitlich schwenken und um 270 Grad drehen zu können, was Aufnahmen aus allen möglichen Perspektiven erlaubt. Dank des für eine DSLR erstaunlich schnellen Live-View-Autofokus kann man damit gut arbeiten, solange sich die Motive nicht bewegen. Nur die maximale Helligkeit von lediglich 535 cd/m² lässt etwas zu wünschen übrig, das ist so gerade ausreichend für eine passable Ablesbarkeit bei direktem Sonnenlicht. Da haben wir schon deutlich hellere Displays gesehen! Immerhin handelt es sich um einen Touchscreen, was nicht nur das Platzieren des Autofokuspunkts erlaubt, sondern auch die Bedienung der Kamera inklusive den Menüs, wenn man mag.

Eine reine Tastenbedienung ist weiterhin möglich, wofür die 6D Mark II mehr als reichlich Direktwahltasten zur Einstellung der relevanten Aufnahmeparameter bietet. Sogar ein klassisches LC-Display fehlt nicht. Es befindet sich auf der Oberseite und zeigt die aufnahmerelevanten Parameter an. Um es im Dunkeln besser ablesen zu können, lässt es sich im Gegensatz zu den Tasten beleuchten. Die Menüs sind Canon-typisch in fünf Hauptgruppen mit nummerierten Registern unterteilt, was ein schnelles Durchblättern erlaubt. Ein Favoritenmenü erleichtert dabei den Zugriff auf häufig genutzte Einstellungen. Das Custom-Menü hingegen, wo unter anderem die Tastenbelegungen und wichtige Autofokuseinstellungen zu finden sind, ist mit seinen Zahlenkolonnen doch etwas sehr unübersichtlich geraten. Ein Aufnahme-Quick-Menü fehlt nicht, in dem wichtige Parameter eingestellt werden können, für die es keine Direktwahltasten gibt. Zudem können, wenn auch etwas umständlich, einige Tasten individualisiert werden, es stehen zwei Einstellräder zur Verfügung und das Programmwählrad bietet Zugriff auf vorher abgespeicherte bevorzugte Aufnahmeeinstellungen. Bedienungstechnisch kann sich die 6D Mark II also mit einigen kleineren Abstrichen insgesamt sehen lassen.

Ausstattung

Auch wenn eine Vollformat-DSLR nicht gerade günstig in der Anschaffung ist, so kann man die EOS 6D Mark II als eine der günstigeren Vollformat-DSLRs durchaus als Einsteigerkamera bezeichnen. Auch der Funktionsumfang spiegelt diese als zweite Zielgruppe neben den Fotoenthusiasten wieder. So gibt es eine Vollautomatik, einige wichtige Motivprogramme zur Direktauswahl und einen kreativen Automatikmodus, der beispielsweise die Beeinflussung der Schärfentiefe erlaubt, ohne sich mit der Blende des Objektivs auseinandersetzten zu müssen. Gezielter kann man jedoch in den Kreativprogrammen Einfluss auf die Blende und Belichtungszeit sowie weitere Aufnahmeparameter nehmen. Während eine Panoramafunktion fehlt, gibt es einige nützliche Reihenaufnahmefunktionen. HDRs etwa nimmt die 6D Mark II auf Wunsch automatisch auf und verrechnet die unterschiedlich belichteten Bilder direkt in der Kamera für bessere Details in Lichtern und Schatten. Manuell kann man die Belichtungsreihenfunktion zur Hilfe nehmen, die zwei, drei, fünf oder sieben Bilder mit bis zu drei EV Belichtungsunterschied (bei sieben Bildern etwas weniger) aufnimmt. Die Bilder lassen sich am PC hervorragend zu einem HDR verarbeiten, zumal die Belichtungskorrektur unabhängig davon arbeitet. Des Weiteren bietet die EOS eine Intervallaufnahmefunktion mit bis zu 99 Fotos oder aber in einem unbegrenzten Modus.

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Auf Wunsch setzt die Canon die Intervallaufnahmen zu einem Zeitrafferfilm zusammen – das ist auch die einzige Möglichkeit, ein 4K-Video zu erstellen. Die Videoaufnahmefunktion arbeitet nämlich maximal in der für eine moderne Kamera etwas mageren Full-HD-Auflösung, das aber mit immerhin flüssigen 60 Bildern pro Sekunde. Aufgezeichnet werden die bis zu maximal knapp 30 Minuten langen Videos im MP4-Format mit H.264-Kompression. Der Stereoton kann wahlweise über das integrierte oder ein extern angeschlossenes Mikrofon aufgenommen werden. Belichtungsparameter lassen sich genauso wie bei Fotos manuell beeinflussen. Dank der Dual-Pixel-Technologie arbeitet der Nachführ-Autofokus erstaunlich gut, am besten nutzt man dafür jedoch ein STM-Objektiv mit dafür ausgelegtem Fokusmotor. Leider fehlt der EOS 6D Mark II eine Fokus-Peaking-Funktion, was manuelles Fokussieren während Filmaufnahmen äußerst schwierig macht. Dank Touchscreen und dem guten Dual-Pixel-Autofokus lassen sich aber immerhin automatische Fokusverlagerungen von einem auf ein anderes Motivdetail realisieren.

Apropos Autofokus: In der EOS 6D Mark II kommt ein wesentlich leistungsfähigeres Autofokusmodul zum Einsatz als noch im Vorgängermodell. 45 Messpunkte stehen nun zur Verfügung, wobei jene allesamt Phasensensoren sind. Der Zentrale arbeitet bei bis zu F2,8 für eine höhere Präzision, die zentralen Punkte erlauben zudem eine Zusammenarbeit auch noch mit einer F8 Anfangslichtstärke, die sich bei der Verwendung von Telekonvertern schneller ergibt, als einem lieb sein kann. Lediglich die zentrale gedrängte Lage der Fokuspunkte kann man der 6D Mark II etwas ankreiden. So kann der Autofokus Ziele nicht bis an den Bildrand verfolgen. Die 6D II ist aber auch nicht unbedingt eine Sportskanone, die Serienbildleistung etwa bleibt etwas hinter den Angaben des Datenblatts zurück. So kamen wir maximal auf 6,4 anstelle von 6,5 Serienbildern pro Sekunde und in JPEG wurde die Kamera bereits nach 77 statt nach 150 Bildern langsamer, wenn auch nur minimal. Mit kleinen unregelmäßigen Päuschen ergeben sich in Summe sechs Serienbilder pro Sekunde Dauerlauf bis die Speicherkarte voll ist. In Raw war nach 19 statt 21 Bildern Schluss, danach geht es mit durchschnittlich 2,3 Serienbildern pro Sekunde deutlich gemütlicher weiter. Der verwendeten Speicherkarte kann man dabei nichts vorwerfen, denn dabei handelte es sich um die aktuell schnellste SDHC-Karte Sony SF-G32, die im UHS-II-Modus 299 MB/s Schreibgeschwindigkeit erreichen soll. Die Canon unterstützt jedoch nur UHS I, erreicht damit aber immerhin beachtliche 77 MB/s Schreibgeschwindigkeit und nutzt damit den Standard zu gut 3/4 aus.

Der Autofokus stellt innerhalb von 0,25 Sekunden von unendlich auf zwei Meter scharf, inklusive der 0,06 Sekunden dauernden Auslöseverzögerung wird also innerhalb von gut 0,3 Sekunden ausgelöst. Das ist für eine DSLR ordentlich flott (und fast doppelt so schnell wie beim Vorgängermodell), lässt so manche spiegellose Systemkamera jedoch nur müde lächeln, schließlich sind die teilweise doppelt so schnell. Seine Stärken hat der Autofokus einer (guten) DSLR wie der der Canon 6D Mark II eher beim Verfolgen von Motiven, auch wenn diese letzte Bastion inzwischen ganz schön wackelt. Dafür räumt die 6D II in einem anderen Bereich mit einem eher schlechten Ruf von DSLRs auf: Dem quälend langsamen Autofokus im Live-View-Betrieb. Statt wie früher eine oder mehrere Sekunden zur Fokussierung zu benötigen – das Vorgängermodell brauchte noch zwei bis 2,5 Sekunden – schafft die 6D Mark II das nun in knapp mehr als 0,3 Sekunden, inklusive der etwa 0,07 Sekunden langen Auslöseverzögerung ergeben sich somit knapp 0,4 Sekunden, womit die Marke von einer halben Sekunde deutlich unterschritten ist. Ausgelöst wird im Live-View zudem ohne lästigen Spiegelschlag, was die Auslösung etwas leiser macht. Verglichen mit einer spiegellosen Systemkamera macht die Canon aber sowohl ohne als auch mit Live-View mächtig Radau.

Äußerst nützlich und selten in einer Digitalkamera zu finden ist das eingebaute GPS-Modul, das die Canon 6D Mark II bietet. Es arbeitet wahlweise permanent oder nur bei eingeschalteter Kamera. Ersteres hat zu Lasten der Akkulaufzeit den Vorteil, dass die Position schneller gefunden ist. Verzichten muss man dagegen auf einen integrierten Blitz, sodass man selbst zum Drahtlosblitzen auf einen entsprechenden Auslöser auf dem Blitzschuh angewiesen ist. Dank WLAN, Bluetooth und NFC lässt sich die Canon einfach mit einem Smartphone oder Tablet mit Android oder iOS verbinden, um Bilder zu übertragen oder die Kamera fernzubedienen. Aber auch eine Kabel- sowie eine Infrarotfernauslösung sind möglich. Außerdem unterstützt die 6D Mark II die Canon Connect Station CS100, die als Bilderspeicher dient und die Fotos drahtlos von der Kamera herunterlädt. Auch das Herunterladen von Raw-Bildern auf ein Smartphone ist kein Problem, denn die Kamera schickt einfach ein daraus entwickeltes JPEG. Wer möchte, kann die Bilder aber auch direkt in der Kamera vom Raw ins JPEG-Format entwickeln und dabei einige Parameter einstellen.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.