Keine Spoiler-Kameras mehr

Stellar, Lunar und HV: Hasselblad beendet Sony-Veredelungs-Experiment

2016-01-12 Im Zuge von Recherchen für unsere geplanten Kaufberatungs-E-Books bekamen wir von Hasselblad aus Göteborg, Schweden, die Information, dass die Vermarktung der rebrandeten Sony-Kameras der Hasselblad-Produktlinien Stellar, Lunar und HV mittlerweile eingestellt sei. Die Kameras und Objektive sowie das Zubehör (Taschen usw.) sind von der Hasselblad Website, auch aus dem Pressebereich, verschwunden. Die Kameras waren optisch modifizierte Versionen der Sony RX100, RX100 II, NEX-7 und Alpha 99V. Für die Lunar gab es auch einige der Sony-Objektive mit Hasselblad-Logo.  (Jan-Markus Rupprecht)

Veredelung oder Verunstaltung: Der optische Umbau von Automobilen trifft nicht jedermanns Geschmack, erzeugt aber zweifellos etwas Individualität im Straßenbild. Dass dabei der CW-Wert oder das Handling leidet und das Auto im Grunde durch die Maßnahme nicht besser, sondern schlechter wird, muss man da oft in Kauf nehmen. Richtiges Tuning hingegen holt mehr Leistung aus dem Motor, bessere Bremsen sorgen für mehr Verzögerung und ein straffes Fahrwerk für besseres Fahrverhalten im Grenzbereich.

Hasselblad hatte sich für die Spoiler entschieden, und nicht fürs "richtige" Tuning. Die Hasselblad-Modelle Stellar, Stellar II, Lunar und HV waren im Grunde nichts weiter als optisch aufgemotzte (oder verunstaltete, ganz, wie man es sieht) Sony-Kameras. Die Hasselblad Lunar (eigentlich eine Sony NEX-7) hatte wenigstens noch ein sehr eigenständiges Gehäuse aus gefrästem Aluminium, die Hasselblad HV war eine Sony Alpha 99V mit nur minimal verändertem Gehäuse und teilweise anderen Knöpfen, bei der Hasselblad Stellar (Sony RX100) und Stellar II (Sony RX100 Mk. 2) beschränkte sich die Modifikation gar auf eine andere Gehäusefarbe und einen angeschraubten Holzgriff. Die Preise gegenüber den technisch völlig identischen Sony-Modellen betrugen dafür rund das Zwei-, Drei- bzw. Vierfache. Dafür konnten die Kunden immerhin individuell das Holz oder Leder des Griffmaterials wählen. Ab Sommer 2015 gab es dann bei einigen ausgewählten Händlern in Fernost noch eine Kleinstauflage der Hasselblad Lusso, die technisch der Sony Alpha 7R entspricht. Anfang Januar bestätigte uns Hasselblad, dass die Vermarktung dieser Kameras eingestellt sei. Informationen und Pressemitteilungen sowie Produktfotos sind von der Hasselblad-Website verschwunden. 

Was die ganze Aktion sollte, ist nicht ganz leicht zu erklären. Hasselblad zog sich damit den Hohn und Spott der Fotobranche zu oder hinterlies einfach Ratlosigkeit. Zumal das 1941 von Victor Hasselblad (1906–1978) gegründete Traditions- und Familienunternehmen Hasselblad AB eigentlich für "richtige" (professionelle) Arbeitsgeräte steht: Mittelformatkamera im 6 x 6 Format, auch mit Digitalrückteil. Teuer zwar, aber auch hinsichtlich der (Bild-)Qualität über jeden Zweifel erhaben. Offenbar hat der frühere Miteigentümer Shriro, der für den Hasselblad-Vertrieb in Hongkong, Macao und auf dem chinesischen Festland zuständig ist, auf diese Produklinien gedrängt, da er in seinem Heimat-Markt gute Absatzchancen für Edelprodunkte nach Leica-Vorbild sah.

Für deutsche Händler war das Hasselblad-Sony-Rebranding-Abenteuer kein Spaß. Die Vermarktung der in edler Schmuckschatulle gelieferten Hasselblad-Sonys waren "ein Riesen-Verlustgeschäft", so Foto-Gregor-Geschäftsführer Ralph Schumacher, "viele der Kameras fanden nur weit unter Einkaufspreis einen Abnehmer, mitunter wurde nur ein Drittel des angedachten Preises erzielt." Teilweise habe er die Kameras gegen Mittelformat-Hasselblad-Modelle tauschen können, aber noch immer einzelne Modelle am Lager. Der Ausstieg aus der Sony-Veredelung wurde seitens Hasselblad gegenüber seinen Händlern nicht kommuniziert. Wer weiß, vielleicht erzielen die letzten Exemplare doch noch ihren Preis, wenn Sammler wissen, dass es sich um die allerletzten Exemplare handelt. Noch sind allerdings die Preise auf eBay verhältnismäßig günstig. Die Lunar bekommt man dort nagelneu bereits für 1.150 Euro (statt eigentlich rund 5.000 Euro). Im Verhältnis weitaus weniger günstig ist die Kompaktkamera Stellar: Sie kostet neu jetzt rund 1.300 Euro – dabei liegt der Preis der technisch baugleichen Sony RX100 mittlerweile bei nur noch rund 350 Euro.


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Jan-Markus Rupprecht

Jan-Markus Rupprecht, 59, fotografiert mit Digitalkameras seit 1995, zunächst beruflich für die Technische Dokumentation. Aus Begeisterung für die damals neue Technik gründete er 1997 digitalkamera.de, das Online-Portal zur Digitalfotografie, von dem er bis heute Chefredakteur und Herausgeber ist. 2013 startete er digitalEyes.de als weiteres Online-Magazin, das den Bogen der digitalen Bildaufzeichnung noch weiter spannt.