Spiegellose Mittelklasse-Systemkamera

Testbericht: Canon EOS M50

2018-06-20 Mit der EOS M50 will Canon endlich im spiegellosen Kamerasegment richtig Fuß fassen und greift mit einer guten Ausstattung zum attraktiven Preis, der in Deutschland sogar wesentlich günstiger ist als beispielsweise in den USA, die Konkurrenz an. Erstmals ist eine 4K-Videofunktion an Bord einer EOS M, die Serienbildgeschwindigkeit ist hoch und es gibt einen elektronischen Sucher sowie einen dreh- und schwenkbaren Touchscreen. Die drahtlose Kommunikation mit NFC, WLAN und Bluetooth rundet die Ausstattung der 24 Megapixel auflösenden APS-C-Kamera ab. Was die M50 in der Praxis taugt und wie es um die Bildqualität bestellt ist, verrät unser Test.  (Benjamin Kirchheim)

Ergonomie und Verarbeitung

In der Klasse der 600-Euro-Kameras setzt Canon auf Kunststoff als Gehäusematerial, so auch bei der recht kompakt und leicht geratenen EOS M50, mit 15-45mm-Standardobjektiv wiegt sie nur knapp über 500 Gramm. Auch wenn es sich außen rum überall nach "Plastik" anfühlt, ist das Gehäuse doch sehr sauber verarbeitet. Die Spaltmaße sind minimal und gleichmäßig, die Überhänge sauber. Auf der Griffseite geben großzügig verklebte Gummierungen den nötigen Halt. Zudem gibt es einen kleinen Wulst am Griff, der sich erstaunlich gut in die Hand schmiegt, diese aber mit der kleinen Größe keineswegs ausfüllt. Insgesamt liegt die M50 sicher in der Hand, nicht zuletzt aufgrund der gut ausgeformten Daumenmulde als Gegenpart zum Griff. Der Auslöser lässt sich leicht erreichen, könnte aber gerne etwas kräftigere Druckpunkte bieten.

Um den Auslöser herum ist das einzige Multifunktionsrad angeordnet, über den sich je nach Tastendruck unterschiedliche Parameter einstellen lassen. Mit seiner Griffigkeit und leichten Rastung lässt es sich gut bedienen. Das Programmwählrad bietet straff rastende neun Positionen, ein versehentliches Verstellen ist da unwahrscheinlich. Der Einschalthebel befindet sich direkt daneben und lässt sich hervorragend mit dem Daumen oder Zeigefinger erreichen. Außerdem sind auf der Oberseite noch der Videoauslöser und eine programmierbare Multifunktionstaste (M-Fn) zu finden.

Die Rückseite wird größtenteils vom 7,5 Zentimeter großen Touchscreen eingenommen, sodass rechts daneben nur noch Platz für ein relativ kleines Bedienkreuz mit mittlerer Bestätigungstaste sowie fünf weitere Tasten bleibt. Zwar fallen diese relativ klein aus und bieten nicht besonders viel Hub, die Bedienung geht aber durchaus in Ordnung. Alle Tasten sind gut lesbar beschriftet und mit einer eindeutigen Funktion versehen, sodass sie keine Rätsel aufgeben.

Auch die Menüs sind gut strukturiert, bieten aber dennoch viele Einstellungen. Das Aufnahmemenü teilt sich in acht durchnummerierte Registerkarten, die jeweils drei bis sechs Einstelloptionen bieten. Ein My-Menu mit bis zu fünf Registerkarten mit jeweils maximal sechs Menüeinträgen erlaubt zudem eine eigene Sortierung der Menüstruktur beziehungsweise ein Abspeichern von bis zu 30 bevorzugten Menüpunkten. Hinzu kommt ein Quick-Menu, das sich im Aufnahmemodus direkt aufrufen lässt und elf wichtige Aufnahmeparameter zum Einstellen anzeigt.

Der rückwärtige Touchscreen lässt sich um 180 Grad zur Seite klappen und um 270 Grad drehen, was Aufnahmen aus allen möglichen und unmöglichen Perspektiven erlaubt. Mit einer maximalen Helligkeit von 860 cd/m² leuchtet der Bildschirm äußerst hell und kommt gut selbst gegen direkte Sonneinstrahlung an. Die Touchfunktion erlaubt nicht nur das Fokussieren auf ein angetipptes Detail, sondern auf Wunsch auch die direkte Auslösung. Zudem ist die Bedienung der Kamera fast komplett über den Touchscreen möglich, wenn man möchte. Nur das Hauptmenü muss über die Taste aufgerufen werden, die Navigation und das Aufrufen der Menüpunkte ist jedoch per Fingertipper als Alternative zur Tastenbedienung möglich. Das Quick-Menu lässt sich auf Wunsch direkt über eine Touch-Schaltfläche aufrufen, auch das Vergrößern der Anzeige zur Kontrolle der Schärfe ist möglich. Hier versteht die M50 interessanterweise im Aufnahmemodus keine Touchgesten zum Zoomen, in der Wiedergabe hingegen schon.

Verwendet man den elektronischen Sucher, kann währenddessen ebenfalls der Touchscreen zum Festlegen des Autofokusfelds verwendet werden. Damit dabei die Nase auf dem Bildschirm nicht stört, lässt sich zudem der aktive Bereich im Menü konfigurieren. Der Sucher selbst aktiviert sich dank Näherungssensor automatisch und bietet mit 2,36 Millionen Bildpunkten ein ausreichend feines Bild. Zudem macht das Sucherbild einen großen Eindruck, allerdings gibt Canon den Vergrößerungsfaktor nicht an. 0,6-fach im Kleinbildäquivalent dürfte es sicherlich sein. Mit Brille hingegen sieht es schon anders aus, damit lässt sich aufgrund des dann größeren Augen-Abstands das Sucherbild nicht mehr komplett überblicken. Wer keinen zu starken Sehfehler hat, sollte daher den Dioptrienausgleich verwenden und die Brille auf die Stirn hochschieben.

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Insgesamt kann man die Bedienung und Ergonomie der Canon EOS M50 als gelungen bezeichnen. Dies trifft auch auf die Schnittstellenausstattung zu. HDMI und USB sind jeweils in der Micro-Variante verbaut, zudem ist ein Klinken-Mikrofonanschluss vorhanden. Während USB und HDMI hinter einer Gummiabdeckung stecken, wirkt die Plastikabdeckung des Mikrofonanschlusses doch etwas billig. Auf der Kameraoberseite befindet sich ein ISO-Systemblitzschuh aus Metall, der nicht nur zum Canon-E-TTL-II-System kompatibel ist, sondern auch über einen Mittenkontakt verfügt, was seit der EOS 2000D und 4000D bei Canon keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

Auf der Unterseite befindet sich das Stativgewinde erfreulicherweise in der optischen Achse. Der Abstand zum Akku- und Speicherkartenfach ist jedoch äußerst gering, sodass nur eine sehr kleine Schnellwechselplatte den Zugang nicht blockiert. Leider lässt sich der Lithium-Ionen-Akku nicht per USB nachladen. Dafür legt Canon eine klassische Ladeschale bei, was sicher den einen oder anderen Käufer freuen wird. Unterwegs wäre die USB-Ladefunktion sehr praktisch. Schade, dass die M50 hier so altbacken ist. Der Lithium-Ionen-Akku reicht nämlich nur für unter 250 Bilder nach CIPA-Standard. Manch knipsfreudiger Fotograf wird damit nicht über den Tag kommen, ein Zweitakku sollte als Anschaffung eingeplant werden.

Immerhin, und das ist in dieser Klasse nicht selbstverständlich, lässt sich per Akku-Dummy ein Netzteil an die Kamera anschließen. Das SD-Kartenfach ist zu SDHC, SDXC und UHS I kompatibel. Die Speichergeschwindigkeit ist in der Praxis mit über 70 MB/s für UHS I auch recht gut, aber angesichts des mickrigen Pufferspeichers auch bitter nötig, dazu später mehr.

Ausstattung

Die Canon EOS M50 bietet sowohl Funktionen für Einsteiger als auch für fortgeschrittene Fotografen. Im Automatikmodus stellt sie alle wichtigen Aufnahmeparameter alleine ein und erkennt sowohl das Motiv als auch Gesichter. Der Autofokus ist sogar in der Lage, auf die Augen zu fokussieren. Wer gerne ein spezielles Motivprogramm für die aktuelle Aufnahmesituation verwenden möchte, findet ebenfalls entsprechende Auswahlmöglichkeiten. Sinnvoll ist hier etwa der Leise-Modus mit elektronischem Verschluss, der leider in den anderen Programmen nicht gewählt werden kann. Darüber hinaus bietet die Canon Kreativfilter, bei denen es sich nicht immer um reine Bildbearbeitungseffekte handelt. Der HDR-Modus beispielsweise nimmt tatsächlich drei unterschiedlich belichtete Fotos auf und verarbeitet diese zu einem Bild mit höherem Kontrastumfang. Die Stärke des Tonemappings kann dabei eingestellt werden. Auch hier gilt: Leider steht der HDR-Modus in anderen Programmen, mit Ausnahme des Gegenlichtprogramms bei den Motivprogrammen, nicht zur Verfügung.

Zum eigentlichen kreativen Austoben dienen die Programme P, Av, Tv und M, in denen der Fotograf je nach Wunsch die Kontrolle über die Belichtungsparameter Blende, Belichtungszeit und ISO-Empfindlichkeit erhält. Sogar im manuellen Aufnahmemodus arbeitet auf Wunsch die ISO-Automatik, selbst die Kombination mit einer Belichtungskorrektur ist möglich. Die Belichtungsreihenfunktion arbeitet mit maximal drei Bildern, die einen Abstand von bis zu zwei Blendenstufen zueinander haben können. Auch hier ist wieder eine Kombination mit der Belichtungskorrektur möglich. Für manuelle HDR-Aufnahmen ist der Bereich jedoch etwas knapp.

Der Autofokus der Canon EOS M50 arbeitet mit Hilfe der Dual-Pixel-Technologie, die sich nun über einen noch größeren Bildbereich erstreckt. Er arbeitet horizontal mit einer 88-prozentigen Abdeckung und vertikal sogar mit einer 100-prozentigen – allerdings aktuell nur mit drei der sieben erhältlichen EF-M-Objektive: dem 18-150mm, 28mm und dem 55-200mm. Hinzu kommt eine ganze Reihe von EF- und EF-S-Objektiven, die relativ einfach adaptiert werden können, aber die Kompaktheit der M50 ad absurdum führen, da sie für DSLRs, teilweise im Kleinbildformat, gebaut sind. Immerhin unterstützt insgesamt die Mehrheit der Objektive die große Abdeckung. Allerdings gibt es auch über 30 Objektive, die "nur" jeweils 80 Prozent der Bildhöhe beziehungsweise Bildbreite beim Dual-Pixel-CMOS-AF nutzen können. Im Prinzip sollte dies jedoch eher weniger Probleme verursachen, denn dermaßen weit am Rand sitzt das Hauptmotiv doch eher selten.

Immerhin löst die M50 innerhalb von 0,3 Sekunden inklusive Fokussierung aus. Das kommt zwar nicht an die schnellsten spiegellosen Systemkameras heran, ist aber dennoch sehr schnell. Die reine Auslöseverzögerung ohne Fokussierung liegt etwa bei 0,05 Sekunden – ebenfalls schnell, aber nicht rekordverdächtig. Möchte man manuell fokussieren, so steht neben der Fokuslupe auch ein Fokuspeaking zur Verfügung. Dabei werden scharfe Kontrastkanten farblich hervorgehoben, was eine sehr gute Fokussierhilfe darstellt.

Der integrierte Pop-Up-Blitz fällt nicht nur mit der Leitzahl von 5,6 etwas mickrig aus. Er muss manuell aufgeklappt werden und bietet nur dann eine Automatik. Immerhin lässt sich auch am Ende der Belichtung blitzen und eine Langzeitsynchronisation sowie eine Blitzbelichtungskorrektur bietet er ebenfalls. Die Ausleuchtung in Bildecken ist bei den 24 Millimetern Kleinbildäquivalent des Setobjektivs nicht besonders gut, die Ränder dunkeln sehr deutlich ab. Dank des Systemblitzschuhs kann man seine M50 jedoch mit TTL-Blitzgeräten von Canon aufrüsten und profitiert nicht nur von einer höheren Leistung und besserer Ausleuchtung sowie indirekten Blitzmöglichkeiten, sondern bei der Anschaffung mehrerer Blitzgeräte sogar von einer Drahtlossteuerfunktion für kreative Lichtsetups. 

Die Serienbildfunktion kann sich mit knapp zehn Bildern pro Sekunde sehen lassen. Allerdings funktioniert die Autofokusnachführung nur bei bis zu 7,4 Bildern pro Sekunde. Jedoch ist der Pufferspeicher äußerst knapp bemessen. Während in JPEG nach immerhin erst 24 Bildern am Stück die Geschwindigkeit einbricht, sind es im Raw-Format nur acht Fotos in schneller Folge. Immerhin speichert die Canon die Daten mit rund 70 MB/s auf eine UHS-I-SDHC- oder SDXC-Karte, sofern diese schnell genug speichern kann. Außerdem blockiert die Kamera die Funktionen nicht während des Speicherns, sodass man trotz des kleinen Puffers stets den Eindruck hat, eine performante Kamera in den Händen zu halten.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.