Lichtstarkes Reportage- & Makro-Objektiv

Testbericht: Canon RF 35 mm 1.8 IS STM

2018-12-10 Mit dem RF 35 mm 1.8 IS STM bietet Canon für sein junges spiegelloses Vollformatsystem ein echtes Multitalent: Es vereint ein lichtstarkes Weitwinkel, ein Reportageobjektiv und ein Makroobjektiv in sich. Zudem handelt es sich um das aktuell kompakteste und leichteste Objektiv für die Canon EOS R. Doch damit nicht genug: Das Objektiv ist mit knapp 550 Euro UVP auch noch das preisgünstigste. Wir haben es uns im Labor- und Praxistest genau angeschaut.  (Benjamin Kirchheim)

Zugegeben, angesichts des Preises muss man ein paar Kompromisse eingehen. So besteht das Gehäuse des 74 mal 63 mm kompakten Objektivs mit Ausnahme des Metallbajonetts aus Kunststoff, was auch auf das 52mm-Filtergewinde zutrifft. Zudem fehlt eine Abdichtung gegen Staub und Spritzwasser, sodass man sicher nicht von einem sehr robusten Reportageobjektiv sprechen kann. Aber die Verarbeitung kann sich dennoch sehen lassen.

Ausstattung

Mit zwei Schaltern und zwei Einstellringen kann sich zudem die Ausstattung sehen lassen. Das Canon RF 35 mm 1.8 IS STM verfügt sogar über einen optischen Bildstabilisator, wie das Kürzel "IS" im Namen bereits andeutet. Dieser funktioniert gewohnt zuverlässig und lässt sich mittels des unteren der beiden Schalter ein- und ausschalten. Zusammen mit der großen Blendenöffnung von F1,8 eignet sich das 35er damit super für (statische) Low-Light-Aufnahmen.

Der zweite Schalter aktiviert beziehungsweise deaktiviert den Autofokus. Bei diesem kommt der STM zum Einsatz, wie ebenfalls das Kürzel in der Objektivbezeichnung verrät. STM steht für Stepping Motor, also einen Schrittmotor, der sich für einen schnellen Autofokus an spiegellosen Systemkameras für Foto- und Videoaufnahmen eignet. Er arbeitet relativ leise, ist aber vor allem im Fotobetrieb nicht unhörbar, denn jeder Richtungswechsel des Drehmoment-starken AF-Antriebs ist zu hören, und davon braucht es zum Fokussieren einige, bis sich der AF an das Motiv "herangetastet" hat. Das geht blitzschnell vonstatten. Dabei fällt auf, dass die Frontlinse sich vor- und zurückbewegt. Ein Kompromiss, der für ein kompaktes Objektiv mit einer geringen, makrotauglichen Naheinstellgrenze nötig ist. Mitdrehen tut sich das Filtergewinde selbstverständlich nicht.

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Die Naheinstellgrenze beträgt lediglich 17 Zentimeter ab Sensorebene, was einem Arbeitsabstand von ca. 6,5 Zentimetern ab Objektivfront entspricht. Das geringste aufnehmbare Bildfeld misst dabei 7,2 mal 4,8 Zentimeter, der Abbildungsmaßstab beträgt 1:2. Das liegt zwar definitiv im Makrobereich, aber heutzutage erwartet man von einem "richtigen" Makroobjektiv eigentlich einen Abbildungsmaßstab von 1:1. Also wieder ein kleiner Kompromiss, den man eingehen muss. Dafür bleibt trotz der geringen Brennweite durchaus noch etwas Abstand zum Motiv, um es ausleuchten zu können. Für Insekten taugt das aber eher weniger, jedenfalls sofern es sich um Fluchttiere handelt. Eine Biene in einer schönen Blüte kann man damit aber beispielsweise ganz gut einfangen, zumal man durch den Weitwinkel auch noch etwas vom Kontext, beispielsweise einer Blumenwiese, sieht. Apropos ausleuchten: Der Canon Speedlite MR-14EX II Makro-Ringblitz passt an das Objektiv.

Möchte man nach "Umlegen" des Schalters am Objektiv manuell fokussieren, so ermöglicht dies der hintere, etwa 1,3 Zentimeter breite geriffelte Ring. Er arbeitet rein elektronisch und überträgt Stellbefehle an den Schrittmotor. Dadurch lässt sich bei langsamen Bewegungen eine langsame Übersetzung realisieren, während der Fokus bei kurzen, aber schnellen Bewegungen größere Bereiche schnell durchfährt. Mit Hilfe der Fokuslupe sowie des Fokuspeakings lässt sich sowohl beim Blick auf den Monitor als auch in den Sucher wunderbar präzise manuell fokussieren.

Der zweite Einstellring sitzt ganz vorne am Objektiv, fällt mit 0,7 Zentimetern deutlich schmaler aus und ist auch feiner geriffelt. Außerdem lässt er sich durch die feine, leider nicht abschaltbare Rastung klar vom Fokusring unterscheiden. Die Funktion dieses Einstellrings kann über das Kameramenü geregelt werden, statt der defaultmäßigen Belichtungskorrektur sind beispielsweise auch die Einstellung der Blende oder ISO-Empfindlichkeit möglich. Sehr praktisch, dass Canon diesen Ring an allen Objektiven anbaut, auch an diesem etwas preiswerteren. Das wertet die Ergonomie der Kamera definitiv auf und "entlastet" die Funktionstasten beziehungsweise sorgt für eine direktere, schnellere Bedienung.

Bildqualität

Der Test des Canon RF 35 mm 1.8 IS STM erfolgte an der 30 Megapixel auflösenden Vollformat-DSLM Canon EOS R, die derzeit alternativlos ist, weil es sich um die einzige Kamera im System handelt. In der Praxis zeigt das Objektiv trotz der neun Blendenlamellen ein mittelmäßiges Bokeh. Die Ränder von Spitzlichtern werden im Unschärfebereich etwas zu hell dargestellt, um so richtig mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Zudem zeigt das Objektiv recht ausgeprägte Blendenreflexe im Gegenlicht. Gekonnt eingesetzt ist das jedoch nicht unbedingt ein Nachteil, manch einer sucht sogar solche Eigenschaften, die den Bildern eine besondere Note geben können. Immerhin leiden die Kontraste bei Gegenlicht dank der Super Spectra Vergütung nicht spürbar, dunkle Bereiche werden nicht überstrahlt. Eine Streulichtblende gehört indes nicht zum Lieferumfang, nicht einmal ein Bajonett dafür bietet das 35er.

Im Labortest erreicht das Canon RF 35 mm 1.8 beachtliche 66 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) bei 50 Prozent Kontrast, allerdings erst auf F8 abgeblendet und nur im Bildzentrum. Bei Offenblende liegt die Auflösung bei 58 lp/mm, ein guter Wert. Am Bildrand wird ein Maximum von knapp 58 lp/mm erreicht, allerdings bereits bei F5,6, beim weiteren Abblenden setzt also die Beugung zuerst der Auflösung am Bildrand und ab F8 der in der Bildmitte ihre Grenzen. Das hat sicherlich damit zu tun, dass die EOS R Beugungsunschärfen mit einer kräftigeren Nachschärfung begegnet, was je nach Blende und "Grundauflösung" unterschiedlich gut klappt. Bei Offenblende hingegen beträgt die Randauflösung solide 42 lp/mm. Damit bewegt sich der Randabfall der Auflösung zwischen akzeptablen 32 Prozent bei F2,0 und sehr guten neun Prozent bei F5,6.

Auch sonst liefert das Canon RF 35 mm 1.8 eine sehr solide, wenn auch keine Spitzenleistung ab, die man angesichts des Preises sicher auch nicht erwartet. Die Randabdunklung ist mit maximal 0,7 Blendenstufen gering und beträgt ab F2,8 nur noch 0,3 Blendenstufen. Die 1,2-prozentige tonnenförmige Verzeichnung (siehe Diagramm aus dem Labortest unten) gleicht die EOS R defaultmäßig nicht aus. Für ein Weitwinkel ist die Verzeichnung damit relativ gering. Wer die Verzeichnung herausrechnen möchte, kann eine entsprechende Option im Kameramenü aktivieren. Das geht allerdings etwas zu Lasten der Details am Bildrand. Die Farbsäume in Form chromatischer Aberrationen waren im Labortest erfreulich gering, was aber auch nicht verwundert, denn diese werden von der Kamera gut auskorrigiert.

Fazit

Das Canon RF 35 mm 1.8 IS STM ist ein schön kompaktes und sehr universell einsetzbares Objektiv. Es war eine weise Entscheidung von Canon, dieses als eines der ersten im noch jungen EOS-R-System anzubieten. Zudem ist es mit rund 500 Euro auch finanziell in erreichbaren Regionen. Dank der Kombination aus Lichtstärke und Bildstabilisator eignet es sich gut für die Fotografie bei wenig Licht, aber auch Landschaftsaufnahmen und die Reportage- (Street-) Fotografie sind ideale Motivwelten für die Weitwinkel-Festbrennweite. Dank der geringen Naheinstellgrenze deckt es in gewissem Maße sogar den Makrobereich ab, zumindest bis zum Maßstab von 1:2. Vor allem Weitwinkel-Makrofans werden an dem 35er sicher ihre Freude haben. Angesichts des Preises waren keine optischen Spitzenleistungen zu erwarten, doch die Bildqualität und damit auch das Preis-Leistungsverhältnis sind gut. Bereits bei Offenblende löst das Objektiv gut auf, die Bildqualität lässt sich aber beim Abblenden, vor allem am Bildrand, noch steigern. Echte Ausrutscher leistet sich das RF 35 mm 1.8 jedenfalls nicht und ist damit eine Empfehlung gerade für das kompakte und leichte "Besteck" unterwegs.

Kurzbewertung

  • Kombination auf Bildstabilisator und Lichtstärke für Fotografie bei geringem Licht
  • Geringe Naheinstellgrenze mit guten Makroeigenschaften
  • Gute Auflösung, vor allem etwas abgeblendet
  • Relativ kompakt und leicht
  • Blendenreflexe im Gegenlicht
  • Trotz neun Lamellen nicht allzu cremiges Bokeh
  • Randauflösung bei Offenblende nicht allzu hoch
  • Kein Spritzwasser- und Staubschutz

Canon RF 35 mm 1.8 IS STM mit Canon EOS R (v6.0)

Verzeichnung

Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.

Hersteller Canon
Modell RF 35 mm 1.8 IS STM
Unverbindliche Preisempfehlung 549,00 €
Bajonettanschluss Canon RF
Brennweite 35,0 mm
Lichtstärke (größte Blende) F1,8
Kleinste Blendenöffnung F22
KB-Vollformat ja
Linsensystem 11 Linsen in 9 Gruppen
Anzahl Blendenlamellen 9
Naheinstellgrenze 170 mm
Bildstabilisator vorhanden ja
Autofokus vorhanden ja
Wasser-/Staubschutz nein
Filtergewinde 52 mm
Abmessungen (Durchmesser x Länge) 74 x 63 mm
Objektivgewicht 298 g

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