Lichtstarkes Telezoom

Testbericht: Nikon AF-S 70-200 mm 1:2.8E FL ED VR

2017-03-04 Im vergangenen Jahr brachte Nikon mit dem AF-S Nikkor 70-200 mm 1:2.8E FL ED VR einen modernisierten und deutlich verbesserten Nachfolger des AF-S 70-200 mm 2.8 G ED VR II auf den Markt, der allerdings auch stark im Preis gestiegen ist und nun die 3.000-Euro-Schallmauer durchbricht. Dafür verspricht Nikon Verbesserungen bei der Abbildungsleistung, dem Autofokus und Bildstabilisator sowie der Ergonomie. Ob sich diese Versprechungen bewahrheiten, zeigt unser Labor- und Praxistest.  (Benjamin Kirchheim)

Ergonomie und Verarbeitung

Kleiner und leichter soll das AF-S Nikkor 70-200 mm 1:2.8E FL ED VR gegenüber dem Vorgängermodell geworden sein. Angesichts einer Länge von über 20 Zentimetern und fast 1,5 Kilogramm auf der Waage machen sich die eingesparten sechs Millimeter Länge und 100 Gramm Gewicht jedoch kaum bemerkbar. So ein 70-200 Millimeter mit einer durchgehenden Lichtstärke von F2,8 verlangt nunmal einiges an Glas, vor allem wenn es sich um ein modernes Objektiv mit innenliegendem Zoom und Fokus handelt, wie es hier der Fall ist. Zusammen mit unserer Testkamera, der bildqualitätsmäßig im Nikon-System immer noch führenden D800E, drückt die Kombination betriebsbereit etwa 2,5 Kilogramm auf die Waage, liegt dabei aber gut und satt in der Hand beziehungsweise besser den Händen.

Ergonomisch soll sich auch etwas getan haben, was beim Vergleich zum Vorgängermodell AF-S 70-200 mm 2.8 G ED VR II sofort auffällt: Zoom- und Fokusring haben die Plätze getauscht, das heißt der Zoomring ist nun vorne und der Fokusring hinten zu finden. Damit ist die Position identisch zu anderen Objektiven von Nikon, wie den drei Festbrennweiten AF-S 400 mm 1:2.8 E FL ED VR, AF-S 500 mm 1:4E FL ED VR und AF-S 600 mm 1:4E FL ED VR; bei allen sitzt der Fokusring direkt vor den Schaltern und dem Fokusentfernungsanzeigefenster, über das auch das AF-S 70-200 mm 1:2.8E FL ED VR verfügt.

Der Objektivtubus besteht teilweise aus Metall und teilweise aus Kunststoff, um Gewicht zu sparen. Vor allem der hintere Bereich ist besonders robust aus Metall, inklusive dem Bajonett und der Stativschelle, gefertigt. Am Bajonett befindet sich zudem eine Gummilippe, die das Eindringen von Staub und Spritzwasser verhindert; auch das Objektiv selbst verfügt über entsprechende Schutzmaßnahmen. Die Stativschelle lässt sich stufenlos drehen und arretieren, in 90-Grad-Winkeln sind Markierungen zur Orientierung aufgebracht. Der drehbare Ring der Schelle ist fest mit dem Objektiv verbunden, der L-förmige Fuß hingegen lässt sich einfach demontieren. Der Fuß verfügt über zwei 14"-Stativgewinde, auch der Ring am Objektiv verfügt über ein Stativgewinde, so dass das Objektiv auch ohne den Fuß auf ein Stativ geschraubt werden kann. Leider fehlt dem L-Fuß ein Arca-Swiss-kompatibler Anschluss, der sich, wie andere Hersteller zeigen, problemlos einarbeiten lässt und damit eine Schnellwechselplatte erspart.

Ausstattung

Vier Schalter und vier Tasten befinden sich am Objektiv. Die Schalter liegen vor dem Stativanschluss und hinter dem Fokusring. Sie erlauben die Einstellung der Fokusart (A/M, M/A und M), des Fokusbegrenzers (Full und unendlich bis fünf Meter), des optischen Bildstabilisators (aus, normal und Sport) und der Funktion der vier Tasten, die im 90-Grad-Winkel vor dem Fokusring angeordnet sind. Die Tasten besitzen alle dieselbe Funktion und können wahlweise als AF-On- oder AF-L-Tasten fungieren, oder man schaltet sie funktional aus.

Der Autofokus des 70-200 packt rasant zu und fokussiert leise wie zuverlässig sein Ziel. Die Naheinstellgrenze beträgt lediglich 1,1 Meter, was 85 Zentimeter ab Frontlinse entspricht. Damit lässt sich ein maximaler Abbildungsmaßstab von 1:4,8 realisieren. Das entspricht einem Bildfeld von 17,3 mal 11,5 Zentimetern. Als Porträtobjektiv verwendet, lassen sich damit problemlos Gesichtsausschnitte auf den Speicherchip bannen. Der Bildstabilisator arbeitet zuverlässig und erlaubt in der Praxis locker drei Belichtungsstufen längere Belichtungszeiten als ohne Stabilisator.

Bildqualität

Nikon hat das 70-200 mit einer Nanokristallvergütung versehen, die in der Praxis exzellente Dienste leistet. Selbst im Gegenlicht, egal ob mit Sonne im Bildfeld oder knapp außerhalb, gibt es praktisch keine Einbußen beim Kontrast oder störende Blendenreflexe. Man könnte sich glatt fragen, warum Nikon noch eine Sonnenblende mitliefert, die sich übrigens selbstverständlich zum Transport verkehrt herum aufsetzen lässt und richtig herum montiert als guter Anstoßschutz dienen kann. Das Filtergewinde misst übrigens 77 Millimeter. Die Blende verfügt über neun Lamellen und wird elektromagnetisch gesteuert, was zu einer höheren Genauigkeit bei der Belichtung führt, allerdings mit älteren SLRs von Nikon nicht kompatibel ist. Wer eine halbwegs moderne DSLR von Nikon besitzt, muss sich aber keine Sorgen machen. Das Bokeh geht in Ordnung, nur eng beieinanderliegende Spitzlichter oder viele punktuelle Reflexionen verträgt das Bokeh nicht so gut, es wirkt dann etwas unruhig; schließlich ist das 70-200 kein ausgesprochenes Porträtobjektiv. In der Schärfeebene zeigt sich in der Praxis eine hervorragende Bildqualität. Das 70-200 ist bei allen Blenden knackscharf bis zum Bildrand und zeigt bis auf ein wenig kissenförmige Verzeichnung praktisch keine optischen Fehler. Die Neurechnung, bestehend aus 22 Elementen in 18 Gruppen, die sechs ED-Linsen, eine Fluoritlinse und eine HRI-Linse beinhaltet, hat sich offensichtlich gelohnt.

Der Test im digitalkamera.de-Labor (ausführlich gegen ein kleines Entgelt über die weiterführenden Links abrufbar) bestätigt diesen Praxiseindruck. Von F2,8 bis F11 löst das AF-S 70-200 mm 1:2.8E FL ED VR bei 50 Prozent Kontrast über 60 Linienpaare pro Millimeter auf (siehe Diagramm aus dem Labortest unten), und zwar sowohl in der Bildmitte, als auch am Bildrand sowie bei allen gemessenen Brennweiten. Begrenzt wird die Auflösung beim Abblenden lediglich durch die Beugung, die jenseits von F11 langsam einsetzt, aber selbst bei F22 noch Auflösungen von um die 50 Linienpaaren pro Millimeter zulässt.

Die maximale Randabdunklung liegt bei 0,6 Blendenstufen (35 Prozent Lichtverlust) und wird bei 200 Millimeter und Offenblende erreicht. Bei kürzer Brennweite beträgt die Randabdunklung lediglich 0,4 Blendenstufen (25 Prozent). Beim Abblenden um eine Stufe halbiert sich die Randabdunklung von kaum auf praktisch nicht mehr sichtbar. Farbsäume sind allenfalls im Labor messbar, sie bewegen sich nämlich selbst in den Bildecken im minimalsten Bereich. Was schon in der Praxis als Bildfehler auffiel bestätigt sich im Labor: Das AF-S 70-200 mm 1:2.8E FL ED VR zeigt bei mittlerer und langer Brennweite eine sichtbare kissenförmige Verzeichnung von rund 1,5 Prozent.

Fazit

Mit dem AF-S Nikkor 70-200 mm 1:2.8E FL ED VR hat Nikon einen echten Kracher auf den Markt gebracht. Die neue optische Rechnung mit sechs ED-Linsen, einer Fluoritlinse sowie einer HRI-Linse sorgt für eine knackscharfe Abbildungsleistung vom Bildzentrum bis zum Bildrand bereits ab Offenblende. Das Telezoom ist robust gebaut und ergonomisch den Festbrennweiten angepasst, sodass der Fotograf die Bedienelemente in Relation zur Objektivgröße an derselben Stelle wiederfindet, was das Fotografieren mit wechselnden Objektiven erleichtert. So kann man sich besser auf das Motiv konzentrieren. Mit Ausnahme von einer kissenförmigen Verzeichnung zeigen sich zudem praktisch keine optischen Fehler. Der schnelle Autofokus sowie der optische Bildstabilisator tragen ihren Teil zum hervorragenden Gesamteindruck bei. Nur der Preis von gut 3.000 Euro tut etwas weh, ist angesichts der Leistung jedoch durchaus gerechtfertigt.

Kurzbewertung

  • Sehr hohe Auflösung, selbst bei Offenblende sowie am Bildrand
  • Dank Nanokristallvergütung unempfindlich für Gegenlicht
  • Schneller und leiser Autofokus
  • Robuste Bauweise
  • Effektiver Bildstabilisator
  • Kissenförmige Verzeichnung bei mittlerer und langer Brennweite
  • Hoher Preis
  • Stativschelle nicht Arca-Swiss-kompatibel

Nikon AF-S 70-200 mm 2.8E FL ED VR mit Nikon D800E (v6.0)

Auflösung MTF


D800E

F2,8F4,0F5,6F8,0F11,0F16,0F22,0
70 mm62 / 62,5 (0 %)61,9 / 60,3 (3 %)62,6 / 66,1 (0 %)64,8 / 66,5 (0 %)65,5 / 64,1 (2 %)62,7 / 59,2 (6 %)54,4 / 48,7 (10 %)
125 mm68,2 / 67,6 (1 %)69 / 63,8 (8 %)68,9 / 66,4 (4 %)68 / 66,6 (2 %)66,5 / 64,6 (3 %)62,7 / 60,6 (3 %)53,4 / 51 (4 %)
200 mm64,1 / 68,1 (0 %)67,3 / 64,7 (4 %)64,3 / 60,9 (5 %)64,8 / 61,7 (5 %)63,2 / 59,8 (5 %)60,3 / 56,5 (6 %)52,8 / 48,4 (8 %)

Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.

Hersteller Nikon
Modell AF-S 70-200 mm 2.8E FL ED VR
Unverbindliche Preisempfehlung 3.179,00 €
Bajonett Nikon F
Brennweitenbereich 70-200 mm
Lichtstärke (größte Blende) F2,8 (durchgängig)
Kleinste Blendenöffnung F22
Linsensystem 22 Linsen in 18 Gruppen
inkl. ED und asphärische Linsen
KB-Vollformat ja
Anzahl Blendenlamellen 9
Naheinstellgrenze 1.100 mm
Bildstabilisator vorhanden ja
Autofokus vorhanden ja
Wasser-/Staubschutz ja
Filtergewinde 77 mm
Abmessungen (Durchmesser x Länge) 89 x 203 mm
Objektivgewicht 1.430 g

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.