Grenzenlose Perspektiven

Panorama-Workshop

2004-02-01 Die von Panoramabildern ausgehende Faszination beruht auf dem Gegensatz zwischen unserem natürlichen Gesichtsfeld, das einen Blickwinkel von ca. 170° umfasst, und jeglicher Art von gerahmtem Bild, das doch immer nur einen begrenzten Ausschnitt wiederzugeben vermag. Der "panoramatische Blick" strebt über jegliche Rahmung und Begrenzung hinaus (A. Koschorke), denn der Betrachter möchte wie im wirklichen Leben "mitten drin" stehen: Panoramabilder spielen mit der Illusion des "begehbaren", virtuellen Bildraums. Damit diese Illusion sich einstellt, müssen einige Vorbedingungen erfüllt sein, die in diesem Workshop so erläutert werden, dass Interessierte mit den besonderen Anforderungen der Panoramafotografie praxisnah vertraut gemacht werden.  (Dr. Bernd Schäbler)

  Harzvorland [Foto: Dr. Bernd Schäbler]

Bereits 1999, als dieser Panoramaworkshop zum ersten Mal erschien und die Digitalfotografie sich gerade anschickte, den Markt zu erobern, gab es drei Themenschwerpunkte: die Aufnahme von Einzelbildern mit einer Digitalkamera und die Hilfsmittel und speziellen technischen Kniffe und Regeln, die man kennen sollte; die Weiterverarbeitung mit Spezialsoftware, so genannten Stitcher-Programmen, zu denen mittlerweile zahlreiche neue hinzu gekommen sind, und der Ausdruck bzw. die Belichtung auf Papier sowie die Präsentation auf dem Bildschirm über Viewer oder die Einbindung in HTML-Seiten.

Das nahtlose Zusammenfügen von Bilddateien zu einem Panorama setzt voraus, dass die Einzelbilder von einem Stativ mit genau senkrecht stehender Mittelachse aufgenommen werden. Damit das Zusammenrechnen funktioniert, müssen sich die Einzelbilder etwa 30 % überlappen, und für die Berücksichtigung dieser Überlappungszonen sind manche Kameras bereits mit Panoramafunktionen ausgestattet (siehe weiterführende Links). Besitzen Kameras dieses Hilfsmittel nicht, kann andererseits die Belichtungsspeicherung nützlich sein, die Belichtung über die ganze Drehung hinweg konstant zu halten. Mit Hilfe einer Gradeinteilung am Stativ wird die Kamera stufenweise weiter gedreht; nach Messung der hellsten und dunkelsten Stellen bildet man einen Mittelwert und führt dann die Kamera genau horizontal um die eigene Achse herum (siehe weiterführenden Link). Will man bzw. muss man auf kameraseitige Unterstützung gänzlich verzichten, ist darauf zu achten, dass der ISO-Wert sich nicht verändert und automatischer Weißabgleich sowie Autofokus deaktiviert sind (siehe weiterführenden Link). Insbesondere der evtl. von Bild zu Bild automatisch angepasste Weißabgleich kann beim Sitchen zu unschönen und nur schwer retuschierbaren Farbfehlern führen.

Digitale Panoramafotografie bietet gegenüber der analogen den Vorteil einer höheren Flexibilität. So kann der Fotograf zwischen der zylindrischen, der sphärischen und der kubischen Projektion wählen. Erstere erfordert eine horizontale Bildreihe (Singlerow), die zweite – je nach verwendeter Brennweite (siehe weiterführenden Link) – zwei oder mehrere vertikal versetzte Bildreihen (Multirow), die – entsprechend verformt – das Innere einer Kugel auszukleiden scheinen; und die Kubische ähnelt im Effekt der Sphärischen, nur werden hier die sechs Innenseiten eines Würfels nahtlos bebildert, wodurch sich bei beiden gegenüber der zylindrischen Projektion ein Blickwinkel von max. 360° in der Horizontalen und 180° in der Vertikalen ergibt.

Neben der Ermittlung der Anzahl der Aufnahmen – abhängig von Brennweite und Ausrichtung der Kamera (Hoch-/Querformat) – ist der so genannte Nodal- oder Knotenpunkt (siehe weiterführenden Link) von ausschlaggebender Bedeutung, da der Drehpunkt des Stativkopfes mit dem optischen Zentrum der Kamera-Objektiv-Einheit identisch sein muss, um Parallaxefehler zu vermeiden. Wie man diesen Knotenpunkt ermittelt und welche Hilfsmittel es gibt, die Kamera auf dem Stativkopf zu justieren, wird in zwei Beiträgen detailliert beschrieben (sie weiterführende Links).

  St.Peter-Ording [Foto: Dr. Bernd Schäbler]

Weil für ein Vollpanorama je nach Schwenkrichtung sehr unterschiedliche Helligkeitswerte gemessen werden, muss ein Ausgleich mit Hilfe von Belichtungsreihen geschaffen werden; auch ein manuell eingegebener Belichtungsmittelwert kann Differenzen ausgleichen (siehe weiterführenden Link). Doch nicht alles lässt sich kompensieren: Schnell dahin ziehende Wolken, sich bewegende Objekte oder Personen, rasche Licht- und Schattenwechsel sind ungünstige Voraussetzungen und sollten besser gemieden werden (siehe weiterführenden Link). Nicht immer zu vermeiden ist die Neigung der Kamera, wenn z. B. von einer Anhöhe aus die Einzelbilder erstellt werden. Hier müssen Bild für Bild stürzende Linien zunächst ausgeglichen werden, es sei denn man benutzt ein Stitcher-Programm, das mit einem Neigungswinkel aufgenommene Bilder verarbeiten kann (siehe weiterführenden Link).

Die Spezialprogramme zur Zusammenfügung der Einzelbilder – von denen die wichtigsten im 2. Teil (siehe weiterführenden Link) vorgestellt werden – sind heute wesentlich flexibler und vielseitiger als noch vor Jahren. Viele Stitcher verfügen über einen automatischen wie auch manuellen Verarbeitungsmodus, einige eignen sich gut für Aufnahmen ohne Stativ und bieten zahlreiche Korrekturmöglichkeiten, und es können mit einem Neigungswinkel aufgenommene Bilder verwendet werden. Des weiteren kann man zwischen zylindrischer, kubischer und sphärischer Projektion wählen, zuschaltbare Freeware-Zusatzmodule wie Enblend und Autopano erleichtern und optimieren den Verrechnungsprozess, und schließlich bieten viele Programme auch gute Hilfestellungen bei der Ausgabe der Panoramabilder: Speicherung in diversen Dateiformaten, Ausdruck von Einzelbildern oder von Bildteilen, die zu Vollbildern zusammengefügt werden, Vorbereitung für die Präsentation auf einer Website, bis hin zum fertigen HTML-Code und der Javascript-Unterstützung, die nur noch geringfügig angepasst zu werden brauchen. Wem die "Begehbarkeit" des Einzelpanoramas nicht genügt, der kann über Hotspots mehrere Panoramen zu einer virtuellen Tour verbinden. Auch hierzu sind normale Stitcher-Programme geeignet, oder man bedient sich spezieller Software für die Erstellung virtueller Touren, die auch als eigenständige Animationen gespeichert werden können.

  St.Peter-Ording [Foto: Dr. Bernd Schäbler]

Detailliert wird auf die Ausgabe von Bildern im Druckverfahren – mit Tintenstrahldruckern oder durch Ausbelichtung im Fotolabor– bzw. die interaktive Präsentation der Panoramabilder auf Websites in den beiden abschließenden Beiträgen im 3.Teil eingegangen. Da nur wenige Hersteller von Druckern auch geeignete Papierformate für weitwinklige Panoramabilder liefern, muss man mit vorhandenen Papiergrößen vorlieb nehmen und per Bildbearbeitungssoftware den zur Verfügung stehenden Raum optimal nutzen (siehe weiterführenden Link). Mehr Freiheiten bietet die Präsentation von interaktiven Panoramen mittels spezieller Browser-Plugins oder JavaScript-Applets auf Webseiten bzw. in Vollbildansicht mit speziellen Panorama-Viewern als Standalone-Lösungen (siehe weiterführenden Link). Durch Schwenks in alle Richtungen, durch Zoomen auf Bilddetails und anschließend die Rückkehr zur Totalen wird dem Betrachter der virtuelle Raum, das begehbare Bild, zugänglich gemacht.

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