Ultraweitwinkel-Powerzoom

Testbericht: Sony FE 16-35 mm F4 G PZ (SELP1635G)

2022-03-22 Das Sony FE 16-35 mm F4 G PZ (SELP1635G) ist bereits das dritte 16-35mm-Objektiv im Sony-E-System. Dennoch weiß es sich durch sein geringes Gewicht, die kompakten Abmessungen und die elektrisch einstellbare Brennweite vom 16-35 F2.8 GM und 16-35 F4 Zeiss zu unterscheiden. Wie es das Powerzoom – erstmals übrigens mit so geringer Brennweite beziehungsweise so großem Bildwinkel – nahelegt, hat Sony nicht nur Fotografen im Blick, sondern vor allem auch Videografen. Allerdings muss man dafür ziemlich tief in die Tasche greifen. Ob dafür Verarbeitungsqualität und Bildqualität stimmen, klären wir im ausführlichen Praxistest an der Sony Alpha 7 IV und Labortest an der Alpha 7R III.  (Benjamin Kirchheim)

Verarbeitung

Huch? Mit 355 Gramm ist das Sony FE 16-35 mm F4 G PZ ein echtes Federgewicht, wiegt doch das Zeiss 16-35 über 500 Gramm und das GM sogar fast 700 Gramm. Auch die Abmessungen mit einer Länge von lediglich 8,8 und einem Durchmesser von nur 8,1 Zentimetern sind erstaunlich kompakt. Das Zeiss ist zwar drei Millimeter schlanker, aber auch über einen Zentimeter länger, das GM ist sogar deutlich größer mit fast einem Zentimeter mehr Durchmesser und über drei Zentimetern mehr Länge. Dabei greift Sony nicht einmal auf den Trick eines ein- und ausfahrbaren Zoommechanismus zurück, ganz im Gegenteil: Das Objektiv ändert seine Länge weder beim Zoomen noch beim Fokussieren. Auch bei keinem anderen Hersteller lässt sich ein derart leichtes und kompaktes 16-35mm-Obnjektiv finden, das nächstschwerere wiegt gleich 500 Gramm.

Hält man das Sony FE 16-35 mm F4 G PZ aber in der Hand, fühlt es sich nicht besonders hochwertig an. Ohne den Preis zu kennen, wurde er anhand der Haptik von verschiedenen Redaktionsmitarbeitern zwischen 450 und 800 Euro geschätzt. Tatsächlich kostet das Objektiv mit 1.500 Euro aber das Zwei- bis Dreifache. Kurzum: Das Gehäuse besteht samt der Bedienelemente komplett aus Kunststoff, der sich nicht sonderlich hochwertig anfühlt (dabei mag das geringe Gewicht mit hineinspielen). Es ist dem Preis von 1.500 Euro absolut nicht würdig. Das Geld muss also woanders stecken, hoffentlich jedenfalls. Lediglich das Metallbajonett und die Dichtungen sorgen für etwas Robustheit, auch wenn Sony betont, dass sie keinen vollständigen Schutz vor dem Eindringen von Staub und Spritzwasser bieten. Da keine Teile ein- und ausfahren, sollte sich zudem der "Luftpumpen"-Effekt in Grenzen halten, lediglich im Inneren werden Linsen hin und hergeschoben, um den Bildwinkel und den Fokus einzustellen.

Auch wenn sich die Frontlinse, die mit einer schmutzabweisenden Fluorbeschichtung versehen ist, sichtbar im Zentrum nach außen wölbt, verfügt das 16-35 PZ über ein klassisches Filtergewinde, das mit 72 Millimetern sogar relativ klein ausfällt. Dadurch lassen sich problemlos Schraubfilter verwendet, wobei man jedoch angesichts des Kunststoffgewindes vorsichtig damit umgehen sollte. Ein Außenbajonett für eine Streulichtblende ist ebenfalls vorhanden. Die passende Blende gehört zum Lieferumfang und besteht wie das Objektiv aus Kunststoff. Sie ist tulpenförmig und innen mattiert. Die 9,6 Zentimeter große, im Maximum lediglich 2,1 Zentimeter über die Objektivfront ragende Blende rastet sauber ein und lässt sich zum Transport verkehrt herum montieren. Apropos Transport: ein innen mit samtiger Mikrofaser versehener Kunstlederbeutel gehört ebenfalls zum Lieferumfang.

Zoom

Beim Sony FE 16-35 mm F4 G PZ handelt es sich – erstmals bei einem so großen Bildwinkel – um ein Powerzoom. Es gibt keine mechanische Kopplung zwischen Zoomeinstellung und Zoomring beziehungsweise Zoomwippe, die beide eine Einstellung der Brennweite erlauben. Dabei kommen XD-Linearmotoren zum Einsatz, die völlig lautlos arbeiten. Verwendet man den 16 Millimeter breiten, elektronischen Zoomring, der für eine bessere Griffigkeit auf einer Breite von 13 Millimetern mit einer geriffelten Gummierung versehen ist, stellt sich dementsprechend kein mechanisches Zoomgefühl ein. Man merkt, dass der Motor minimal verzögert arbeitet. Immerhin ist die Drehgeschwindigkeit an die Zoomgeschwindigkeit gekoppelt, man kann also wahlweise schnell und langsam zoomen. Je schneller man zoomt, desto mehr stellt sich das entkoppelte Gefühl ein, während man bei langsamer Drehung ein gutes Gefühl für die Brennweite bekommt.

Alternativ zum Zoomring kann auch eine Zoomwippe an der linken Seite verwendet werden. Diese reagiert ebenfalls sehr feinfühlig und je nachdem, wie weit man sie aus der Nullstellung bewegt, wird das Zoom langsam oder schnell angesteuert. Zusätzlich lässt sich im Menü der Alpha 7 IV einstellen, wie schnell der Zoommotor arbeiten soll. Damit sind äußerst gleichmäßige und langsame Zoomfahrten möglich. Außerdem kann das Zoom per Fernbedienung gesteuert werden. Sogar an eine separate Zoomgeschwindigkeitseinstellung hat Sony gedacht. Diese ist aber nur in den Kameras mit der neuen Menüstruktur verfügbar, also beispielsweise in unserer Testkamera Alpha 7 IV. Bei der Labortestkamera Alpha 7R III hingegen lässt sich die Zoomgeschwindigkeit nicht so fein und getrennt nach Bedienelementen einstellen.

Mit einem elektrischen Zoom geht leider auch der Verlust einer mechanischen Brennweitenanzeige verloren. Das 16-35 PZ besitzt auch kein Display, wie es andere Hersteller bei manchen Objektiven bieten, etwa Zeiss, Nikon und Canon. Stattdessen wird die Brennweite im Livebild eingeblendet. Diese arbeitet zwar auf den Millimeter genau, angesichts der geringen Brennweite und der feinfühligen Steuermöglichkeit wäre aber eine Nachkommastelle hilfreich gewesen, denn zwischen 16 und 17 Millimetern Brennweite ist verändert sich der Bildwinkel viel stärker als beispielsweise zwischen 100 und 101 Millimetern.

Fokus

Auch zur Fokussierung kommen XD-Linearmotoren zum Einsatz, die völlig lautlos und sehr flott arbeiten. Unterhalb der Zoomwippe befindet sich der übliche AF-MF-Schalter, mit dem auf manuelle Fokussierung umgeschaltet werden kann. Diese erfolgt ebenfalls über einen zwölf Millimeter breiten, elektronisch arbeitenden Ring, der auf einer Breite von neun Millimetern mit einer griffigen Gummiriffelung versehen ist. Der sehr leichtgängige Ring arbeitet linear, was vor allem Videografen freuen dürfte. Dank der großen Stellwege kommen aber auch Fotografen sehr gut damit klar, denn die Entfernung lässt sich sehr feinfühlig einstellen. Mit einer 3/8 weiten Drehung lässt sich der gesamte Fokusbereich durchfahren.

Hierbei wird ebenfalls eine Entfernungsanzeige eingeblendet, die im Nahbereich unterhalb eines Meters immerhin mit einer Nachkommastelle arbeitet. Aber auch hier wäre eine genauere Anzeige sehr hilfreich, denn vor allem im Bereich von 0,4 und 0,3 Metern bewegt sich der Balken der Fokusanzeige über eine weite Strecke, ohne dass sich die Zahl selbst ändert. Auch hier fehlt eine weitere Nachkommastelle. Als Fokushilfen bietet die Kamera neben einer Vergrößerung auch das übliche Fokuspeaking. Letzteres arbeitet aber wie üblich nicht ganz so genau wie die Lupe, wenn es also auf Präzision und perfekte Fokussierung auch bei hoher Auflösung und starker Vergrößerung ankommt, würden wir immer den Autofokus oder die manuelle Fokuslupe dem Fokuspeaking bevorzugen.

Die Naheinstellgrenze ändert sich abhängig von der Brennweite, aber interessanterweise genau umgekehrt als normalerweise üblich. Sprich: Je länger die Brennweite, desto geringer die Naheinstellgrenze. Diese sinkt laut technischen Daten von 28 Zentimetern beim 16 Millimetern Brennweite auf 24 Zentimeter bei 35 Millimetern Brennweite. Der maximale Abbildungsmaßstab soll 1:4,35 betragen (0,23-fach). Tatsächlich gemessen haben wir eine Naheinstellgrenze von 23,5 Zentimetern ab Sensorebene bei 16 Millimetern Brennweite, der Abstand von der Objektivfront beträgt dabei 13 Zentimeter. Als minimales Bildfeld haben wir 22,8 mal 15,2 Zentimeter gemessen, was einem Abbildungsmaßstab von 1:6,3 entspricht. Bei maximaler Brennweite von 35 Millimetern haben wir eine Naheinstellgrenze von 22,5 Zentimetern ab Sensorebene und zwölf Zentimetern ab Objektivfront ermittelt. Das minimale Bildfeld haben wir mit 13,6 mal 9,1 Zentimetern gemessen, was einem Abbildungsmaßstab von 1:3,8 entspricht. Tatsächlich verringert sich also die Naheinstellgrenze mit zunehmender Brennweite, die in der Praxis ermittelten Werte sind jedoch deutlich besser als von Sony versprochen. Dies dürfte aufgrund von Toleranzen je nach Exemplar minimal variieren, weshalb die Hersteller auch eher vorsichtige Angaben machen.

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.