Spiegellose Systemkamera, Systemkamera

Testbericht: Leica T (Typ 701)

2014-09-06 Tradition trifft Moderne: Mit der T (Typ 701) bringt Leica erstmals eine spiegellose Systemkamera. Sie ist sogar zeitgemäß ausgestattet. „Zeitgemäß“, das heißt vor allem: Autofokus statt manuellem Fokus nach dem Messsucherprinzip. Modern ist auch das Bedienkonzept der Leica T, die weitgehend über einen üppig bemessenen Touchscreen bedient wird. Das Design folgt hingegen der Leica-Tradition, wobei die typische Formsprache neu interpretiert wurde. Herausgekommen ist dabei eine edle Kamera, die sich zeitlos schick präsentiert. In der Vitrine macht die Leica T zweifelsohne eine gute Figur. Doch gilt das auch im fotografischen Alltag? digitalkamera.de geht der Frage nach, wie sich Leicas neues Kamerasystem in der Praxis und im Testlabor schlägt.  (Martin Vieten)

Ergonomie und Verarbeitung Diese Kamera ist anders, das zeigt schon ein Blick auf das Preisschild der Leica T. 1.500 Euro möchte das Traditionsunternehmen für die T (Typ 701) haben. Die hat beim Blick auf die Ausstattungsliste nicht einmal sonderlich viel zu bieten: Einen APS-C-Sensor mit 16 Megapixel Auflösung gibt es vom Hersteller aus Fernost bereits für einen Drittel des Kaufpreises. Doch wer die Leica T aus der sehr aufwändigen Verpackung schält, spürt sofort, warum diese Kamera etwas mehr kostet: Mit knapp 400 Gramm Leergewicht ist die Leica T ungewöhnlich schwer. Kein Wunder, wird das Gehäuse doch aus einem Block Aluminium gefräst und anschließend 45 Minuten lang in Handarbeit geschliffen und poliert. Dabei entsteht dann eine Kamera, deren glatten Front und Rücken von kaum einem Bedienelement verunstaltet wird. Weil das sehr üppige 3,7-Zoll-Display ordentlich Platz benötigt, fällt die Leica T für eine APS-C-Kamera ungewöhnlich groß aus. In der Fototasche mag das stören, im Einsatz dagegen wirkt die Leica T alles andere als klobig. Die mächtige Griffwulst lässt die Kamera sicher in der Hand liegen, obwohl hier keine Belederung für zusätzlichen Halt sorgt. Wer den wünscht, kann die Leica T in eine Microfaserhülle packen, die es in gleich vier ansprechenden Farben gibt. Doch dann verliert die T (Typ 701) zweifelsohne viel von ihrer kühlen Eleganz, die das polierte Aluminium ausstrahlt. Sollte einem dieser Metall-Look nicht zusagen, erhält man die Leica T auch in einer schwarzen Ausführung.

Bereits bevor man die Leica T eingeschaltet hat, fällt auf, mit wie wenigen Bedienelementen sie auskommt. Es gibt eigentlich nur den Auslöser, der von einem Hauptschalter umfasst ist sowie zwei nicht beschriftete Einstellräder. Das Konzept hat frappierende Ähnlichkeit mit der NEX-7 von Sony, überhaupt zitiert das Design der Leica T auch deren Formsprache. Auf dem Kamerarücken ist dann aber schon wieder Schluss mit dieser Anlehnung an die Sony-Kamera: Die Rückseite der Leica T ist glatt wie ein Smartphone. Sie wird beherrscht von einem hoch-auflösenden Display, das sich leider weder klappen noch schwenken lässt. Die rechte Seite der Kamera beherbergt eine Klappe, unter der ein Speicherkartenfach sowie die USB-Schnittstelle liegen. Auf einen HDMI-Anschluss verzichtet die Leica T allerdings. Dieser Verzicht erschwert die unkomplizierte Wiedergabe auf einem TV-Gerät – da hat Leica etwas arg gespart. Dafür ist die T (Typ 701) mit einem internen Massenspeicher ausgestattet, der 16 Gigabyte Kapazität bietet. Im Regelfall kann man es sich also durchaus sparen, eine SD-Karte einzustecken – eine pfiffige Idee, die durchaus auch bei anderen Herstellern Schule machen darf. Hat man doch eine SD-Karte in die Kamera eingelegt, lassen sich Aufnahmen aus dem internen Speicher auf die Karte kopieren oder verschieben, ein Backup ist so schnell angelegt.

Selbst bei der Unterseite der Kamera haben sich die Designer noch richtig Mühe gegeben. So gibt es kein Scharnier für das Akkufach, dessen Deckel ist vielmehr auf den Akku selbst aufgesetzt. Auch diese Idee ist pfiffig, wenngleich sich die Kamera nicht verschließen lässt, solange der Akku im beigepackten Ladegerät geladen wird. Wem das suspekt erscheint, kann den Akku aber auch via USB-Schnittstelle laden, wobei er in der Leica T verbleibt. Das Stativgewinde haben die Ingenieure von Leica leider nicht in der optischen Achse untergebracht. Immerhin ist es so gerade noch weit genug vom Akkufach entfernt, dass sich der Energiespender auch bei angesetzter kleiner Schnellwechselplatte entnehmen lässt.

Der weitgehende Verzicht auf Bedienelemente beschert der Leica T also ein klares, glattes Design. Wie aber lässt sich eine Kamera bedienen, die praktisch ohne Knöpfchen, Regler und Schalter auskommt? Zunächst einmal muss man sich in Geduld üben – die Leica T benötigt gut drei Sekunden, bis sie nach dem Einschalten startklar ist. Dann präsentiert sie auf dem Display im Widescreen-Format rechts neben dem Sucherbild drei Symbole. Sie sind berührungsempfindlich, mit dem unteren steuert man das Layout der Anzeige, das obere ersetzt ein klassisches Programmwählrad, das mittlere öffnet das Kameramenü. Dieses präsentiert alle Einstellmöglichkeiten in Form von ordentlich bemessenen Kacheln, fast schon wie bei einem Smartphone. Auf alle Fälle sind die Menükacheln groß genug, dass man die jeweiligen Parameter und Befehle ohne allzu genaues Zielen sicher antippen kann. Der Touchscreen reagiert dabei ausreichend flüssig, vielleicht nicht ganz so schnell wie ein gutes Smartphone, aber auf jeden Fall ohne störende Verzögerung. Wischgesten beherrscht die Leica T übrigens auch, etwa um den Regler für die Belichtungskorrektur zu verstellen oder durch die Bildwiedergabe zu blättern. Alternativ lassen sich derartige Operationen aber auch mit den Drehreglern durchführen, deren aktuelle Funktion blendet die T (Typ 701) jeweils kurz ein. Einen Touch-AF hat die Leica T ebenfalls zu bieten, auslösen kann sie aber nicht per Fingertipper.

Durch die Kachelstruktur wirkt das Menü der Kamera auf den ersten Blick sehr übersichtlich. Doch in der Praxis sucht man etwas länger nach der einen oder anderen Einstellmöglichkeit, weil es keine ordnenden Untermenüs gibt. Da ist es sehr willkommenen, dass man seine besonders häufig benötigten Befehle in einem Individualmenü ablegen kann. Und hier gibt es nun auch die Möglichkeit, die Kacheln ganz nach Gusto frei anzuordnen. Hat man sich an das etwas eigenwillige Bedienkonzept erst einmal gewöhnt, geht es voll auf. Bei kaum einer anderen Kamera ist die Touch-Bedienung derart konsequent aber in sich schlüssig und leicht nachvollziehbar umgesetzt wie bei der Leica T. Zudem erweist sich die Glasabdeckung des Displays als erfreulich resistent gegen Fingerabdrücke. In der Praxis stört allerdings sehr, dass das Display unbeweglich ist. Wer mit der Leica T seine Aufnahmen sorgfältig komponieren möchte, sollte unbedingt den elektronischen Sucher Visoflex (Typ 020) in den Multifunktionszubehörschuh stecken. Der ist zwar mit einem Preis von 450 Euro kein Schnäppchen, erweitert die Kamera aber zusätzlich noch um einen GPS-Empfänger.

Ausstattung Bei der Bedienung setzt die Leica T deutlicher auf Elektronik und Digitaltechnik, als es das klare Äußere vermuten lässt. Gilt das auch für den Funktionsumfang? Diese Frage ist durchaus berechtigt, steht der Name Leica doch für die „pure Fotografie“, die ohne Schnickschnack oder überbordende Assistenzfunktionen auskommen will. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Leica T erfreulich komplett ausgestattet. Dazu gehört beispielsweise eine Rundumsorglos-Vollautomatik, die sich etwas im Unterprogramm für acht weitere Motivprogramme versteckt. Sogar Bildstile hat die T (Typ 701) an Bord, der Fotograf kann damit zwischen einer neutralen oder lebendigen Bildaufbereitung wählen, aber auch Schwarzweißaufnahmen sind damit möglich. Schärfe, Kontrast, Sättigung (nicht bei Schwarzweiß) lassen sich zudem anpassen, die Leica T bietet also genügend Spielraum auf wunschgemäße Aufnahmeergebnisse. In dieser Hinsicht noch mehr Potential bieten naturgemäß Aufnahmen im Raw-Format, das die Leica T ebenfalls beherrscht. Dabei speichert sie im Format „Digitales Negativ“ (DNG), das als besonders zukunftssicher gilt. Zur Bearbeitung (nicht nur der Raw-Aufnahmen) liegt der Kamera übrigens eine Lizenz von Adobe Lightroom bei. Eigenartig ist indes, dass die T (Typ 701) Raw-Dateien nur zusätzlich zu JPEGs aufzeichnet. Das kostet unnötig Speicherplatz, zumal Lightroom parallel zu JPEG-Dateien aufgezeichnete Raws beim Import standardmäßig sowieso nicht berücksichtigt.

Auf Helferlein wie ein Panorama-Assistent, eine HDR-Automatik oder poppig-bunte Bildeffekte muss man bei der Leica T verzichten. Aber im Sinne der „puren Fotografie“ ist sie durchaus mit sinnvollen Funktionen ausgestattet. So arbeitet die ISO-Automatik zum Beispiel auch im Modus „M“, die Belichtung lässt sich damit bei einer vorgegebenen Zeit-/Blendenkombination automatisch steuern. Clever auch: Für die ISO-Automatik kann man nicht nur einen Maximalwert vorgeben, sondern auch die längste Verschlusszeit, die nicht überschritten werden soll. Daneben bietet die Leica T Zeit-, Blenden- und Programmautomatik, letztere mit Programmshift-Funktion. Zur Belichtungssteuerung gibt es bei der Leica T die drei üblichen Messverfahren Mehrfeld-, Spot- und mittenbetonte Messung. Zur Kontrolle der relativen Helligkeitsverteilung lässt sich ein Live-Histogramm einblenden, die noch genauere Zebra-Funktion hat Leica der T (Typ 701) allerdings verwehrt.

Einen kleinen Bordblitz hat Leica seinem jüngsten Spross ebenfalls spendiert, er ist allerdings mit einer Leitzahl 4,5 nicht sonderlich potent und zeigt einen deutlichen Randabfall bei der Ausleuchtung. Aber die Leica T hat ja noch einen Systemblitzschuh, lässt sich also mit einem leistungsfähigen Blitzgerät aufwerten. Dabei kann vorgegeben werden, ob der Blitz nur bei Bedarf automatisch gezündet wird oder stets. Das Blitzsystem bietet einen Vorblitz zur Reduzierung roter Augen und löst wahlweise auf den ersten oder zweiten Vorhang aus. Anders als bei vielen heutigen Kameras hält sich das Blitzlicht sehr zurück, die Leica T neigt also keineswegs zu einem totgeblitzten Bildvordergrund.

Videoaufnahmen sind mit der Leica T ebenfalls möglich, die maximale Auflösung beträgt 1.920 x 1.080 Pixel (Full-HD). Die Kamera filmt mit 30 Vollbildern pro Sekunde, den Ton nimmt sie in Stereo auf. Der Autofokus tritt allerdings nur zu Beginn der Filmaufnahme in Aktion, die Schärfe lässt sich nicht nachführen. Ähnlich spartanisch gibt sich die Leica T bei den Nachbearbeitungsmöglichkeiten im Wiedergabemodus, es gibt sie schlichtweg nicht.

Bei Serienbildaufnahmen folgt die Leica T abermals dem Credo von der entschleunigten Fotografie. Zwar ist die Serienbildfrequenz mit rund 4,4 Fotos pro Sekunde (fps) recht ordentlich, allerdings sind bei diesem Tempo maximal zwölf Aufnahmen drin. Danach fällt die Leica T in einen sehr gemütlichen Dauerlauf mit 0,9 fps bei JPEG-Fotos und gar nur 0,5 fps, wenn JPEG & DNG aufgezeichnet wird. Hier macht sich abermals negativ bemerkbar, dass die Leica T nicht ausschließlich im Raw-Format speichern kann. Eine Sportskanone ist die Leica T also nicht, zumal ihr ein Nachführ-AF fehlt und so der Fokus stets auf das erste Bild der Serie fixiert bleibt. Zudem dauert es erschreckend lange, bis die Kamera nach einer Serienbildsequenz alle Bilddateien weggeschrieben hat und wieder uneingeschränkt bedienbar ist.

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