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Arbeitsabstand und Fokusabstand in der Makrofotografie

2011-03-28 Wie nah kann man mit der Kamera an ein Makromotiv heran? Teilweise uneinheitliche Angaben der Kamerahersteller verwirren mehr, als dass sie diese Frage klären. So werben die Hersteller von Kompaktkameras oft mit einem Motivabstand von nur einem Zentimeter. Makroobjektive bei Systemkameras dagegen sind mit Werten von 13 oder sogar 29 Zentimetern und mehr angegeben. Doch dabei handelt es sich um unterschiedliche Angaben, nicht zuletzt spielen auch Abbildungsmaßstab und Sensorgröße eine Rolle.  (Benjamin Kirchheim)

Arbeitsabstand und Fokusabstand [Foto: MediaNord]So wirbt Canon bei der SX-Reihe, aktuell der 35-fach-Zoomkamera PowerShot SX30 IS, mit einem minimalen Makroabstand von null Zentimeter. Wie man dabei das Motiv noch beleuchten soll, beantworten Canon nicht, in der Praxis könnte man es allenfalls durchleuchten. Die Angabe null Zentimeter jedenfalls beschreibt den Arbeitsabstand, also die Distanz des Motivs bis zur Vorderkante der Objektivfrontlinse. Über die Abbildungsgröße hingegen sagt das gar nichts aus.

Das Nikon Micro Nikkor AF-S 60 mm 2.8 G ED ist dagegen mit einer Naheinstellgrenze von 185 Millimeter angegeben, also 18,5 Zentimetern. Auf den ersten Blick erscheint das sehr viel. Aber diese Angabe beschreibt den Fokusabstand, das ist die Distanz zwischen dem Motiv beziehungsweise der Fokusebene und dem Bildsensor in der Kamera. Um zu wissen, wo sich der Bildsensor in der Kamera befindet, haben die meisten Systemkameras eine einheitliche Markierung auf der Gehäuseoberseite, meist in der Nähe des Blitzes. Zieht man von den 18,5 Zentimetern die Länge des in Makrostellung maximal ausgefahrenen Objektivs sowie das Auflagemaß, das den Abstand des Objektivs zum Bildsensor beschreibt, ab, dann bleibt ein Arbeitsabstand von meist ca. drei bis vier Zentimetern übrig – das ist bei einem 60-mm-Makroobjektiv auch schon knapp, um das Motiv noch zu beleuchten. Für Fluchttiere wie etwa diverse Insekten oder bessere Beleuchtungsmöglichkeiten empfehlen sich daher Makroobjektive mit 100-200 Millimeter Brennweite.

Markierung der Sensorebene [Foto: MediaNord]Käufern einer Kompaktkamera ist hingegen anzuraten, nicht auf die Angabe des minimalen Arbeitsabstands zu achten, sondern nach dem Arbeitsabstand in Telestellung des Objektivs zu fragen. Manche Kamera, etwa die W-Reihe oder die neue WG-1 von Pentax erlaubt in jeder Zoomstellung einen Arbeitsabstand von zehn Zentimetern, das heißt in Telestellung von 140 Millimeter entsprechend Kleinbild erhält man hervorragende Abbildungsmaßtstäbe, zumal die neuesten Modelle über ein eingebautes Makrolicht verfügen. Aber auch beispielsweise die CX-Reihe von Ricoh bietet mit 28 Zentimetern Aufnahmeabstand bei 300 Millimetern Brennweite (KB) hervorragende Makroeigenschaften. Manche Kamera mit einem Zentimeter in Weitwinkelstellung, wo es zudem noch zu starken Verzerrungen durch die Bildfeldwölbung kommt, hat in Telestellung einen minimalen Arbeitsabstand von einem Meter und mehr. Hier müsste man schon eine Nahlinse einsetzen, um Makroaufnahmen anfertigen zu können (siehe Fototipp in den weiterführenden Links).

Über die Abbildungsgröße indes sagt der Aufnahmeabstand überhaupt nichts aus. Selbst der Abbildungsmaßstab, wie er bei Wechselobjektiven angegeben wird, sagt ohne Kenntnis der Sensorgröße nichts darüber aus, wie groß beispielsweise ein Eurostück abgebildet werden kann. Wer nicht rechnen möchte, zumal das bei den spärlichen Angaben der Kompaktkameradatenblätter auch gar nicht möglich ist, dem hilft die Praxis. Beim Fachhändler sollte man neben Bedienung und Haptik also auch mal die Makroaufnahmefähigkeiten bei verschiedenen Brennweiten testen, wenn man auf dieses Feature wert legt. Wer dem Thema etwas tiefer auf den Grund gehen möchte, dem sei der Artikel "Dem Definitions- und Dimensionsdilemma auf der Spur" von Wilfried Bittner in den weiterführenden Links ans Herz gelegt.


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Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.