Nikon
Testbericht: Nikon Nikon Capture NX – Version 1.0
2006-10-02 Lange war sie angekündigt, nun hat Nikon seine neue Software Capture NX, als Nachfolger für Capture 4.4, veröffentlicht. Mit dieser Software präsentiert der Kamerahersteller eine vielseitige Bildbearbeitungslösung mit einigen neuen Features. Sie ist für all jene gedacht, die sich mehr Kreativität bei der Bildnachbearbeitung wünschen, und ermöglicht es Fotografen, das Potenzial des proprietären NEF-Formats von Nikon voll auszuschöpfen. Die Tools zur Bildverarbeitung und -bearbeitung unterstützen aber auch JPEG- und TIFF-Dateien. (Steffen Sonntag)
Die Installation von Capture NX läuft problemlos, sowohl auf PCs wie auf Macintosh Computern. Der Benutzer kann während der Installation den Arbeitsfarbraum und den Speicherort für Daten festlegen. Besitzer von neueren Macs haben noch das Nachsehen, die Software läuft nämlich noch nicht nativ auf Maschinen mit Prozessoren von Intel. Unser Testgerät war daher ein PowerMac G4 1,25 GHz mit 1,25 GByte RAM. Capture NX ist schneller als Capture 4.4 und lässt ein vernünftiges Arbeiten zu, ein Geschwindigkeitsrausch kommt allerdings nicht auf. Laden und Speichern benötigt jeweils etwas Zeit, ist aber noch erträglich.
Capture NX ist in der lokalisierten, deutschen Version verfügbar; die gesamte Programmoberfläche wird also in Deutsch präsentiert. Keiner muss mehr rätseln, was "Saturation", "Tint" oder "Hue" ist, so, wie dies bei Adobes Lightroom oder Apples Apertue der Fall ist. Die Programmoberfläche wird in Paletten eingeteilt; diese können dann praktisch durch die Funktionstasten ein- oder ausgeblendet werden. So öffnet sich z. B. durch Drücken der F2-Taste die Palette mit den Auswahlwerkzeugen, diese kann dann frei auf dem Bildschirm bewegt werden. Am oberen Bildschirmrand gibt es eine Menü- und eine Symbolleiste. Die Symbolleiste enthält die erwähnten kleinen Palettenfenster, die man herausziehen kann. Außerdem gibt es einen Browser, um Bilder des jeweils angezeigten Ordners anzusehen und sie dann auszuwählen. Durch die Palette "Dateiverzeichnis" ist es möglich, schnell an verschiedene Speicherorte der Bilder auf dem Computer zu gelangen. Recht versteckt und daher Anlass für kleine Suchspiele sind die Einstellungen zur Änderung der Browserdarstellung. Hinter dem "Ordner"-Symbol im Browserfenster gibt es einen Untermenüpunkt "Ansicht". Dort findet man dann endlich den Leuchttisch, der ja eigentlich das zentrale Auswahlwerkzeug des Fotografen ist. Auch wenn man die Darstellung der Bilder im Browser vergrößern will, sucht man eine Weile. In der rechten oberen Ecke des Bildschirms klemmt die so genannte "Übersicht" – auf einem 30"-Display wäre sie nicht gerade schnell zu finden. Diese "Übersicht" trägt ihren Namen indessen zu Unrecht, denn sie ist zu klein, um Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Hier jedenfalls kann man nun den rechten Schieberegler nach oben ziehen und damit die Fotos im Browser in (nur!) vier Stufen vergrößern.
Der Browser und das Dateihandling sind im Vergleich zur Public-Beta-Version nicht mehr ganz so spröde zu handhaben. Wollte man dort zum Vergleich ein zweites Bild öffnen, so lagen die Beiden übereinander, und man musste sie erst manuell verkleinern. Auch dann war das Fenster immer noch zu groß, und man konnte nicht vergleichen. Zum Vergleichen stand nur der umständliche Weg über den Browser zur Verfügung. Dazu musste man im Browser mehrere Bilder erst einmal selektieren, diese dann in Listendarstellung transferieren und – um ins Menü "Ansicht" zu gelangen – dort den Befehl "Im Browser vergleichen" wählen. Dies ist nun in der finalen Version einfacher geworden: Man wählt die zu vergleichenden Bilder aus, und nach einem Rechtsklick kann man sich die zu vergleichenden Bilder entweder im Bildbrowser oder im Editor anzeigen lassen. Allerdings ist auch dieses Handling alles andere als intuitiv. Das Ergebnis ist nicht zoombar, auch wenn man für eine vergrößerte Darstellung Platz hätte. Da das Fenster einen Anfasspunkt hat, zieht man es erwartungsvoll größer – aber das Ergebnis wird einer Software, die sich hier mit der Bezeichnung "Leuchttisch" schmückt, nicht gerecht. Absurd wird die Sache in Capture NX mit drei oder mehr Bildern, und man wundert sich, warum z. B. drei Bilder nicht auf einer Höhe nebeneinander stehen. Insgesamt muss man feststellen, dass der Umgang mit Dateien, Bilddarstellung, Sichten und Vergleichen der Bilder sich als etwas praxisfern erweist und nur ein "Ausreichend" verdient. Hier lässt sich noch viel verbessern und auf die nächsten Programmversionen hoffen.
Capture NX kann neben JPEGs und TIFFs natürlich das hauseigene, proprietäre NEF-Bildformat bearbeiten. Dabei wird die Originaldatei nicht angetastet. Einstellungen wie Weißabgleich, Farb-, Helligkeits- und Kontrasteinstellungen, Sättigung und D-Lighting sind natürlich ebenso vorhanden wie das Histogramm und die Funktionen zum Schärfen und zur Tonwertkorrektur. Auch Werkzeuge zum Bearbeiten von Verzeichnungs-Korrektur und chromatischen Aberrationen sind vorhanden. Spezialeffekte, wie Korn hinzufügen, sind ebenfalls möglich. Erwähnenswert ist auch, dass Nikon seinem Programm eine Stapelverarbeitung spendiert hat. Das ist überaus hilfreich und zeitsparend, wenn man wiederkehrende Bearbeitungsschritte bei einer Masse von Bildern anwenden muss.
Das wohl eigentlich neue Feature in Capture NX ist die patentierte "U-Point"-Technologie. Mit dem Werkzeug "Kontrollpunkt" kann man auf spektakuläre Art und Weise Eigenschaften eines Bildes in Teilen anpassen. Kontrollpunkte dienen dazu, die Farbe anzupassen oder Weiß-, Schwarz- und Neutralpunkte zu steuern. Mithilfe der Kontrollpunkte kann man direkt im Bild arbeiten, ohne Ebenen oder Masken etc. erstellen zu müssen. Die Änderungen werden dann global oder selektiv angewendet. Mit diesem Werkzeug ist es möglich, an einem farblich langweiligen Bild grandiose Verbesserungen in kürzester Zeit vorzunehmen. Jeder neue Kontrollpunkt wirkt sich auf die zuvor Gesetzten aus, was das Bild nach und nach verändert, je mehr Kontrollpunkte angewendet werden.
In Capture NX hat man ferner die Möglichkeit, sich das Autofokusmessfeld des Bildes anzeigen zu lassen. Leider steht diese Funktion nur den Profi-DSLR Kameras von Nikon zur Verfügung. Sie ist nicht verfügbar, wenn das Bild mit einer Coolpix-Kamera von Nikon aufgenommen oder wenn ein Objektiv ohne Prozessorsteuerung (CPU) verwendet wurde. Allerdings wird bei Bildern, die gedreht, ausgerichtet oder beschnitten wurden, das Fokusmessfeld unter Umständen falsch angezeigt; das gilt ebenso, wenn eine Fisheye- oder Verzeichnungskorrektur angewendet wurde.
Interessant ist auch das Werkzeug "Ausrichten": Hat man ein Bild schief aufgenommen, zieht man eine Linie, die mit einer Linie im Bild übereinstimmt. Somit ist es denkbar einfach, anstelle von Drehfunktionen mit Werteingabe den Horizont auszurichten. Diese Funktion ist in anderen Programmen, wie z. B. FixFoto schon seit längerer Zeit implementiert. Ein Blick auf den Druckdialog zeigt, dass Capture NX auch hier noch mächtig dazulernen kann. Zwar sind Kontaktabzüge – auch mit Metadaten – relativ gut auszudrucken, aber wer erwartet, Fine-Art-Printing mit Capture NX machen zu können, der wird nicht glücklich werden. Farbprofile können zwar mustergültig ausgewählt werden, aber man vermisst schmerzlich, Fotos frei auf dem Papier anordnen zu können. Eine Ausgabe für das Internet, also die Gestaltung von Webseiten und die Bereitstellung der Fotos eines Shootings für den Kunden, ist nicht vorgesehen. Auch das Wort Dia (oder Diashow) sucht man im Handbuch und der Software vergeblich. Heute gehört eine Slideshow-Funktion schon bei mancher Shareware zum
Fazit: Capture NX kann Bildbearbeitung – dank "U-Point-Technologie" – sehr gut, dafür ist es ja schließlich auch gemacht. Insbesondere sind hierbei die erweiterten Bearbeitungsfunktionen für das NEF-Format hervorzuheben. Das Dateihandling ist allerdings noch ausbaufähig, vor allem dann, wenn es um Sichten, Sortieren und Vergleichen der Bilder eines Foto-Shootings geht. Nikons neue Software hat das Potenzial – ganz sicher in kommenden Programmversionen –, mit Mitbewerbern wie Aperture von Apple oder Lightroom von Adobe gleichzuziehen, wenn es um die komplette Postproduktion geht.