Ausblick auf künftige Smartphone-Kameras

Künftige Smartphones kombinieren Doppelkamera mit optischem Zoom

2017-02-16 Eine Pressemitteilung, die uns gestern erreichte, wirkte zunächst mäßig interessant: Das israelische Forschungs- und Entwicklungs-Start-up Corephotonics gab bekannt, dass sie eine Partnerschaft mit Samsung Electro-Mechanics (Hersteller von Elektronik-Komponenten) eingegangen sind, in der es um die Fertigung von Dual-Kamera-Modulen geht. Ein Blick etwas tiefer in die Website von Corephotonics gibt aber einen durchaus äußerst interessanten Einblick darüber, was demnächst an Kameratechnik in Smartphones auf uns zukommt. Und das wird durchaus spannend!  (Jan-Markus Rupprecht)

Der Dual-Kamera-Technik gehört die Zukunft. Da sind sich die Leute von Corephotonics aus Tel Aviv sicher – und forschen und entwickeln intensiv daran. Steigt man in das Thema tiefer ein, wird schnell klar: Das was wir heute schon an verschiedenen Techniken bei den Doppelkameras in Smartphones haben, ist interessant, aber es ist wirklich nur der Anfang.

Bislang haben wir im wesentlichen vier Techniken:

  1. Doppelkameras mit einer Hauptkamera und einer einfachen Zweitkamera, die eigentlich nur dazu da ist, die Tiefeninformation für Fotos mit "Bokeh-Effekt" zu erfassen.
  2. Doppelkameras, bei denen beide Kameras gleichartig sind. Neben dem Bokeh-Effekt ergeben sich dann auch Vorteile bei wenig Umgebungslicht, indem die Aufnahmen beider Kameras genutzt werden.
  3. Wie unter Punkt 2, jedoch verzichtet eine der beiden Kameras auf Farbfilter. Dadurch lässt sich mit dieser Kamera nochmals mehr Licht einfangen und zudem lassen sich native Graustufen-Aufnahmen machen. Das Zusammenrechnen beider Aufnahmen für Bokeh-Effekt-Fotos und bei wenig Licht ist genauso möglich.
  4. Doppelkameras, bei denen die beiden Kameras unterschiedliche Brennweiten haben. Der Anwender kann zwischen beiden Kameras umschalten und erhält so einen leichten Tele-Effekt ("2-fach-Zoom"), ohne auf einen qualitätsmindernden Digitalzoom zurückgreifen zu müssen. Mit Verwendung eines Digitalzooms ergäbe sich ein scheinbar stufenloser Zoom bis (z. B. 4-fach-Zoom). Nachteil bisher: Obwohl die Zweitkamera für den 2-fach-Zoom mit einem kleineren Sensor auskommen muss, ist das Kameramodul etwas dicker/tiefer als die Weitwinkelkamera.

Auch einen richtigen optischen Zoom gibt es schon in Form eines "zweifach gefalteten" Objektivs. Der Nachteil davon ist, dass das Zoom dann sehr zu Lasten der Lichtstärke und Bildqualität geht, d. h. auch im Weitwinkel, d. h. ohne Zoom, kämpft die Kamera mit den Nachteilen der variablen Brennweite.

Corephotonics gibt auf seiner Website einen Ausblick, wie künftige Smartphone-Kameras beschaffen sein könnten. In der jetzt angekündigten Zusammenarbeit mit Samsung Electro-Mechanics (SEMCO) geht es um eine "einfache" Doppelkamera, die einen 3-fach-Zoom realisiert. Also im Grunde das, was wir vom Apple iPhone 7 Plus kennen, nur nicht mit doppelter, sondern dreifacher Brennweite der Zweitkamera. Das Modul soll zudem durch ein besonderes Linsen-Design sehr flach sein (5,5 mm). Wenn wir jetzt einmal spekulieren, dass die Hauptkamera einen hochauflösenden Bildsensor hätte (z. B. 20 oder 24 Megapixel), dann ließe sich in Verbindung mit einem Digitalzoom quasi ein stufenloser Zoom mit einer Endauflösung von ungefähr 12 Megapixel im Foto realisieren. Wenn auch die Tele-Kamera hochauflösend wäre, geht sogar scheinbar (mit Digitalzoom = Ausschnittsvergrößerung) ein stufenloser 4-fach oder 5-fach-Zoom in noch annehmbarer Qualität. Das dürfte das sein, was wir in relativ naher Zukunft sehen werden.

Corephotonics arbeitet aber ebenfalls an gefalteten Kamera-Designs, wie wir sie seit Jahren hauptsächlich aus Outdoor-Fotokameras kennen. Diese Technik, wir nennen sie Periskop-Objektive, sind nicht für allerhöchste Bildqualität bekannt, aber sie ermöglichen es, flache Kameragehäuse zu bauen und auf herausfahrende Objektive völlig zu verzichten. Bei diesen Objektiven wird das Licht direkt nach dem Einfall ins Kameragehäuse erst einmal um 90 Grad nach unten oder zur Seite umgelenkt. Die ganze weitere Technik, inklusive beweglicher Linsen für den Zoom und die Scharfstellung sowie ggf. die Bildstabilisierung sitzt dann senkrecht oder quer innerhalb des Kameragehäuses. Durch die räumliche Enge im Gehäuse können die Linsen nicht allzu groß ausfallen und die 90-Grad-Umlenkung macht die Sache auch nicht besser. Aber das ist der Preis für eine komplett innen liegende Zoom-Technik. Sobald man den Zoom nutzt, ist das jedoch gegenüber einer Ausschnittsvergrößerung per Digitalzoom das kleinere Übel.

Kombiniert man die Technik aber mit einer normalen Weitwinkel-Kamera in einem Doppelkamera-Modul – und genau das tun Corephotonics bei ihrem Modul, dann kommen die Nachteile der Technik eben wirklich nur dann zum Tragen, wenn sie auch etwas bringen. Solange der große Bildwinkel der Weitwinkelkamera nicht stört, kann der Anwender wie heute schon die grundsätzlichen Vorteile nutzen. Die da wären: Gute Qualität dank Festbrennweite und einfache Objektivkonstruktion (nicht zu viele Linsen) in Verbindung mit hoher Lichtstärke und wahrscheinlich im Vergleich zu einer sehr kleinen Periskopkamera größerem Bildsensor.

Praktisch wird das so laufen, dass die Kamera-App beim Start immer erst die Weitwinkelkamera aktiviert. Das ist das gewohnte Verhalten, auch bei normalen Zoom-Kameras. In der Position steht die volle Qualität zur Verfügung, so wie man sie heute kennt. In dieser Position sind durch die zweite Kamera wiederum Aufnahmen mit eingerechneter geringer Schärfentiefe möglich, denn die Zoom-Kamera kann ja parallel auch mit auf die Szene "gucken" und zumindest den mittleren Bildausschnitt mit erfassen. Sobald der Anwender dann "loszoomt", wird zunächst ggf. eine Ausschnittsvergrößerung der Hauptkamera gemacht, bis der native Bildwinkel der Zoom-Kamera beginnt (dieser muss nicht notwendigerweise direkt mit dem Bildwinkel der Weitwinkelkamera starten bzw. er wird das ganz sicher auch nicht tun, sondern z. B. bei der doppelten Brennweite starten). Corephotonics spricht bei seinem Hawkeye (Falkenauge) genannten Kameramodul von einem gesamten Brennweitenbereich, der einem optischen 5-fach-Zoom entsprechen soll. Ist man durch die Periskop-Technik erst einmal die Beschränkung der Bautiefe los, dürften mittelfristig noch größere Zoomfaktoren möglich sein (Asus hat auf diese Weise ja schon ein 10-fach-Zoom in einem Smartphone realisiert).

Auch bei der Kombination aus Weitwinkelkamera und Zoomkamera könnten wahrscheinlich im Weitwinkel- und Normalbrennweiten-Bereich beide Kameras genutzt werden (für Tiefeninformation, evtl. sogar zusammenrechnen zweier Kamerabilder zur Verbesserung der Bildqualität). Bei längerer Brennweite muss dann aber die Periskop-Kamera alleine arbeiten. Die Qualität der Fotos wird also wahrscheinlich von Weitwinkel zu Tele mehr oder weniger kontinuierlich etwas abnehmen, aber natürlich längst nicht so stark wie bei einem Digitalzoom. Ein Brennweitenbereich von 24 bis 120 mm Kleinbildbrennweite (oder sogar mehr) bei gewohnt guter "Smartphone-Kamera-Qualität" im Weitwinkel und Bokeh-Effekt-Fotos im Brennweitenbereich von 24 bis 60 mm – das hört sich doch richtig gut an, finde ich. Mal schauen, wenn die Technik serienreif ist und welcher Smartphone-Hersteller sie als erstes einsetzt.

Artikel-Vorschläge der Redaktion

FOTOPROFI Die News sponsert FOTOPROFI, ein familien­geführter Fachhändler mit 9 Standorten in Baden-Württemberg, hochwertiger Bildmanufaktur, umfangreichem Webshop und kompetenter Telefonberatung: +49 (0) 7121 768 100.

News-Suche

von bis
Hersteller
Autor
Suche nach

Autor

Jan-Markus Rupprecht

Jan-Markus Rupprecht, 59, fotografiert mit Digitalkameras seit 1995, zunächst beruflich für die Technische Dokumentation. Aus Begeisterung für die damals neue Technik gründete er 1997 digitalkamera.de, das Online-Portal zur Digitalfotografie, von dem er bis heute Chefredakteur und Herausgeber ist. 2013 startete er digitalEyes.de als weiteres Online-Magazin, das den Bogen der digitalen Bildaufzeichnung noch weiter spannt.