Kompaktkamera

Testbericht: Canon PowerShot Pro70

1999-06-01 Die Verarbeitungsqualität ist unübertroffen und auch die Bildqualität ist Spitzenklasse. Wir haben Canons Top-Modell mit passendem Zubehör in den vergangenen Wochen ausgiebig erprobt. Unsere Erfahrungen lesen Sie in diesem Praxis-Test.  (Jan-Markus Rupprecht)

Canon PowerShot Pro70 mit Speedlite 380EX [Foto: MediaNord]

Das zweistufige Bedienungskonzept der PowerShot Pro70 eignet sich für Einsteiger ebenso wie für Fortgeschrittene. In der ersten Stufe geht alles automatisch, nur der Selbstauslöser und zwei Kompressionsstufen für die Speicherung der Bilder stehen zur Verfügung, es kann eigentlich nichts schiefgehen. Erst in der erweiterten Stufe stehen auch die Belichtungskorrektur in Drittel-Blendenstufen, die Blendenvorwahl (Zeitautomatik) zur Beeinflussung der Schärfentiefe, die Serienbildfunktion (leider nur bei verminderter Bildgröße) sowie die unkomprimierte Speicherung im Canon-eigenen Rohdatenformat zur Verfügung.

Erste Digitalkamera mit CompactFlash Typ II

Innovativ zeigt sich die Pro70 in Hinblick auf die verwendbaren Speicherkarten. Als erste Kamera bietet sie gleich zwei Steckplätze für CompactFlash-Karten, sogar ein Kopieren der Bilddaten zwischen den beiden Karten ist möglich. So kann gleich vor Ort eine Sicherungskopie von unwiederbringlichen Bildern erstellt werden. Einer der beiden Steckplätze ist bereits für die künftigen etwas dickeren CompactFlash-Karten vom Typ II geeignet. IBM wird in dieser Baugröße noch dieses Jahr winzige Festplatten mit 340 MByte Speicherkapazität auf den Markt bringen. Angesichts solcher Kapazitäten kann die serielle Schnittstelle der PowerShot Pro70 nur als Notlösung angesehen werden. Pro70-Besitzer werden sich bald ein Kartenlesegerät für CompactFlash-Karten zulegen, um die großen Datenmengen in endlicher Zeit auf den PC zu übertragen. Erfreulich ist allerdings, daß Canon der Kamera gleich eine "ordentliche" Speicherkarte mit einer Kapazität von 15 MByte beilegt.

Canon PowerShot Pro70 Kartensteckplätze [Foto: MediaNord]    
Canon PowerShot Pro70 LC-Display [Foto: MediaNord]
Canon PowerShot Pro70 Blitzschuh [Foto: MediaNord]

Kompromißlos verzichtet Canon auf einen eingebauten Blitz und signalisiert damit Profi-Ambitionen nach dem Motto "Wenn schon Blitz, dann richtig!" Aus der Serie der EOS-Spiegelreflex-Kameras stehen optional die beiden Elektronenblitzgeräte Speedlite 220EX und 380EX bereit, um mit dem Systemblitzschuh der PowerShot Pro70 Kontakt aufzunehmen. Andere für die EOS-Serie gebaute Blitzgeräte von Canon und von Fremdherstellern werden aufgrund geänderter Signalstärken nicht empfohlen. Der Fürther Blitzgerätehersteller Metz arbeitet aber bereits an einer Anpassung seines Adapter-Systems, so daß die Auswahl an passenden Geräten noch wachsen wird. Ein neuer SCA-Adapter, der dann für die Digitalkamera PowerShot Pro70 und auch alle konventionellen Canon-Kameras paßt, wird im Juli 1999 unter der Typenbezeichnung SCA-3101 M4 auf den Markt kommen (das "M4" bezeichnet die Tauglichkeit für die Pro70). Studioblitzanlagen oder Automatikblitzgeräte, die statt den EOS-Systemkontakten nur einen normalen Mittenkontakt haben, können ebenfalls verwendet werden. Dieser Modus ist automatisch aktiv, nachdem eine Blende manuell vorgewählt wurde. Die Belichtung wird dann über das Blitzgerät gesteuert.

Bereits mit dem Canon Speedlite 380EX bleiben aber kaum Wünsche offen, der Betrieb gestaltet sich komfortabel und völlig problemlos. Das Blitzgerät muß lediglich aufgesteckt und eingeschaltet werden, die Kamera erkennt das Speedlite automatisch und aktiviert den Blitzbetrieb. Der eingebaute Zoom-Reflektor des 380EX folgt motorisch der am Zoom-Objektiv gewählten Brennweite und die Blitzintensität wird perfekt über die TTL-Belichtungsmessung der Kamera gesteuert. Alle Optionen stehen dabei ohne Einschränkungen zur Verfügung, Belichtungskorrektur und Blendenvorwahl können mit Blitz genauso wie ohne genutzt werden. Nach dem Durchdrücken des Auslösers erzeugt das Blitzgerät zunächst einen Meßblitz mit verminderter Leistung und zündet direkt danach den Hauptblitz in der von der Kamera berechneten Intensität. In der Bedienungsanleitung des Speedlite 380EX lauert allerdings die Gefahr eines Fehlkaufs: Die dort beschriebene (und nicht auf bestimmte Kameramodelle eingeschränkte) Mehrgeräte-Blitzinstallation funktioniert mit der PowerShot Pro70 nicht, auch nicht unter ausschließlicher Verwendung von aktuellen Canon Blitzgeräten, Blitzadaptern, Kabeln und Verteilern! Nur noch ein Wunsch bleibt unerfüllt: Der Reflektor des Speedlite 380EX ist zwar für indirektes Blitzen bis 90° aufstellbar, nicht aber drehbar, so ist indirektes Blitzen über die Decke nur im Querformat, nicht aber im Hochformat möglich.

Vollautomatisches Arbeiten mit externem Systemblitzgerät

Der eingebaute LCD-Monitor hingegen bietet jede Freiheit, ist in alle Richtungen dreh- und schwenkbar. In Ruheposition wird der Monitor zur Kamera hin gedreht und ist so gut geschützt. Einmal komplett gedreht, schmiegt er sich wiederum fast nahtlos in die Gehäuselinie ein. Frei ausgeschwenkt gelingen Aufnahmen mit der Canon auch aus "unmöglichen" Positionen und selbst im Hochformat findet man stets einen angenehmen Blickwinkel. Auffällig ist das Autofokus-Hilfslicht unterhalb des Objektivs, das wie eine scharf gebündelte Canon PowerShot Pro70 senkrecht mit ausgeschwenktem Monitor [Foto: MediaNord]Taschenlampe leuchtet und dem Autofokus auf die Sprünge hilft, wenn das normale Umgebungslicht nicht ausreicht. So stellt der etwas langsam und laut arbeitende Autofokus der Pro70 auch noch in Situationen scharf, in denen bei dem einen oder anderen Konkurrenzmodell die Linsen im Objektiv längst ratlos hin und her fahren.

Auch montiert auf einem Stativ macht die Canon eine gute Figur: Dank planer Unterseite mit großer Auflagefläche und stabiler Metallbuchse für die Stativschraube findet sie guten Halt. Als Zubehör ist sogar ein Fernauslöseschalter erhältlich, der Verwacklungen bei langen Belichtungszeigen vermeidet. Da die Steckplätze für die CompactFlash-Karten auch dann bequem zugänglich sind, wenn die Kamera auf dem Stativ montiert ist, steht einem komfortablen Studiobetrieb scheinbar nichts im Wege. In der Praxis nervt hier allerdings eine Übervorsichtigkeit der Canon-Entwickler: Zum Herausnehmen einer Speicherkarte muß zunächst der rote Hebel unterhalb der Steckplatzabdeckung umgelegt werden, der die Kamera komplett stromlos schaltet, obwohl CompactFlash-Karten dafür konstruiert sind bei laufendem Betrieb ein- oder ausgesteckt zu werden (natürlich nicht während eines Speichervorganges!). Dabei vergißt die Kamera wichtige zuvor vorgenommene Einstellungen, beispielsweise die vorgewählte Blende oder eine Belichtungskorrektur. Die typische Arbeitsweise im Studio (einige Probeaufnahmen machen und diese dann zur Beurteilung in den PC laden, anschließend mit nur leicht veränderten Einstellungen weiterfotografieren) wird dadurch sehr lästig.

Herstellereigenes Rohdatenformat spart Speicherplatz

Die unkomprimierte Speicherung im Canon-spezifischen Rohdatenformat (statt beispielsweise im standardisierten TIF-Format) ist in der Praxis übrigens kaum ein Nachteil. Zwar benötigt man zum Konvertieren bzw. zum Übertragen ins Bildbearbeitungsprogramm dann zwingend die Canon-Treibersoftware. Dies bedeutet aber nicht gleichzeitig, daß die Übertragung nur über das serielle Kabel erfolgen kann. Die Canon-Software kann die Bilddaten nicht nur direkt aus der Kamera einlesen, sondern auch vom "Arbeitsplatz". Damit ist jedes lokale oder im Netzwerk freigegebene Laufwerk ansprechbar, beispielsweise die Speicherkarte in einem Lesegerät oder die als Zwischenspeicher genutzte Festplatte. Die Speicherung im Rohdatenformat hat sogar einen entscheidenden Vorteil: Das Format geht sehr viel sparsamer als ein unkomprimiertes TIF-Format mit dem kostbarem Speicherplatz auf den CompactFlash-Karten um. Ein unkomprimiertes Bild im Canon-Format ist knapp 2 MByte groß, dasselbe Bild benötigt als TIFF mit 4,5 MByte hingegen mehr als den doppelten Speicherplatz.

Canon PowerShot Pro70 mit Nahlinsen [Foto: MediaNord]    

Da das Filtergewinde der PowerShot mit einem standardisierten 37-mm-Filtergewinde ausgerüstet ist, steht einem Betrieb mit Filtern, Vorsatzobjektiven und Nahlinsen prinzipiell nichts im Wege. Im Makrobereich gelangen und mit einem Satz 37-mm-Nahlinsen auch spielend sehr gute Aufnahmen, die in der Qualität nur am Rand etwas abfallen. Dabei arbeitet auch die automatisch Scharfstellung einwandfrei, da der Autofokus durch das Objektiv (und damit auch durch die vorgesetzten Nahlinsen) mißt. Tele- oder Weitwinkelkonverter, die gut mit der Pro70 zusammenarbeiten, sind und jedoch nicht bekannt und werden auch von Canon nicht angeboten. Vorsatzobjektive mit geringem Durchmesser kommen kaum in Betracht, die von uns ausprobierten Exemplare führten zu starken Abschattungen in den Bildecken. Eine Erweiterung mit Adapterringen auf große Durchmesser ist hingegen kritisch, da dann das Autofokus-Hilfslicht und der Lichtsensor an der Frontseite der Kamera verdeckt würden.

Alles in allem ist die Canon PowerShot Pro70 eine perfekt verarbeitete Allround-Kamera, mit der sich besonders anspruchsvollere Amateure anfreunden werden. Profis vermissen weiterreichende Einflußmöglichkeiten und Anzeigen, beispielweise der aktuellen Blende und Verschlußzeit. Auf der Wunschliste verbleibt ein größerer Zoombereich und vielleicht – wenn die Kamera schon danach aussieht und auch so groß und so schwer ist – ein Sucher in Spiegelreflex-Technik.

Detaillierte Informationen über die Ausstattung der Canon PowerShot Pro70 finden Sie im "Steckbrief" links und im ausführlichen digitalkamera.de-Datenblatt. Testbilder der Kamera enthält unsere Rubrik ComputerFoto-Testbilder.

Kurzbewertung

  • Systemblitz-Ansteuerung
  • frei schwenkbarer Monitor
  • Top-Verarbeitung
  • nur 2,5-fach Zoom
  • groß und schwer

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Steckbrief

Steckbrief
Hersteller Canon
Modell PowerShot Pro70
Preis ca. 2.800 DM
Bildauflösung
physikalisch
1.536 x 1.024
Auflösung CCD-Sensor 1.680.000
Brennweite 28  – 70 mm
Filtergewinde 37 mm
Weitwinkelkonverter*
Telekonverter*
optischer Sucher
   Dioptrienausgleich
ja
ja
Spiegelreflex
LCD-Monitor
   Auflösung
   schwenkbar
   als Sucher
   verzögerungsfrei
2"
114.000
ja, allseitig
ja
ja
PAL-Videoausgang
   als Sucher
   verzögerungsfrei
ja

Serienbilder
   Auflösung
   Geschwindigkeit
   Anzahl
   mit Blitz
ja
768 x 512
2 Bilder/s*
20
Programmautomatik ja
Zeitautomatik ja
Blendenautomatik
Manuelle Belichtung
TTL-Belichtungs-
messung
ja
Blitz eingebaut
Blitzanschluß Blitzschuh
(Canon System)
Empfohlene Blitzgeräte Canon 380EX, 220EX
TTL-Blitzsteuerung
externer Blitz
ja
Multitasking
Einhandbedienung**
Fernauslöser Kabel*
Intervall-Aufnahmen
Steckplatz für
Speichermedium
CompactFlash
(1 x Typ I und 1 x Typ I o. II)
unkomprimierte
Speicherung
herstellereigenes Format
Tonaufzeichnung ja
 
– = "entfällt" oder "nicht vorhanden"

* optionales Zubehör erforderlich, vom Kamerahersteller angeboten
** mindestens Zoom und Auslöser mit einer Hand bedienbar

In unserem Test verwendetes Blitzgerät: Canon Speedlite 380EX (ca. 390 DM)

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Die Bildqualität in unseren Tests ermitteln wir seit 2011 mit DXOMARK Analyzer.

Autor

Jan-Markus Rupprecht

Jan-Markus Rupprecht, 59, fotografiert mit Digitalkameras seit 1995, zunächst beruflich für die Technische Dokumentation. Aus Begeisterung für die damals neue Technik gründete er 1997 digitalkamera.de, das Online-Portal zur Digitalfotografie, von dem er bis heute Chefredakteur und Herausgeber ist. 2013 startete er digitalEyes.de als weiteres Online-Magazin, das den Bogen der digitalen Bildaufzeichnung noch weiter spannt.