Jörg Braun
Testbericht: Jörg Braun DigitalCardanCam
2008-04-25 Wer sich mit der Fotografie von Architektur oder Gebäuden beschäftigt, kommt ganz automatisch mit stürzenden Linien in Konflikt. Spätestens, wenn weitere Betrachter des Bildes die Stirn runzeln und denken "mit den Geometrien stimmt etwas nicht", wird es Zeit, sich mit Korrekturmöglichkeiten zu befassen. Neben Hardware-Lösungen gibt es auch Software zur Lösung dieses Problems. Eine speziell auf diesen Zweck ausgerichtete Software ist "DigitalCardanCam" (DCC) aus der Wuppertaler Softwarewerkstatt des Diplom-Ökonomen Jörg Braun. (Christian Lamm)
Stürzende Linien kann man von Anfang an mittels Einsatz einer Fachkamera vermeiden. Da jedoch nicht jeder Fotograf im Besitz einer solchen ist, bleibt oft nur die Korrektur mittels Software. Zwar haben DSLR-Fotografen auch die Möglichkeit, auf verstellbare Objektive, so genannte Shift-Objektive, zurück zu greifen. Diese sind aber meist manuelle Objektive, die nicht an allen Kameramodellen eine Belichtungsmessung gestatten. Darüber hinaus haben Shift-Objektive nur einen begrenzten Verstellbereich. Hier kommt nun das Programm bzw. das Photoshop-Plug-in DigitalCardanCam zum Einsatz.
Das Programm arbeitet nach dem System der Fachkamera, so dass eine Korrektur von stürzenden Linien in vollem Umfang möglich ist (gleichzeitig sowohl horizontal als auch vertikal). Der Vorteil gegenüber dem Entzerren mit einem Bildbearbeitungsprogramm (z. B. den Bordmitteln von Photoshop) ist wesentlich schnelleres und genaueres Arbeiten. Außerdem besteht die Besonderheit der Software darin, dass sie – abgesehen vom größeren Winkelspielraum – durch Anwendung des eigens dafür entwickelten, analytischen trigonometrischen Modells nur solche Bildverformungen zulässt, die auch mit einer optisch-mechanischen Entzerrung einer Fachkamera entstehen würden. Diese Sicherheit, keine digitalen Phantasieverformungen zu produzieren, möchte der Hersteller insbesondere den Fotografen geben, die von analog auf digital umsteigen wollen. Eine wesentliche Bedingung für die in diesem Sinne "richtige" Verformung ist die Berücksichtigung der Aufnahmebrennweite, die bei keiner Photoshop-Funktion möglich ist, auch nicht bei den Lens-Correction-Funktionen, die seit CS2 vorhanden sind.
In der Architekturfotografie werden zum Entzerren während der Aufnahme auch so genannte Shift-Objektive eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Festbrennweiten, die gewöhnlich samt Kamera auf ein Stativ gestellt werden und bei denen der Schwenk nicht mit der Kamera an sich erfolgt, sondern es wird nur das Objektiv mit einem Einstellrad verschwenkt, die Kamera bleibt hierbei absolut plan zum Objekt. Der Vorteil von DigitalCardanCam gegenüber dem Einsatz von Shift-Objektiven ist der größere verfügbare Verstellbereich. Shift-Objektive sind in ihrem Verstellbereich stark begrenzt (im Regelfall um die 10 Grad). Die Software DCC dagegen erlaubt den vollen Verstellspielraum, horizontal und vertikal. Weil es sich nun einmal um die "virtuelle Welt" handelt, sind natürlich auch noch größere "Verstellungen" als bei einer Fachkamera möglich.
Es gibt zwei Versionen des Programms, eine Stand-Alone-Version und eine Plug-in-Version im Photoshop-Format für Windows. Zu beachten ist, dass es nach Angaben des Entwicklers zu Problemen bei der Installation auf CS3-Systemen kommen kann, wenn auf dem betreffenden Rechner zuvor kein CS2 installiert war. Bei unserem Test trat jedoch insoweit kein Problem auf. Die Installation erfolgt so, wie auch bei sonstigen Plug-ins: Man kopiert dieses in den Unterordner Zusatzmodule/Filter. Zusätzlich werden noch zwei Dateien benötigt, die vom Anbieter zur Verfügung gestellt werden und die in das Hauptverzeichnis von Photoshop kopiert werden. Nach dem nächsten Start von Photoshop kann man nun das Programm benutzen.
Bevor man sich an das eigentliche Ausrichten der Bilddateien begibt, wird dringend empfohlen, die Verzeichnung der verwendeten Kamera-Objektiv-Kombination zu korrigieren. Dies ist verständlich, da ohne gerade Linien natürlich auch eine spätere Korrektur durch DigitalCardanCam nahezu unmöglich erscheint. Das Programm beinhaltet eigene Werkzeuge für die Korrektur. Da hier jedoch nicht automatisiert, sondern nach Augenmaß korrigiert werden muss, empfiehlt es sich, dennoch andere Werkzeuge (PTLens o. ä., siehe weiterführende Links) zu verwenden. Nach dem Entzerren der Aufnahmen kann die eigentlich Arbeit beginnen.
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Die Korrektur von Bildern nach der manuellen Methode empfiehlt sich, wenn die Aufnahmebrennweite und die Neigungswinkel der Kamera bei der Aufnahme bekannt sind ( also gemessen wurden) oder wenn die Aufnahmebrennweite bekannt ist und die Entzerrung nach Augenmaß erfolgen soll. Nachdem die Verzeichnungskorrektur erfolgt ist, ist im nächsten Schritt der Bildhorizont waagerecht zu stellen. Hierbei hilft einem ein einblendbares Gitternetz. Über die Toolbox "Bild drehen" kann das Bild entsprechend waagerecht ausgerichtet werden.
Wenn der Horizont begradigt ist, sollte man sich der Toolbox "Stürzende Linien beseitigen" zuwenden. Hier ist zunächst die verwendete Kamera (Kleinbild) und der Crop-Faktor (in unserem Fall für die Kodak DCS 14nx "1,0") einzustellen. Außerdem ist die Aufnahmebrennweite des Objektivs einzustellen (bei uns verschieden). Sofern Crop-Kameras verwendet werden, ist hier die kleinbildäquivalente Brennweite (z. B. 30 x 1,5 = 45) einzugeben.
Vertikal stürzende Linien werden über den Regler "Neigung" gerade gestellt und horizontal stürzende Linien über den Regler "Schwenk". Im individuellen Modus wird entweder nach Augenmaß korrigiert (das Gitternetz ist jederzeit einblendbar), oder aber unser zuvor gemessener Verschwenkungswinkel wird eingegeben. Über den Button "E" können die Werte für Brennweite, Verschwenkwinkel der optischen Achse der Kamera gegen die Horizontale und seitlicher Kippwinkel der Kamera (Schiefe des Bildhorizonts) numerisch eingegeben werden. Im Anschluss werden die Daten mit einem Klick bestätigt, das Programm rechnet die Korrekturen nun endgültig fertig, und die bearbeiteten Bilder können gespeichert werden.
Auch bei der automatischen Korrektur sind die Vorarbeiten (Entzerren des aufgenommenen Bildes) wieder wie für die manuelle Korrektur notwendig. Durch Klicken auf das in der Menüleiste enthaltene Lineal werden vier blauen Linien im Bild angezeigt. Diese werden mit Hilfe der Maus auf senkrechte und waagerechte Linien im Bild geschoben ( z. B. an Kanten oder Fenster eines Gebäudes ), so dass sie mit den entsprechenden Linien deckungsgleich sind. Sind die blauen Linien korrekt ausgerichtet, so ist dies zu bestätigen. Hiernach wird vom Programm automatisch eine Korrektur vorgenommen. Hierbei handelt es sich jedoch zunächst nur um ein Zwischenergebnis (die effektive Aufnahmebrennweite wird ermittelt und der Bildhorizont durch Drehung automatisch begradigt). Die Endkorrektur wird auch hier in der Toolbox "stürzende Linien beseitigen" durchgeführt. Dies geschieht, indem nun der Regler "Schwenk" manuell auf "0" gesetzt wird (hierdurch werden die senkrecht stürzenden Linien vollständig begradigt – die waagerechten zunächst belassen). Je nach Intention des Fotografen können nun über "Neigung" auch die waagerechten stürzenden Linien entweder teilweise oder vollständig beseitigt werden.
Beim Fotogradfieren sollte man bereits daran denken, dass durch das anschließende Bearbeiten mit DigitalCardanCam u. U. Teile des Bildes so verzerrt werden, dass man beim fertigen Bild (nach erfolgtem Beschnitt) nicht mehr alle gewünschten bildwichtigen Teile im Bild hat. Um genügend “Fleisch” zu haben, sollte man daher für die Softwareentzerrung nicht das volle Aufnahmeformat nutzen. Aber es sei auch an dieser Stelle angesprochen, dass die “Frei-Hand-Schräg-nach-oben-Fotografie” mit dem Hintergedanken “die-Software-wird-es-schon-richten” schnell zu unrealistischen, unwirklichen Aufnahmeperspektiven führt, die nicht mehr korrigierbar sind.
Fazit Die Automatik von DCC funktioniert hervorragend. Hierüber ist nach kurzer Eingewöhnung und Einarbeitung sehr leicht und recht schnell möglich, seine Werke zu korrigieren. Jedoch kann es passieren, dass man die Korrekturen im Automatikmodus nicht zu 100 % genau durchführt. Daher empfiehlt es sich, ggf. im Anschluss an die automatische Korrektur das Gitternetz einzublenden und die letzten Millimeter noch manuell zu korrigieren. Auf diese Art und Weise erhält man sehr zügig und ohne großen Aufwand perfekt korrigierte Ergebnisse. Ob man nun die senkrechten stürzenden Linien vollständig beseitigt, die waagerechten stürzenden Linien vollständig belässt (Standardfall der Entzerrung von Architekturbildern), oder ob beide vollständig korrigiert werden sollen, bleibt dem Geschmack des Fotografierenden überlassen.