Apple Inc.
Testbericht: Apple Inc. Aperture 2.1, ein RAW-Konverter wird erwachsen
2008-04-07 Um es gleich vorweg zu sagen: Apple hat dazugelernt. Aperture 2.1 wurde sowohl preislich als auch im Funktionsumfang an das Niveau der Mitbewerber angepasst. Die Oberfläche wurde ebenfalls überarbeitet – deutlich ist die Zielrichtung erkennbar, dem Konkurrenten Lightroom Kunden abnehmen zu wollen. Entsprechend sind auch einige Werkzeuge überraschend ähnlich ausgefallen. Als Besonderheit präsentiert Aperture mit dem Update von Versionsnummer 2 auf 2.1 eine offene Plug-in-Architektur. Mit diesen Plug-ins soll zukünftig der Bearbeitungsbereich mit Angeboten von Drittherstellern "aufgebohrt" werden können. Apple selbst liefert mit dem Update Tools zum Abwedeln, Nachbelichten, zur Kontrast- und Sättigungseinstellung sowie zum Scharf- und Weichzeichnen mit. (Torsten Kieslich)
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Im Laufe der nächsten Monate erwartet Apple etliche weitere Plug-ins, wie etwa ein Viveza-Plug-in von Nik Software, ein Noise-Ninja-Plug-in von PictureCodes, ein Power-Stroke-Plug-in von Digital Film Tools, ein Dfx-Plug-in von Tiffen Companys, dpMatte- und HDRtoner-Plug-ins von dvGarages sowie schließlich Fisheye-Hemi- und ShineOff-Plug-ins von Image Trends. Diese Plug-in-Architektur könnte ein entscheidender Schritt sein, um mit Aperture auf dem neuesten Stand der Bearbeitungstechnologien zu bleiben.
Ein erster Blick auf die neu gestaltete Benutzeroberfläche zeugt von den Anstrengungen im Hause Apple, den Bedürfnissen der Fotografen entgegenzukommen. Aperture 2.1 ist deutlich angenehmer zu bedienen und wirkt weniger verspielt. So wurden beispielsweise die Bedienfelder für die Projektordner zusammengefasst und die Schaltflächen für die Ansicht sinnvoller angelegt. Natürlich verfügt das Programm über die inzwischen üblichen Ansichtsmodi für Miniaturen, Bildvergleich und Stapel. Interessant ist die Leuchttisch-Option, um Bilder in einer Art Layout anzuordnen. Ein Werkzeug, mit dem sich wie zu analogen Zeiten Bilder hin- und herschieben lassen.
Überhaupt sind die Möglichkeiten der Projektsortierung nach wie vor ein großer Pluspunkt von Aperture. Bilder lassen sich in Projekte sortieren und beim Import gleich mit den entsprechenden Stichworten und Metadaten versehen. Intelligente Ordner, die auf Suchworte, Wertungskriterien oder Kalendereinträge reagieren, sorgen für eine nahezu vollautomatische Organisation der Bildersammlung. Wer mehrere tausend Bilder effizient verwalten möchte, findet bei Aperture 2.1 in jedem Fall ein effektives Werkzeug, zumal Aperture in der neuen Version auch schneller geworden zu sein scheint. Die Bildvoransicht ist praktisch unmittelbar möglich, wenn man "Schnelle Vorschau" einschaltet. Dann werden die Bilder nicht aus den RAW-Informationen gerendert, sondern aus den JPEG-Voransichten erstellt.
Der Bildimport und -export findet angenehmerweise im Hintergrund statt, so dass man auch beim Bearbeiten voluminöser Bildordner komfotabel weiterarbeiten kann. Das ist allerdings auch dringend notwendig: Bei unserem Test benötigte Aperture 2.1 für den kompletten Importvorgang, der aus den drei Schritten Bildimport, Miniaturen- und Vorschaubilderstellung besteht, für einen Ordner mit DNG-Bildern mehr als fünfmal solange wie Lightroom. Beim späteren Bearbeiten liegen beide Programme dann gleichauf, obgleich Aperture bei manchen Operationen etwas zäher zu arbeiten scheint. Dafür bietet Aperture einen erstklassigen Import-Dialog, der nicht nur Duplikate automatisch ausschließen kann, sondern auch IPTC-Daten und Schlagworte gleich mit aufnehmen kann.
Apple-typisch wurde Aperture 2.1 gut in die Apple-Infrastruktur integriert. Wer beispielsweise den Webdienst .Mac nutzt, kann seine Webgalerie direkt aus Aperture befüllen und natürlich Bilder auf diesem Wege ebenso leicht an AppleTV oder auf den iPod übertragen. Für die Bildbestellung wurde das Fotobuch-Modul um neue Vorlagen und Layouts ergänzt, und über die Script-Engine Automator kann der Anwender Aperture in eigene Arbeitsabläufe einbinden.
Aber auch unter der Haube hat sich einiges getan. Die verschiedenen Arbeitsbereiche und Ansichten sind per Tastenkürzel umschaltbar, so dass der Wechsel zwischen Mediathek, Metadaten und Werkzeugen schnell vonstatten geht. Im Werkzeugbereich gibt es jetzt unter anderem eine lokale Kontrastbearbeitung und selektive Farbsättigungen, Vignettierungen können entfernt werden und "ausgefressene" Lichter können gezielt restauriert werden. Überarbeitet wurde auch der Druckdialog. Hier bietet Aperture als Novum die Möglichkeit, eine gesonderte Schärfung für den Druck vorzunehmen und bietet hier auch eine eigene Lupe an.
Die neuen Plug-ins, die sich unter dem unscheinbaren Menüpunkt "Nachbelichten & Abwedeln" verbergen, sind zwar noch etwas schlicht ausgefallen, können aber sehr effektiv angewendet werden und ersparen in vielen Fällen den Wechsel zum Bearbeiten in Photoshop. Das Bild wird zum Bearbeiten in ein neues Fenster geladen und kann hier mit Abwedler, Nachbelichter, Weich- und Scharfzeichner, Sättigung und Kontrast bearbeitet werden. Clever ist dabei die Möglichkeit, eine Ansicht auszuwählen, in der der Werkzeugeinsatz als Maske optisch hervorgehoben wird. So kann man den jeweiligen Werkzeugpinsel sehr gut konturgenau einsetzen. Kleine Benutzerfreundlichkeit am Rande: Bereits benutzte Werkzeuge werden im Auswahlmenü markiert. Leider warten die Apple-Plug-ins auch mit einer kleinen Ungereimtheit auf. So können Arbeitskopien zwar zum Bearbeiten ausgewählt werden, geöffnet wird irritierender Weise jedoch das Ursprungsbild.
Kern der neuen Bildbearbeitung ist jedoch der überarbeitete RAW-Modus. Aperture 2.1 wartet hier mit einer neuen RAW-Engine auf, die auf die RAW-Bildbearbeitung in OS X Leopard zurückgreift, die allerdings nicht alle Kameratypen erfasst. Die (vom Rezensenten nach wie vor geschätzte) Kodak DCS 14n wird überhaupt nicht erkannt, die Fuji S3 muss sich seltsamerweise auch mit dem älteren Dekodierungs-Algorithmus zufriedengeben – offenbar setzt Apple hier vor allem auf neue Kameramodelle.
Neben der automatischen Erkennung der Kamera und des dazugehörigen RAW-Dekodierungsmodus erlaubt Aperture auch, fein eingestellte RAW-Werte als eigenes Kameraprofil zu speichern. Wenn eine Kamera beispielsweise grundsätzlich eine leichte Farbverstärkung benötigt oder Moiré produziert, kann man diese Voreinstellungen als Standard für diese Kamera ablegen. Zwischen den Kamera-Voreinstellungen kann später problemlos hin- und hergeschaltet werden. Auch für DNG-Dateien verfügt das Programm über einen speziellen RAW-Dekoder, so dass der Import nicht unterstützter RAW-Daten problemlos machbar ist, sofern diese zuvor in DNG konvertiert werden können.
Die RAW-Bearbeitung in Aperture 2.1 ist insgesamt wesentlich angenehmer geworden und wurde den von anderen Programmen bekannten Werkzeugen angepasst. Auch das Sichten der RAW-Dateien ist durch die Integration in das Betriebssystem "Leopard" sehr schnell geworden – hier kommt das betriebssystemeigene "Quick Preview" zur Schnellansicht zum Einsatz. Grandios ist die Möglichkeit, Bilder in der Vollansicht zu bearbeiten und so wirklich den gesamten Bildschirm zur Bearbeitung nutzen zu können. Die RAW-Bearbeitung ist dank der übersichtlichen Regler problemlos, Moiré wird anstandslos entfernt, und gerade Portraitfotografen werden sich über die erweiterten Farbregler Lebendigkeit und Definition freuen. Die Reparatur- und Retuschierpinsel liefern eine Photoshop-ähnliche Möglichkeit, um kleine Flecken und Störungen wegzustempeln bzw. zu klonen.
Als Mindestsystemanforderung für Aperture gibt Apple ein PowerBook G4 mit 1,25 GHz und 1 Gigabyte Arbeitsspeicher an, das Arbeiten mit einem solchen Prozessor dürfte aber eher zur Qual werden. Das bei unserem Test benutzte MacBook Pro mit 2,33 GHz Intel-Prozessor und 2Gigabytes Arbeitsspeicher war jedenfalls mit Aperture 2.1 nicht unterfordert.
Fazit Mit der Version 2.1 ist Aperture (fast) erwachsen geworden und hat deutlich zu Lightroom aufgeschlossen. Zwar gehört das Programm mit seinem Preis-Leistungsverhältnis sicherlich in die Oberklasse der RAW-Konvertierer, doch Unzulänglichkeiten wie der langsame Importprozess lassen noch Luft nach oben. Pluspunkte sind die neue RAW-Dekodierung und der verbesserte Werkzeugsatz.
Maßstäbe setzt Apple mit der neuen Plug-in-Technologie und der Möglichkeit, mit einem Klick kameraspezifische RAW-Vorgaben zu erstellen. Auch die gelungene Katalog-Funktion ist sicherlich nach wie vor eine Herausforderung für andere Anbieter. Allerdings ist das neue Aperture nicht nur schöner und leistungsstärker, sondern leider auch ressourcenhungriger geworden. Ein flüssiges Arbeiten mit etwas schwachbrüstigeren Macs ist damit kaum noch möglich. Wer jedoch über einen entsprechend schnellen Apple verfügt, trifft mit Aperture keine schlechte Wahl.