Profi-Bildbearbeitungsprogramm

Testbericht: Adobe Systems Photoshop CS6

2012-05-09 Alles neu macht der Mai: Nachdem Photoshop CS6 bereits als öffentliche Vorserienversion kursierte, bringt Hersteller Adobe nun die endgültige deutsche Fassung auf den Markt. Diesmal lernte Photoshop ungewöhnlich viel dazu – von der Retuschetechnik bis hin zu Verzerrungskorrekturen und Raw-Umwandlung. Wir haben das neue Bildbearbeitungsprogramm getestet.  (Heico Neumeyer)

Adobe Photoshop CS6 – Tonnen- und kissenförmige Verzeichnung gleicht die neue Adaptive Weitwinkelkorrektur aus [Foto: Lucas Klamert]Mehrere neue Filter erweitern die gestalterischen Möglichkeiten in Photoshop CS6. Kissen- und tonnenförmige Verzerrungen in Weitwinkel- und Fisheye-Aufnahmen lassen sich nun viel besser entfernen – entweder automatisch auf Basis der Kamera- und Objektivdaten oder fein gesteuert von Hand. Im Test verzerrte die Automatik krumme Linien teils noch weiter. Umso präziser arbeitet jedoch die manuelle Steuerung: Dabei zieht man Linien oder Vierecke über verzeichnete Geraden und eckige Bereiche, etwa über Fenster oder Türen. Photoshop glättet diese Zonen dann, anschließend lassen sich einzelne Linien immer noch individuell gerade rücken. Allerdings hätte man die leistungsfähige Technik besser mit der altbekannten "Objektivkorrektur" kombiniert, die ebenfalls bei Verzeichnungen und Perspektivproblemen hilft.

Völlig neu ist auch die Weichzeichnergalerie: Sie erzeugt Unschärfe um Hauptmotive herum oder Weichzeichnung mit Miniatureffekt. Dazu errechnet Photoshop auf Wunsch schöne Unschärfe-Effekte – Bildteile im unscharfen Bereich verwandeln sich in diffuse helle Ringe wie bei einem guten, weit aufgeblendeten Objektiv. Dazu muss das Motiv aber sehr kontrastreich sein, am besten mit hellen Punkten in dunkler Umgebung. Und weil man innerhalb des Filters nicht Adobe Photoshop CS6 – Die Iris-Weichzeichnung verbreitet Unschärfe um ein klar verbleibendes Zentrum herum [Foto: rtCars.de]sauber auswählen kann, sollte man bei vielen Motiven vorab eine Auswahl anlegen. Die Funktionen überschneiden sich teils mit dem schon bekannten "Tiefenschärfe abmildern" (das in CS6 "Objektivunschärfe" heißt).

Interessant im Photoshop-Hauptprogramm ist eine neue Kontrastautomatik mit guten Ergebnissen. Sie orientiert sich nicht wie die anderen Automatiken am Bildhistogramm, sondern an einer großen Datenbank mit typischen Motiven und korrigiert auch Mitteltöne, nicht nur Hochlichter und Schatten.

Bei der Bildretusche gibt es mehr "inhaltssensitive" Werkzeuge als bisher: Bisher konnte man nicht genau oder nur auf Umwegen steuern, wo Photoshop Bildpixel für eine "inhaltssensitve" Retusche aufnimmt, das Retuscheergebnis überraschte manchmal. Nun arbeitet auch das Ausbessern-Werkzeug "inhaltssensitiv" und hier legt der Gestalter präzise fest, welche Pixel über die Störstelle montiert und dann angepasst werden. Praktisch auch: Das neue Inhaltsbasiertverschieben-Werkzeug bewegt Hauptmotive im Bild hin und her – Photoshop gleicht Lücken und Nahtstellen dabei automatisch und sehr überzeugend aus.

Adobe Photoshop CS6 – Gegenüber der öffentlichen Betaversion deutlich erweitert: die Korrektur für chromatische Aberration im RAW-Dialog [Foto: Heico Neumeyer]Wie schon von Lightroom 4 bekannt, änderte Photoshop-Hersteller Adobe auch den RAW-Dialog in Photoshop CS6. Die neue Variante verhindert Detailverluste besser als bisher, zudem wurden die Regler umarrangiert und damit deutlich übersichtlicher. Wer damit immer noch unzufrieden ist, ändert in der Raw-Gradationskurve erstmals auch einzelne Grundfarben wie Rot, Grün oder Blau.

Leichter als bisher entfernt der RAW-Dialog auch chromatische Aberration (störende Farbsäume an harten Motivkanten). Bei der öffentlichen Vorserienversion reichte noch ein einziger Klick auf eine Checkbox, und das Problem war weg. Die Photoshop-Endfassung bietet zusätzlich nicht weniger als vier Regler zur Feinsteuerung. In einem englischen Text, der sich auf identische Funktionen bei Lightroom 4.1 bezieht, erklärt Adobe-Manager Tom Hogarty die neue Kantenentstörung sehr detailliert (siehe Link am Textende).

Auch einzelne Bildzonen lassen sich vielseitiger aufwerten: Verlaufsfilter und Korrekturpinsel bearbeiten erstmals auch Lichter, Schatten, Farbtemperatur, Rauschen, Moiré und – anders als die öffentliche Beta – auch chromatische Aberration. So verbessert man Detailzonen noch überzeugender direkt im RAW-Dialog, wenn auch die Auswahltechnik hier weiterhin nicht ganz überzeugt.

Adobe Photoshop CS6 – Der Farbbereich-Befehl soll jetzt auch Hauttöne und Gesichter auswählen, schafft das aber selten perfekt [Foto: Heico Neumeyer]Dabei erscheint Photoshop erstmals mit einer dunkelgrauen Oberfläche, die an Lightroom oder Photoshop Elements erinnert. Der alte hellgraue Look lässt sich jederzeit mit einem Klick zurückholen. Weniger überzeugte im Test die neue Auswahltechnik für Hauttöne und Gesichter: Sand, Haare oder helle Stoffe werden oft mit ausgewählt.

Die Videotechnik wirkt nun viel einfacher als bisher – und dank Verwendung des Grafikprozessors zeigt Photoshop das Ergebnis auch schneller. Problemlos kombiniert man Videoclips, Fotos und Musik zu neuen Filmen; die Fotos lassen sich schwenken und zoomen sowie mit fünf Effekten überblenden. Diese Videotechnik liefert Adobe nun schon in der günstigeren Standard-Variante von Photoshop, nicht wie bisher nur in der teureren Extended-Ausgabe.

Wenig tat sich bei der Bildverwaltung Bridge: Gesichtserkennung, Qualitätscheck oder Anbindung an Online-Landkarten fehlen, hier leisten Adobe-Programme wie Photoshop Elements oder Lightroom teils mehr. Insgesamt legt Adobe dennoch ein starkes Programmpaket vor, das vor allem mit RAW- und Retuschetechnik starke Verbesserungen für Fotografen liefert. In den nächsten Wochen stellen wir die wichtigsten Funktionen von Photoshop CS6 in vier Fototipps genauer vor.

Kurzbewertung

  • Retusche deutlich aufgewertet
  • Einfache, leistungsfähige Videofunktion auch in Standardversion
  • Präzise Korrektur von Verzeichnungen
  • Klar verbesserter Raw-Dialog
  • Teuer
  • Verwirrende Vielfalt ähnlicher Funktionen

Passende Meldungen zu diesem Thema

Artikel-Vorschläge der Redaktion

Autor

Heico Neumeyer

Heico Neumeyer schreibt Testberichte und Praxistipps für PC- und Fotozeitschriften und gibt Schulungen. Er ist auf digitale Bildbearbeitung und Fotografie spezialisiert. Sein Photoshop-Kompendium im Verlag Markt+Technik gilt seit vielen Jahren als Standardwerk. Neumeyer studierte Deutsch, Pädagogik und Politik in Berlin und Köln und war Redakteur bei einer Fotozeitschrift. Er ist bekannt für praxisnahe, gut lesbare Texte und maßgeschneiderte Schulungen. Er lebt in Oberbayern.