Rubrik: Sonstige Tipps

Objektivtests in Eigenregie

2008-04-21 Beim Kamera- und Objektivkauf möchten auch kritische Amateurfotografen gerne mit möglichst einfachen "Bordmitteln" die Bildqualität und insbesondere das Auflösungsvermögen der Linse im Zusammenspiel mit der Spiegelreflexkamera und dem verbauten Sensor checken. Auch fragt sich mancher, ob es ein Originalobjektiv sein muss, oder ob auch ein (meist) preiswerteres Fremdobjektiv gut genug ist. Oder kann man seine alten Kleinbildobjektive weiter verwenden? In diesem Fototipp soll beschrieben werden, wie man auf einfache Weise seine Objektive testen kann. Mit ein wenig Forschergeist bekommt man durch diese Testanleitung recht zuverlässige Aussagen über die fraglichen Optiken.  (Stefan Meißner)

Fototipp Screenshot [Foto: Stefan Meißner] Diese Anleitung verwendet Testfotos, die mit dem Auge am Computer-Bildschirm ausgewertet werden. Damit die Fotos wiederholbar und vergleichbar wer­den, wird eine definierte Vorlage aus immer dersel­ben Entfernung aufgenommen. Die Testvorlage ist der Siemensstern, eine kreisförmige Anordnung von Dreiecken. Dieser wird mit allen zu tes­tenden Objektiven fotografiert. Wer es noch genauer wissen möchte, belichtet die Vorlage mit verschiede­nen Blenden (voll geöffnet, mittlere Blende, z. B. F8, und geschlossene Blende). Mit der Blendenreihe kann man feststellen, bei welcher Einstellung das jeweilige Objektiv die besten Ergebnisse liefert.

Um die Testvorlage, den Siemensstern, selber herstellen zu können, benötigt man ein Vektor-Grafikprogramm, z. B. CorelDraw oder Illustrator. Zunächst ein paar Vo­rüberlegungen: Der Siemensstern soll aus 90 Schwarz-Weiß-Wechseln, also 180 Kreissegmenten be­stehen, jedes Segment deckt daher 2 Grad des Kreises ab. Bei einem Siemensstern mit 200 mm Durchmesser (in dieser Größe passt er auf ein Blatt DIN A4) ergeben sich für die Segmentbreite am Außenradi­us 3,49 mm. Man zeichnet also ein Dreieck mit einer Basis von 3,49 mm und einer Höhe von 100 mm. Dann wird das Dreieck um jeweils 4 Grad mit der Spitze als Drehpunkt so oft rotiert, bis ein Vollkreis entstanden ist. Diesen Stern druckt man auf Fotopapier in bester Qualität auf einem Tintenstrahldrucker aus. Der Autor hat für seine Versuche einen recht betagten HP 930c benutzt, der völlig ausreichte. Übrigens: Mit einer Lupe kann man jetzt auch seinen Drucker testen: Man schaut sich dazu die Stern-Mitte genau an und misst den Kreisdurchmesser, der noch getrennte Segmen­te erkennen lässt. Je kleiner, desto besser! Ein geeigneter Siemensstern kann auch über den weiterführenden Link als PDF-Datei herunter geladen werden.

Für die Testaufnahmen wird die Kamera auf einem Stativ benutzt, den Test­druck klebt man in 2 bis 3 m Entfernung an die Wand, Kamera und Test­druck sollten möglichst parallel zueinander ausge­richtet sein. Falls man den Test später wiederholen möchte, sollte man auf exakt definierte Bedingungen achten und den genauen Abstand notieren. Beginnen wir mit dem einfachen Fall, dass nur die Bildmitte getestet wird: Dafür richtet man die Kamera so aus, dass sich der Siemensstern genau in der Mitte des Suchers befindet. Dann stellt man die zu testende Brennweite ein. Der Auto­fokus der Kamera stellt nun die Schärfe (hoffentlich) exakt ein, und man belichtet die erste Aufnahme. Falls der Auto­fokus die Schärfe nicht findet, wird von Hand scharf gestellt. Möchte man herausfinden, wie sich die Auflösung über das gesamte Bildfeld verhält, bringt man zu­sätzlich je einen weiteren Stern in den Bildecken an. Zurück zur Testaufnah­me: Man sollte dabei für eine gleichmäßige und reflexfreie Beleuchtung sorgen. Man beginnt mit geöffneter Blende und stellt die Belichtungszeit so ein, dass die schwarzen Segmen­te möglichst dunkel und die weißen Segmente nicht ausgefressen erscheinen. Falls die Kamera eine Spiegelvorauslösung hat, nutzt man diese, denn Ver­wacklungen würden die Ergebnisse enorm stören. Die zweite Aufnahme erfolgt bei mittlerer Blende, z. B. 5,6 oder 8, und die dritte bei geschlossener Blende. Natürlich ist die Belichtungszeit entsprechend zu verlängern. Man kann diese drei Aufnahmen mit jeder zu testenden Brennweite wiederholen und – wenn man Lust auf mehr Erkenntnisse hat – auch mit ver­schiedenen ISO-Einstellungen.

Die Testaufnahmen werden in einem Bildbearbeitungsprogramm wie z. B. Photoshop geöffnet. Um die Dateien handlicher zu machen, kann man den Siemensstern ausschneiden. Nun gilt es her­auszufinden, bis zu welchem Durchmesser die Seg­mente getrennt wiedergegeben werden. Der Durch­messer wird durch eine Kreisauswahl umrahmt (Kreisauswahl, festes Seitenverhältnis 1:1). In der Infopalette kann man den Durchmesser in Pixeln ablesen und in die Tabelle bei "Grauringdurchmes­ser" eintragen. Um nun den kleinsten Abstand zweier benachbarter Linien zu errechnen, der von der Kamera noch getrennt wiedergegeben wird, reicht die Anwendung der Kreisformel: Umfang = Pi x d. Da der Siemensstern aus 90 Linienpaaren besteht, ist der kleinste aufge­löste Abstand = Pi x d : 90. Jetzt wissen wir, wie viele Pixel die Kamera zur Darstellung eines Linienpaares benötigt. Viel interessanter aber ist die Anzahl dieser Linienpaare pro Bildhöhe der getesteten Kamera. Die Formel muss daher noch die Pixelzahl der Bildhöhe enthalten und lautet: Auflösung (Linienpaare pro Bildhöhe) = Anzahl der Streifenpaare (90) x Bildhöhe (Pixel) : (Pi x Grauringdurchmesser (Pixel). Am Beispiel der Olympus E-1 des Autors mit Objektiv 14-54 mm bei 54 mm und Blende 8: 90 x 1920 px/(3,14 x 72 px) = 764 Linienpaare pro Bildhöhe.

Die Tabelle erleichtert die Auswertung verschiedener Objektive und Blenden und systema­tisiert die Tests.

Dieses Testverfahren ähnelt demjenigen "echter" Kame­ratests, ist allerdings nur für den Hausgebrauch gedacht und für exakte Ergebnisse nur bedingt geeignet. Für den direkten Vergleich von Objektiven liefert es aber wertvolle Hinweise.

Objektivdaten Brennweite Blende Grauringdurchmesser in Pixeln Auflösung = Streifenpaare* Bildhöhe / (3,14*Grauringdurchmesser in Pixeln)
14-54 mm 54 mm 8 72 px 90 x 1920 px / (3,14 x 72 px) = 764
etc.......

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