Rubrik: Sonstige Tipps

Megapixel – Wie viel braucht man wirklich? Teil 2

2008-04-07 Meist steht sie schon fett gedruckt auf den Kameras zu lesen. Unübersehbar und alles andere überschattend: die Anzahl der Megapixel. So hat der Käufer schnell den Vergleich, sozusagen auf den ersten Blick. Bei Autos ist das ja schließlich auch so: 150 PS sind eben besser als 90 PS, basta! Aber stimmt das wirklich? Ist mehr immer gleich besser? Wie viel Megapixel braucht man wirklich? Dieser heiklen Frage gehen wir in diesem zweiteiligen Fototipp einmal "ohne Erbarmen" nach. Auf Proteste und die Diskussion im digitalkamera.de-Forum sind wir schon gespannt. In diesem zweiten Teil geht es um die Auswirkungen des Pixelwahns auf das Bildrauschen.  (Wolfgang Heidasch)

Aktuelle Sensorflächen im Größenvergleich [Foto: Wolfgang Heidasch] Einen zweiten, noch krasseren Nachteil des Pixelmaximierens finden wir beim Thema Rauschen. Dazu muss man wissen, dass das Rauschen einer Kamera maßgeblich davon bestimmt wird, wie eng die einzelnen Bildpunkte auf dem Bildchip in der Kamera liegen. Auch dies lässt sich wieder anschaulich darstellen: Lasse ich die Chipfläche gleich groß und erhöhe gleichzeitig die Anzahl der Pixel, wird jedes einzelne Pixel kleiner, bzw. die Pixel liegen enger zusammen auf dem Chip. Ein kleines Pixel fängt einfach weniger natürliches Licht ein als ein großes. Ergo muss verstärkt werden.

Aber diese Verstärkung verstärkt auch das naturbedingte Rauschen in gleichem Maße. Besonders auffällig wird dies bei hohen ISO-Werten. Der ISO-Regler in Digitalkameras ist nichts anderes als ein Verstärkungsregler, der direkt auf die Signale wirkt, die vom Kamerachip kommen, quasi der Lautstärkeregler der Kamera. Da besonders in Kompaktkameras sehr kleine Chips verbaut werden, kommt es bei 10 Megapixeln schon zu einer Enge, die sich zwangsläufig in gesteigertem Rauschen ausdrückt. In den Bildern zu diesem Beitrag sind die tatsächlichen Chipgrößen dargestellt. Bei Kompaktkameras ist der Chip meist nicht größer als der Nagel eines kleinen Fingers. Dem entstehenden Rauschen wird dann seitens der Hersteller mit aufwändigen Entrauschungsalgorithmen zu Leibe gerückt, nur geht das eben nicht ohne Qualitätsverluste ab. Es rauscht zwar nicht mehr, dafür sehen aber die abgebildeten Personen irgendwie aus wie aus dem Wachsfigurenkabinett, soll heißen, es gehen bei diesem "Waschgang" Detailinformationen verloren. Dies liegt einfach daran, dass es für den Entrauscher nicht so einfach ist, zwischen Rauschen und feinen Bilddetails zu unterscheiden.

Nimmt man dann noch hinzu, dass besonders bei Kompaktkameras davon ausgegangen werden kann, dass die Objektive alleine aufgrund ihrer geringe Baugröße auch nicht zum Besten zählen können, also möglicherweise gar nicht so hoch auflösen, wie der eingebaute Chip das könnte, dann erhält man von einer 10-Megapixel-Kamera sehr wahrscheinlich in der Summe ein schlechteres Bild auf dem Zielmedium (also z. B. Papierdruck 10 x 15 cm) als von einer Kamera mit weniger Pixeln. Der Effekt noch einmal zusammengefasst: Die ohnehin nur nutzbaren 2 Megapixel sind bei der Kamera mit mehr Megapixeln leider verrauscht oder verwaschen. Mit der kleineren Auflösung wäre dies nicht passiert. Wer´s nicht glauben will, der lese mal im Internet die Fototests (z. B. auch bei digitalkamera.de) und schaue sich dort einmal Tests

  Aktuelle Sensorflächen im Größenvergleich [Foto: Wolfgang Heidasch]   Wenige große bzw. viele kleine Pixel auf der Sensorfläche [Foto: Wolfgang Heidasch]
Wenige große bzw. viele kleine Pixel auf der Sensorfläche

von Kamerabaureihen namhafter Hersteller an. Diese Kamerareihen gibt es meist schon seit Jahren. Begonnen hat das einmal mit ca. 4 Megapixeln. Heute sind manche bei 12 Megapixeln angelangt und zwar oft bei unveränderten Chipabmessungen. Meist kommen die Tests zu dem Fazit, dass das Vorgängermodell unter dem Strich die besseren Bilder machte. Und das Schlimme ist: Nirgends ist zu erkennen, dass dieser Trend gestoppt würde. Es kann durchaus damit gerechnet werden, dass die jeweils nächste Kamerageneration noch mal eine Schippe auf den Megapixel-Berg drauflegen wird.

Sensoren unterschiedlicher Kameraklassen [Foto: Wolfgang Heidasch] In den Bildern zu diesem Bericht sind auch Sensoren abgebildet, wie sie in digitalen Spiegelreflex-Kameras (DSLR) verbaut werden. Diese sind wesentlich größer als die von Kompaktkameras. Ergo fällt das Problem bei DSLRs, absolut gesehen, weit weniger auf, wenngleich es vom Grundsatz her genau so vorhanden ist. Wenn man also ein Argument ganz vorne mit aufführen möchte, warum DSLRs in der Regel qualitativ bessere Bilder machen als Kompaktkameras, dann ist das zuallererst eben diese Chipgröße und nicht die Anzahl der Megapixel, die zwischenzeitlich bei DSLRs und Kompaktkameras – von Ausnahmen einmal abgesehen – praktisch identisch sind. Grund zur Klage ist das für den potentiellen Käufer allerdings (noch) nicht. Macht er sich die oben genannten Punkte bewusst, dann erkennt er, dass er mit dem Vorgängermodell, welches gerade aufgrund des allerneuesten Modells verramscht wird, besser dran ist als mit dem Allerneuesten. Dieses "alte" Modell, welches eben "nur" 6 bis 8 Megapixel hat, macht unter dem Strich die besseren Bilder. So kann man für rund 150 EUR jederzeit Kameras erstehen, die Hervorragendes leisten und dem so genannten Topmodell in nichts nachstehen – ganz im Gegenteil.

Jahr Megapixel
2000 2,1
2003 3,2
2004 4
2005 5
2006 6
2007 7,1
2007 8
2007 10
2008 12,1
Jahr für Jahr mehr Pixel auf gleich großer Fläche [Foto: Wolfgang Heidasch] Weil der hier beschriebene Sachverhalt leider noch nicht in allen Verbraucherköpfen angekommen ist, hat Dietmar Wüller von der Firma Image Engineering eine Internetseite (siehe weiterführende Links) ins Leben gerufen, in der noch detaillierter als hier das Thema beleuchtet wird. Neben den Schlussfolgerungen, die auch wir hier gezogen haben, kommt Wüller völlig zu Recht zu der Auffassung, dass die Kamerahersteller hier auf einem Holzweg sind. Natürlich ist davon auszugehen, dass die in diesem Bericht beschriebenen Zusammenhänge den Entwicklungsabteilungen der Fotohersteller gut bekannt sind. Nur haben sich diese Erkenntnisse noch nicht bis in die Marketingabteilungen herumgesprochen bzw. scheint dort anders darüber gedacht zu werden, wie man am besten Digitalkameras verkauft: nämlich über Megapixel. Also immer her damit, je mehr, desto besser.

Nun sei nicht verschwiegen, dass es für hohe Auflösungen durchaus Anwendungsgebiete gibt. Zu allererst sei hier die Ausschnittvergrößerung genannt. Dabei wird (meist am heimischen PC mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms) nur ein Teil des Originalbildes verwendet. Das Ergebnis eines solchen Schnitts hat natürlich weniger Pixel als das Original, und so ist man mit einem größeren Original immer besser dran, bzw. das Ergebnis hat dann immer noch die notwendige Pixelanzahl, um dies qualitativ gut ausgeben zu können. Der in den Kompaktkameras meist integrierte Digitalzoom macht genau das Gleiche, und auch der Effekt ist derselbe: Schneide ich von 10 Megapixeln 8 weg, so habe ich immer noch 2, was für obige Beispiele eben immer noch locker ausreicht.

Auch gibt es zunehmend Personen, die ihre Bilder innerhalb der so genannten Stockfotografie im Internet gegen Entgelt zur Nutzung anbieten. Dort gilt: Je höher die Auflösung, desto höher der erzielbare Preis, weil eben die möglichen Verwendungen vielfältiger sind. Aber auch dies ist kein Automatismus. Ein 10-Megapixel-Bild eignet sich bei den oben schon genannten 300 dpi für eine Druckausgabe im knapp DIN-A3-Format –.vielleicht interessant für einen Kalender oder eine Doppelseite einer Zeitschrift. Jedoch für alles, was kleiner ist, gilt das oben Gesagte, d. h. Weniger reicht locker aus, und das Entgelt richtet sich nach der Verwendung. Das heißt: Wird ein 10 Megapixel eben nur 6 x 4 cm groß gedruckt, gibt’s auch nur dafür Geld. Und auch dafür hätte eben wieder die kleinere Auflösung gereicht. Und daraus folgt: Manchmal ist eben weniger mehr.

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