Rubrik: Motive und Situationen

Fotosukzessionen – Teil 2: Geduld gefragt, Tricks gestattet

2007-07-16 Einen ganzen Baum oder seine Knospen in der Entwicklung zu verfolgen (siehe Fototipp vom 2. Juli 2007 unter weiterführende Links) verlangt Vorgehensweisen, für die man nicht immer Zeit hat. Lohnenswert sind aber auch Fotosukzessionen von Pflanzen, deren Entwicklung vollständig in der Wohnung stattfinden kann – z. B. die Entwicklung der Tulpen. Dabei kann es allerdings passieren, dass gerade die Zwiebel, deren Entwicklung man verfolgen will, nicht gut austreibt und keine schöne Blüte hervorbringt. Da gibt es Abhilfe.  (Günter Hauschild)

Im Spätherbst, wenn auf den Märkten Zwiebelgewächse zur Pflanzung angeboten werden, wählt man reichlich Zwiebeln aus, am besten von einem vertrauten Fachhändler, dem man vielleicht auch noch berichtet, was man mit den Zwiebeln vorhat. Normalerweise kämen diese Zwiebeln nun in den Erdboden und würden dort die Winterkälte erleben, die sie für ihre Entwicklung unbedingt brauchen. Die Zwiebeln für die Sukzession in die Erde zu pflanzen, um sie später wieder auszugraben und in Töpfe für die Wohnung zu setzen, würde ihre Entwicklung nachhaltig beeinträchtigen. Die Sukzessionszwiebeln des Fotografen erleben ihren Winter daher im Gemüsefach des Kühlschranks. Dort verbleiben sie zwei bis drei Wochen, werden dann in gleichgroße Gefäße mit guter Gartenerde gepflanzt und an einem warmen und hellen Ort (z. B. im Fensterbrett) aufgestellt. Da die Töpfe im warmen Zimmer stehen, sollte man das Gießen nicht vergessen, auch wenn noch keine Austriebe sichtbar sind. Gleichgroße Pflanzgefäße ermöglichen bei den späteren Aufnahmen einen verzeihlichen Trick: Die Pflanzgefäße werden in einen Karton gestellt und mit einer leichten Laubschicht abgedeckt. In der Bildbearbeitung wird dann der Ausschnitt so gewählt, dass der Eindruck einer Außenaufnahme (Bild 1) entsteht.

Nun ist Geduld gefragt, bis sich die ersten Triebe an der Oberfläche zeigen (Bild 2). Schon an den ersten Spitzen lässt sich abschätzen, was da für eine Tulpe erscheinen wird, schöne kräftige Blüten erscheinen in aller Regel auch aus schönen und kräftigen Trieben. Wie gesagt, in aller Regel! Weil das nun nicht so sicher ist, verfolgt man die Entwicklung mehrerer Zwiebeln und kann später die Bilder auswählen, die die Entwicklung einer Tulpe am eindruckvollsten zeigen.

Bild 1: abgedeckt [Foto: Günter Hauschild] Bild 2: ausgetrieben [Foto: Günter Hauschild] Bild 3: erblüht [Foto: Günter Hauschild]


Welche Stadien sollte man nun aufnehmen? Es sollten die sein, die für die Tulpe charakteristisch sind, nämlich …

  • ... der erste Austrieb (Bild 2);
  • ... aus dem ersten Austrieb werden die Laubblätter erkennbar;
  • ... zwischen den Laubblättern drängen sich die Blütenknospen hervor;
  • ... die Blütenfarbe wird in den Knospen erkennbar;
  • ... die Tulpe blüht auf (Bild 3).

An den blühenden Tulpen erfreut man sich, doch bald sind sie verblüht und werden in den Biomüll entsorgt. Das kann der tun, der die Tulpen allein zum Schmuck seiner Wohnung hat, aber nicht der Hobbyfotograf. Der sollte nicht nur das Aufblühen der Tulpen verfolgen, sondern auch das Verblühen. Ist nicht das Bild 5 ein glänzender Beweis für die Schönheit dessen, was vergeht?

Bild 4: bestäubt [Foto: Günter Hauschild] Bild 5: verblüht [Foto: Günter Hauschild] Bild 6: befruchtet [Foto: Günter Hauschild]


Und Bild 6 erinnert uns an die Tatsache, dass die Tulpe ja nicht nur für uns Menschen blüht. Das Blühen einer Pflanze dient der Fortpflanzung, dem Erzeugen von Nachkommen, der Sicherung der Art. Voraussetzung dazu ist die Bestäubung durch den Wind oder durch Insekten. Auch dazu sollte in der Tulpensukzession ein Foto enthalten sein (Bild 4). Mit der Übertragung der Pollen haben die Blütenblätter und die Staubgefäße ihre Aufgaben erfüllt: Die Blütenblätter lockten Insekten an, und die Staubgefäße produzierten den Pollen, die männlichen Fortpflanzungszellen. Die Blütenblätter sind bereits abgeworfen. Wie ärmlich hängen die Reste der Staubgefäße am Blütenboden. Der Fruchtknoten, als Ort der Samenproduktion, strotzt dagegen vor Saft und Kraft, er ist nun der Teil, der das Leben einer Tulpe vollendet. Er muss nur noch ausreifen, aufplatzen und die Samen für die nächste Generation ausstreuen. Dieses Bild könnte das Vorletzte der Sukzession sein. Denn die Vermehrung der Tulpen erfolgt nicht nur in der Züchtung über die Samen statt – in der gärtnerischen Produktion findet sie auch auf vegetativem Wege durch die Tochterzwiebeln statt. Also sollte man die Zwiebel von der Erde befreien und dann die letzte Aufnahme (Bild 7) machen.

Bild 7: vermehrt [Foto: Günter Hauschild]Mit einer Fotosukzession über das Leben der Tulpe wird die Entwicklung einer Pflanze in den einzelnen Stadien dokumentiert. Ganz streng genommen, müsste das Werden und Vergehen immer am Beispiel einer ausgewählten Tulpe verfolgt werden. Das birgt aber verschiedene Risiken in sich und gilt sicher nur für seriöse wissenschaftliche Untersuchungen bzw. Dokumentationen. Dem Hobbyfotografen macht es bestimmt auch viel Freude, die Entwicklung der Tulpe an sich darzustellen, indem er seine gelungensten Tulpenfotos zu einer Sukzession zusammenstellt, auch wenn die Bilder von unterschiedlichen Individuen stammen.

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