Rubrik: Bildgestaltung

Fotografische Sukzessionen

2006-01-30 Fotografische Sukzessionen bilden die Dimensionen Licht, Farbe, Raum und Zeit ab. Dabei bleiben der Kamerastandpunkt und die Perspektive unverändert. Schon in der frühen Geschichte der Fotografie findet man diese Variante der seriellen Fotografie. Namhafte Fotografen wie Rudolf Lichtensteiner haben Sukzessionen geschaffen, und Kunsthistoriker wie Dr. Rolf H. Krauss haben sich damit beschäftigt. Gerade die digitale Fotografie eignet sich bestens für fotografische Sukzessionen.  (Kristof Friebe)

 Ökologen verstehen unter dem Begriff Sukzession die zeitliche Aufeinanderfolge in der Entwicklung von Lebensgemeinschaften, z. B. in Biotopen. Fotografische Sukzessionen meinen die fotografische Erfassung eines Ablaufs unter genau festgelegten Bedingungen, was den Blickwinkel (Standort, Perspektive, Brennweite) betrifft. Sie können dokumentarisch oder bildgestalterisch angelegt sein. Typisches Motiv für die dokumentarische Variante ist z. B. die Errichtung eines Bauwerks. Eine bildgestalterische Sukzession zeigt die Abbildung unten.

Digitalkameras eignen sich bestens für Sukzessionen. Nicht nur, weil viele Modelle einen integrierten Intervalltimer haben, sondern besonders, weil die Bilder sofort ausgewertet werden können. So wird es möglich, das fotografische Projekt mit einigen Probeaufnahmen vorzubereiten.

Zur Ausrüstung: Weißabgleich, Belichtung und möglichst auch der Fokus müssen von Hand einstellbar sein. Ein Intervalltimer ist eine große Hilfe, solange die zeitliche Dimension nicht über einen oder vielleicht zwei Tage hinausgeht (für den Anfang ist ein nicht zu langer Zeitraum sehr empfehlenswert). Für größere Zeitrahmen, bei denen nicht mit dem Intervalltimer gearbeitet werden kann, sollte ein Fernauslöser verfügbar sein. Zur Ausrüstung gehört unbedingt ein gutes Stativ und – wenn es um Landschafts- und Architekturfotografie geht – eine auf den Blitzschuh aufschiebbare Wasserwaage, mit der die Kamera genau ausgerichtet werden kann.

Vorgehensweise bei gestalterisch motivierten Sukzessionen: Besonders wichtig ist die Auswahl eines im Sinne der Sukzession sehenswerten Motivs und gute Vorbereitung. Die Kamera bleibt starr, also muss sich alles im Motiv, in den Dimensionen Licht, Farbe, Raum und Zeit abspielen. Geht die Dimension Zeit über viele Stunden oder z. B. über zwei Tage, muss auch der Kamerastandort im Hinblick auf Sicherheit und ggf. Wetterschutz bedacht werden. Nicht vergessen darf man den gut aufgeladenen Akku. Ist ein Intervalltimer vorhanden, muss man das Zeitintervall (z. B. alle 15 Minuten) und die Anzahl der Belichtungen einstellen. Dann erfolgt das erste Auslösen von Hand, alles Weitere geschieht automatisch.

Amperauen, 11. Januar 2006, 15:54 bis 16:34, Intervalle 5 Minuten. [Foto: Kristof Friebe]Einstellungen: Der Weißabgleich und die Belichtungseinstellung sollten manuell erfolgen. Bei automatischer Einstellung würde sonst die Technik der Kamera (in ihren Grenzen) genau die Veränderungen im Motiv, die dargestellt werden sollen, ausgleichen. Auch die manuelle Einstellung des Fokus ist anzuraten, damit sie nicht durch Zufälle (Vogelflug, zu geringer Kontrast für die Messung) beeinflusst werden kann. Die ISO-Empfindlichkeit kann und soll in den meisten Fällen möglichst niedrig eingestellt sein, zur Minimierung des Bildrauschens.

Zur manuell einzustellenden Belichtung: Während des automatischen Ablaufs der Aufnahmen kann die Belichtungseinstellung nicht verändert werden, dies widerspräche der Idee einer fotografischen Sukzession und würde bei den meisten Kameras den Intervalltimer abschalten. Daher muss man eine mittlere Belichtungseinstellung wählen, möglichst nach einigen Testaufnahmen, etwa einen Tag vorher, zur für den geplanten Zeitrahmen gewählten Start- und Schlusszeit. Danach kann man einen Mittelwert auswählen. Selbst wenn die Lichtverhältnisse zur tatsächlichen Startzeit anders sind, kann man anhand einer neuen Messung die Belichtung entsprechend angleichen.

Bildbearbeitung: Um die Originalität der Sukzession zu erhalten, sollte man sparsam mit der Bildbearbeitung umgehen. Manchmal muss bei der Belichtung und beim Kontrast etwas nachgeholfen werden. Dann ist es ein großer Vorteil, wenn im RAW-Format fotografiert wurde, denn das bietet die Möglichkeit, die Kamera in gewissen Grenzen virtuell nachträglich neu einzustellen. Bei Bildbearbeitungsprogrammen kann man gut mit der Tonwertkorrektur und dem Histogramm arbeiten, wobei der linke und der rechte Regler mit der Maus in ausgewählten Schritten (Skala beachten) näher an den Beginn bzw. an das Ende der Kurve geschoben werden kann. Das hellere Bild muss aber immer heller, das dunklere immer dunkler bleiben.

Präsentation: Es macht vergleichsweise wenig Spaß, die Einzelbilder einer Sukzession nacheinander zu betrachten. Die Darstellung auf einem Tableau ist viel anschaulicher. Das Auge kann von Bild zu Bild wandern und die Veränderungen vergleichend wahrnehmen. Oft ist es sinnvoll, (ganz sparsam) Erklärungen anzubieten. Die Bildunterschrift für das Tableau oben lesen Sie, wenn Sie die Maus auf das Bild führen. Ein gut gelungenes Tableau eignet sich nicht nur für die eigenen vier Wände, sondern z. B. auch für einen Empfangsraum.

Langzeit-Sukzessionen: Soll die zeitliche Dimension einer Sukzession Wochen, Monate oder gar Jahre umfassen, muss man sich mit der Reproduzierbarkeit der Bedingungen wie Kamerastandort, Stativeinstellungen (Beinwinkel, Neige- und Schwenkwinkel des Kopfes), Einstellungen der Kamera usw. viel Mühe geben. Es gehört eine gewisse Passion dazu, dafür ist die Belohnung, nämlich die Freude an einem außergewöhnlichen fotografischen Werk, meistens sehr groß.

Als Pionier der seriellen Fotografie gilt der 1852 von England nach Amerika ausgewanderte Eadweard Muybridge (1830-1904). Ein wohlhabender Pferdezüchter in Palo Alto/Kalifornien wollte herausfinden, ob es bei Pferden in der Gangart Trab einen kurzen Moment gibt, in denen sie schweben. 1878 erhielt Muybridge den Auftrag, dies fotografisch zu dokumentieren. Das Resultat dieser Bemühungen ist im Web zu finden (siehe weiterführende Links unten) und sehr vergnüglich anzusehen. Für ernsthafte Interessenten der seriellen Fotografie (und weitere Recherche) hier zwei Literaturhinweise: Rudolf Lichtensteiner, "Baumwerke" Photographische Bilder, Stiftung für die Photographie, Kunsthaus Zürich und Canon Photo Gallery, Genève 1980; darin besonders aufschlussreich die Bildzyklen 1980 Baumwerke, 1982 Reisen um mein Zimmer, 1985 Tischgeschichten, 1990 Zeitungsarbeiten, 1991 Sukzessionen, 1992 bildwörtlich – wortbildlich und 1996 Reisen außerhalb. Auch der Kunsthistoriker Dr. Rolf H. Krauss gestaltete unter dem Titel „Sukzessionen“ eigene Photoarbeiten, die 1994 beim Verlag Hatje Cantz in Stuttgart in einem Katalog zusammengefasst wurden (ISBN 3-89322-634-6).

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