Rubrik: Zubehör

Digitale Belichtungen – externer Belichtungsmesser?

2006-08-14 Eine häufig gestellte Frage ist: "Benötigt man in der digitalen Fotografie überhaupt noch einen externen Handbelichtungsmesser? Man kann doch alle Aufnahmefehler mit dem Computer bearbeiten." Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst ergründen, was sich in der digitalen Fotografie im Vergleich zur analogen Fotografie verändert hat. Allein das Aufnahmematerial hat sich gewandelt: An Stelle des chemischen Films ist ein Sensor (CCD, CMOS, Foveon) getreten. Die Fotografie ist bis auf diesen Umstand gleich geblieben. Erst durch Umwandlung der Daten aus dem Sensor durch den Analog/Digital-Wandler wird die Fotografie digital. Bis zu diesem Zeitpunkt gelten für digitale und analoge Fotografie die gleichen optischen Gesetze.  (Uwe Müller)

 

Bei der analogen (chemischen) Fotografie hat man die Möglichkeit, im Labor Fehler in der Aufnahme zu korrigieren. Die gleiche Möglichkeit hat man in der digitalen Fotografie auch, eben am Computer. Um in der Aufnahme entstandene Fehler zu beheben, bedarf es des gleichen Fachwissens und des gleichen zeitlichen Aufwands wie bei der analogen Fotografie. Auch ist in der digitalen Fotografie die Möglichkeit, aus einer schlechten Aufnahme ein gutes Ergebnis zu erzielen, genauso eingeschränkt: Eine Aufnahme, die in den Randbereichen von Licht und Schatten keine Zeichnung aufweist, ist mit Computertechnologie auch nicht zu retten. Das A und O einer guten Aufnahme wird also weiterhin die richtige Belichtung sein. Daraus resultieren fünf gute Gründe, Handbelichtungsmesser auch für die digitale Fotografie zu verwenden. Sie sollen hier im Einzelnen untersucht werden.

1. Verwenden der eingebauten Belichtungsautomatik

Klassisches Beispiel: die schwarze Katze im Schnee, hier in den Bildern ersetzt durch einen Gossen-Handbelichtungsmesser. Man sieht: Die Lichtmessung (mit einem Handbelichtungsmesser ausgeführt) bleibt das A & O der korrekten Belichtung. Allerdings ist dabei wichtig, die ISO-Einstellung des externen Belichtungsmessers auf den tatsächlichen ISO-Wert der jeweiligen Digitalkamera einzustellen (der meist nicht der offiziellen Herstellerangabe entspricht – ein Thema für sich!).

Bild 1: Aufnahme mit Objektmessung [Foto: Uwe Müller] Bild 2: Aufnahme mit Lichtmessung [Foto: Uwe Müller]



2. Beurteilung der korrekten Belichtung über die Histogramm-Funktion

Vielfach wird angenommen, "ein ausgeglichenes Histogramm mit voll genutztem Tonwertumfang entspricht der korrekten Belichtung". Diese Aussage ist ein Trugschluss: Ein ausgeglichenes Histogramm besagt nur, dass alle Tonwerte gleichmäßig über den Abbildungsumfang verteilt sind. Vergleicht man z. B. das Histogramm der Portrait-Aufnahme in den Bildern 3 und 4 (= integrale Tonwertverteilung der Gesamtaufnahme) mit dem Histogramm des bildwichtigsten Bildausschnitts "Gesicht", dann stellt man fest, dass das Histogramm nicht mit dem Neutralpunkt (50% Tonwert zu 128) übereinstimmt. Fazit: die Aufnahme ist falsch belichtet.

Bild 3: Histogramm der Gesamtaufnahme [Foto: Uwe Müller] Bild 4: Histogramm des Bildausschnitts "Gesicht" [Foto: Uwe Müller]


3. "Bei der Digitalfotografie spielt eine korrekte Belichtung keine Rolle, man
kann alles mit einem Bildbearbeitungsprogramm reparieren"

Um diese Falschaussage zu korrigieren, sollte man den Tonwertumfang (Filmkontrastumfang von analogen Filmmaterialien zu digitalen Sensoren) kennen:

Aufnahmematerial Belichtungsumfang
Schwarz-Weiss Negativ 11 bis 13 Blendenstufen
Farbnegativfilm bis 10 Blendenstufen
Farbumkehrfilm (Dia) 6 bis 7 Blendenstufen
Digitale Fotografie bis zur Zeit max. 8,7 Blendenstufen

Aus dieser Tabelle geht hervor, dass der Tonwertumfang digitaler Aufnahmen mit dem des Diamaterials vergleichbar ist; und alle Fotografen, die sich mit Diamaterial beschäftigen, wissen, dass dieses keine Fehlbelichtungen verzeiht. Gegenüber Filmmaterial ist der Übergang zur Fehlbelichtung beim digitalen Sensor sehr viel härter, d. h. der Unterschied zwischen guten und schlechten Bildern stellt sich übergangslos ein. Der Unterschied zwischen den beiden Bildern 5 und 6 beträgt 2/3 Blenden und führt beim linken Bild 5 zu nicht
natürlichen, falschen Farben.

Bild 5: 2/3 Blende überbelichtet [Foto: Uwe Müller] Bild 6: korrekt belichtet [Foto: Uwe Müller]

4. Korrektur von Unter-/Überbelichtung

Wo keine Informationen (Zeichnung in den Schatten, ausgefressene Lichter) sind, kann auch keine Information geschaffen werden – Nachbearbeitung bedeutet immer ein Wegnehmen von vorhandenen Informationen. Die Korrektur einer Unter- Überbelichtung (siehe Bilder 7 und 8) bedeutet, den zu geringen Tonwertumfang auf den vollen Bereich zu expandieren (z. B. 4 Blendenstufen auf bis 7 Blendenstufen zu erhöhen). Im Histogramm ist dies am gefürchteten "Lattenzaun" zu erkennen: kein stetiger Tonwertverlauf, d. h. Informationslücken.

5. "Alles lässt sich mit der Bildbearbeitung am Computer bereinigen"

Bild 7: Aufnahme ohne Korrekturen [Foto: Uwe Müller]Voraussetzung für Nachbearbeitung am Computer ist ein kalibrierter Monitor. Wird an einem unkalibrierten Monitor ein objektiv farbneutrales Bild erstellt, kann einer der häufigsten Fehler in der Ausbelichtung eines Bildes geschehen: Bilder kommen mit Farbstichen aus dem Labor zurück! Viele Fehler einer digitalen Aufnahme lassen sich passabel durch Nachbearbeitung korrigieren. Diese Nacharbeit ist zu vergleichen mit analoger Laborarbeit – sie bedarf der Fachkenntnis im Umgang mit Farbe und Kontrast und erfordert einen nicht unerheblichen Zeitaufwand – der Vorteil der digitalen Fotografie ist aber der schnelle Prozessablauf (Workflow) und wird durch die Nachbearbeitung behindert, wenn nicht sogar zunichte gemacht.

Bild 8: Aufnahme nach der Korrektur [Foto: Uwe Müller]Fazit: Moderne Kamerasysteme, analoge und digitale, besitzen eine Vielzahl von Belichtungsmöglichkeiten, die einen externen Belichtungsmesser überflüssig erscheinen lassen. Bei digitalen Aufnahmesystemen gibt es darüber hinaus noch zwei weitere Hilfsmittel: Den LCD-Monitor – er ist jedoch nur eine Hilfe, um eindeutige Fehlbelichtungen sofort zu erkennen. Ferner verfügen digitale Kameras teilweise über ein eingeblendetes Histogramm, das nach der Aufnahme die Tonwertverteilung der gesamten Aufnahme angibt. Der Vorteil eines externen Belichtungsmessers ist nach wie vor die Möglichkeit der Lichtmessung. Dies ist vor allem bei in sich hellen oder in sich dunklen Motiven wichtig. Auch in schwierigen Aufnahmesituationen, wie z. B. bei kontrastreichen Motiven, führt die Lichtmessmethode wesentlich sicherer zu gut belichteten Aufnahmen. Ein Fotograf wird immer den Kontrastumfang, den Beleuchtungsumfang sowie die Allgemeinhelligkeit exakt bestimmen wollen. Denn auch mit digitaler Fotografie gilt: Je besser die Aufnahmequalität, desto präziser ist das Endprodukt.

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