Gimp-Team

Testbericht: Gimp-Team Gimp 2.4 RC3

2007-11-14 Schon seit 1996 gibt es das kostenlose Bildprogramm Gimp, das zunächst nur unter Unix lief, dann aber auch auf Windows und Mac portiert wurde. Nach langer Zeit erschien nunmehr eine neue Version des Gratis-Bildbearbeitungsprogramms. In der Version 2.4 bietet Gimp zahlreiche Verbesserungen. Ein Release Candidate – also eine fast fertige Serienversion – von Gimp 2.4 steht zum Download bereit. digitalkamera.de hat getestet, was Gimp jetzt bietet und ob das Programm seine alte Absturzanfälligkeit abgelegt hat.  (Heico Neumeyer)

  In der Version 2.4 bietet Gimp neue Funktionen für Auswahl und Fehlerretusche. [Foto: Getty Images]
  In der Version 2.4 bietet Gimp
neue Funktionen für Auswahl
und Fehlerretusche.
Schon lange war Gimp 2.4 angekündigt, doch dann kamen immer nur Mini-Updates wie etwa Gimp 2.2.17 im Juli 2007. Nun ist es soweit: Ein Release Candidate – also eine fast fertige Serienversion – von Gimp 2.4 steht zum Download bereit (siehe weiterführende Links). Diese Version hat digitalkamera.de getestet. Zu den wichtigen neuen Funktionen zählt die Vordergrundauswahl, die den Zauberstab arbeitslos macht und beim Auswählen von Portraits oder Produktfotos helfen soll. Man malt grobe Linien außen um das Hauptmotiv herum sowie – mit einem anderen Werkzeug – über dem Hauptmotiv selbst. Doch obwohl sich die Kantenerkennung feinsteuern lässt, entstanden im Test keine sofort nutzbaren, perfekten Ergebnisse. Immerhin liefert Gimp mit Alphakanälen, Ebenenmasken und Pfaden viele Funktionen, die vorhandene Auswahlen präzise verfeinern.

Hinzugekommen ist auch ein Filter gegen rotgeblitzte Augen. Der putzt das Rot sehr wirkungsvoll aus der Iris der Fotomodelle heraus – und rote Lippen oder Hemden werden gleich mit schwarz. Regler-Änderungen im Filter-Dialog helfen hier nicht weiter. Die Lösung verrät Gimp aber schon im Dialogfeld selbst: "Das Ergebnis kann verbessert werden, wenn Sie die Augen per Hand auswählen." Man zieht also eine Kreis- oder Lassoauswahl um die Augen, dann lässt sich der Filter gut einsetzen. Erstmals erlaubt Gimp zudem perspektivisches Klonen: Wer Fehler auf schräg fotografierten Wänden, Böden oder Produktverpackungen retuschiert, passt so die Größe der Quelle perspektivisch korrekt an den Zielbereich an.

Der Dialog Objektivfehler korrigiert stürzende Linien und kissen- oder tonnenförmige Verzeichnungen. [Foto: Getty Images]  
Der Dialog Objektivfehler korrigiert
stürzende Linien und kissen- oder
tonnenförmige Verzeichnungen.
 
Das neue Heilen-Werkzeug überdeckt Pickel, Sensorstaub und andere lästige Störungen mit brauchbaren Pixeln aus der Umgebung. Anders als der übliche Kopierstempel gleicht das Heilen-Werkzeug Helligkeitsunterschiede zwischen Retuschebereich und Umgebung aus. So entstehen keine unschönen Korrektur-Ränder. Klickt man exakt einmal – etwa auf einen Staubfleck –, dann überdeckt der Heilen-Stempel die Problemstelle ganz ordentlich. Zieht man das Werkzeug zum Beispiel jedoch an einer störenden Stromleitung entlang, entsteht keine sinnvolle Korrektur. Der Dialog "Objektivfehler" verbessert kissen- und tonnenförmige Verzeichnung, stürzende Linien und Randabschattung (Vignettierung). Weil durch die Änderungen oft weiße Ecken entstehen, lässt sich das Bild zugleich soweit vergrößern, bis die leeren Ecken wieder ausgefüllt sind. Gimp unterstützt nun auch Farbprofile mit den Endungen .icc und .icm. Wird ein Bild mit dem falschen Farbprofil geöffnet, kann es wahlweise konvertiert werden.

  Die Journal-Palette zeigt zu jedem Arbeitsschritt eine Bildminiatur [Foto: Heico Neumeyer]
  Die Journal-Palette zeigt
zu jedem Arbeitsschritt
eine Bildminiatur.
Die Gimp-Oberfläche bleibt umständlich, doch das Update bringt immerhin leichte Verbesserungen. So blendet die Tab-Taste nun alle Paletten auf einen Schlag aus. Allerdings muss man vorher auf eine Bilddatei klicken, es darf nicht eine Palette aktiviert sein. Wer Programme am Mac oder unter Windows gewohnt ist, wird Gimp auch in der Version 2.4 stark gewöhnungsbedürftig finden. Weiterhin überdecken sich die Paletten und Bildfenster des Programms ständig gegenseitig. So muss man laufend die Bilddatei wegklappen, um nach Werkzeugleiste oder Ebenenpalette zu suchen – nur per Tab-Taste geht es eventuell schneller. Jede einzelne Palette, jedes Bild bildet ein Objekt in der Windows-Taskleiste, die damit kurzum vollläuft. Das nervt enorm, speziell wenn man zu anderen Programmen umschalten will.

Neben einem sehr umständlichen Speichern-Dialog leistet sich Gimp gleich zwei Hauptmenüs – einmal über der zentralen Werkzeugleiste, einmal über jeder einzelnen Bilddatei. So gebietet der verwirrte Nutzer gleich über zwei "Datei"-Menüs – die sich auch noch unterscheiden. Und Teile aus dem Hauptmenü "Farben" kehren im Untermenü "Werkzeuge, Farben" wieder. Eine Alternative zum Palettenverhau à la Gimp bietet zwar die Freeware Gimpshop (siehe weiterführende Links), die das ganze Programm in eine Photoshop-artige Oberfläche verpackt – doch Gimpshop ist nicht immer auf dem neuesten Stand. Doch die ehrenamtlichen Gimp-Programmierer setzten auch gute Ideen um, die man sonst unter Windows nicht findet. Zum Beispiel die Menüs: Sie lassen sich abreißen und auf dem Bildschirm ablegen – häufig benutzte Befehle stehen damit schnell zur Verfügung. Toll auch das Journal: Wie die Protokollpalette bei Photoshop bietet das Journal die letzten Arbeitsschritte zum Widerrufen an – doch zu jeder Änderung am Bild gibt es auf Wunsch eine Miniatur. Freilich lassen sich einzelne Zwischenstände nicht dauerhaft oben in der Journalpalette verankern. Die Menübefehle lassen sich mit beliebigen Tasten belegen, und was Gimp in der Titel- und Statusleiste meldet, steuert der Anwender ganz nach Belieben.

Fazit: Gimp 2.4 läuft stabil und bietet solide Funktionen für die Grundaufgaben der Bildbearbeitung. Das Programm ist jedoch alles andere als komfortabel und einsteigerfreundlich. Wer etwas Geld übrig hat, findet für 35 bis 100 EUR weit eingängigere Bildprogramme, von FixFoto bis zu Photoshop Elements und Paint Shop Pro.

Kurzbewertung

  • Gradationskurve und Histogramm
  • gute Farbverläufe
  • Montagetechnik mit Ebenenmasken und Pfaden
  • gratis
  • Raw und Exif erfordern Plug-ins
  • Aufzeichnung von Befehlsfolgen sehr kompliziert
  • umständliche Oberfläche
  • keine abschaltbare Kontrastkorrektur

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Autor

Heico Neumeyer

Heico Neumeyer schreibt Testberichte und Praxistipps für PC- und Fotozeitschriften und gibt Schulungen. Er ist auf digitale Bildbearbeitung und Fotografie spezialisiert. Sein Photoshop-Kompendium im Verlag Markt+Technik gilt seit vielen Jahren als Standardwerk. Neumeyer studierte Deutsch, Pädagogik und Politik in Berlin und Köln und war Redakteur bei einer Fotozeitschrift. Er ist bekannt für praxisnahe, gut lesbare Texte und maßgeschneiderte Schulungen. Er lebt in Oberbayern.