Bernd Ratfisch

Testbericht: Bernd Ratfisch Professor Bernie's Foto-Programm

2003-06-06 Professor Bernies Foto-Programm ist ein kluges Nachschlagewerk, das ein Fotograf immer bei sich führen sollte. Doch wenn man nicht einen Laptop besitzt, ist dieser wertvolle Ratgeber nur am heimischen Computer zu benutzen. Bildungshungrigen Fotografen bedient er mit einem Lexikon, das sowohl Künstlerbiografien wie auch Fachtermini umfasst. Die Einträge können vom Benutzer ergänzt und erweitert werden. Daneben gibt es eine umfangreiche und bebilderte Liste bekannter Objektivtypen.  ( PhotoWorld)

   Professor Bernie's Foto-Programm [Screenshot: Photoworld]
 

Für die diffizile fotografische Praxis dagegen wartet er mit einem Rechner auf, der typische Situationen zu meistern hilft. So bestimmt er aus dem Zusammenspiel mehrerer Variablen die maximale Schärfentiefe oder er gibt vor, welche Einstellungen für das Einfrieren einer schnellen Bewegung nötig sind. Präzise kann so ein Motiv arrangiert werden.

Das Programm liegt nach dem Upload als komprimierte Zip-Datei vor, die ein Entpackerprogramm wie Freezip wieder in ein benutzbares Installationsprogramm verwandelt. Mit einem Doppelklick auf install.exe wird das Foto-Programm schließlich im Verzeichnis C:\FOTO eingerichtet. Dort findet man auch die Datei pbfoto.exe, mit der man den Foto-Ratgeber startet.

Bildgestaltung mit mathematischer Präzision  Nach der Installation der Freeware kann man seine Kamera von der Automatik-Funktion auf Handbetrieb umstellen und die Kontrolle übernehmen. Dem Fotografen wird in sechs typischen Situationen geholfen:

  1. Die Schärfentiefe gibt an, wie scharf die Umgebung vor und hinter dem Motiv wiedergegeben wird. In Abhängigkeit etwa von Blendenöffnung und Brennweite ändert sich dieser Wert von wenigen Zentimetern bis unendlich.
  2. Einem Problem, vorrangig der analogen Welt, nimmt sich die Farbtemperatur-Konversion an. Um sich auf das veränderte Lichtspektrum bei Glühlampen- oder Sonnenlicht einzustellen, muss man einen speziellen Film verwenden, der etwa auf den höheren Orangeanteil bei Lampenlicht abgestimmt ist. Zusätzlich werden Farbfilter eingesetzt, um die natürlichen Nuancen noch akkurater wiederzugeben. Auch um die voreingestellten Weißabgleiche bei Digitalkameras zu modifizieren, ist ein solcher Farbfilter nützlich. Da sich für die Benennung der Filter ein Standard durchgesetzt hat, gibt das Programm je nach Lichtsituation einfach die passende Kennziffer und Farbe aus.
  3. Gleich sieben Faktoren müssen herangezogen werden, um die Verschlusszeit zu berechnen. Doch wer keinen Belichtungsmesser besitzt, muss schon mehr als nur den dazugehörigen Blendenwert berücksichtigen. Kategorien wie "Gruppe unter Bäumen" oder "offene Landschaft" präzisieren die Aufnahmesituation so weit, dass sich vernünftige Aussagen über die Belichtungszeit machen lassen.
  4. Die vierte Rechnung soll bestimmen, in welchem Umfang etwa eine Landschaft auf Fotopapier kommt. Der Sehwinkel des menschlichen Auges beträgt 46 Grad. Mit einem Weitwinkelobjektiv lässt sich dieses Blickfeld erweitern, mit einem Teleobjektiv verkleinern. Abgesehen von einem lang- oder kurzbrennweitigen Objektiv hängt der Blickwinkel vom Bildformat ab – der CCD einer Digitalkamera etwa erzeugt gänzlich andere Abmessungen als ein chemischer Kleinbildfilm. Aus dem Zusammenspiel beider Faktoren lässt sich genau ermitteln, ob ein Berggipfel noch mit aufs Foto kommt oder schon aus dem Bildrand fällt.
  5. Wie kurz die Belichtungszeit sein muss, um eine schnelle Bewegung einzufangen, verrät die nächste Anwendung. Wenn man unter den halbwegs kontrollierten Bedingungen eines Radrennens in einer Halle knipsen will, kann man sich bereits zuhause gründlich vorbereiten – vorausgesetzt der Fotograf kennt seinen Standort und damit Winkel, Geschwindigkeit und Entfernung, mit denen die Fahrer auf ihn zukommen.
  6. Als Letztes wird berechnet, wie groß ein Dia auf eine Leinwand geworfen wird. Um ein Resultat zu erhalten, muss man die Objektiv-Brennweite, den Abstand von der Leinwand und das Bildformat parat haben. Danach weiß man, ob die Dia-Show im Wohnzimmer stattfinden kann oder ob man doch besser einen Saal anmietet.
Schärfentiefe vor und hinter einem Motiv [Screenshot: Photoworld] Eingabefelder für die Rechenoperation [Screenshot: Photoworld]

Soll das Gebüsch im Bildvordergrund oder die Schrankwand als Kulisse noch
scharf erkennbar sein, muss man die Schärfentiefe ermitteln.

 
Farbtemperatur [Screenshot: Photoworld] Farbtemperatur ermitteln [Screenshot: Photoworld]

Je nach Umgebungslicht muss man den Filmtyp anpassen oder einen
Weißabgleich vornehmen. Die letzte Feinjustierung erledigt ein Farbfilter.

 
Blickwinkel [Screenshot: Photoworld] Blickwinkel berechnen [Screenshot: Photoworld]

Reichen das Objektiv und die Einstellungen aus, um das Panorama zu erfassen?
Die Berechnung des Bildwinkels verrät es.

 
Eingefrorene Bewegung einer Läuferin [Screenshot: Photoworld] Berechnung der Verschlusszeit [Screenshot: Photoworld]

Textaufgabe: Eine Läuferin sprintet mit 20 km/h, wobei sie in einem Winkel von
90 Grad und 12 Meter Entfernung am Betrachter vorbeirennt. Als Objektiv hat man
ein 200 mm Tele. Welche Verschlusszeit benötigt man, um die Bewegung
einzufrieren?

 

Welche Dimension erreicht die
Dia-Show?

Wie lange muss eine Gruppe im Freien
an einem sonnigen Apriltag um 11 Uhr
belichtet werden?

Fotografische Hintergründe  Was?! Sie wissen nicht, was ein Petzval und was ein Aplanat ist? Dann wird es höchste Zeit, bei den aufgelisteten Objektivtypen nachzuschlagen. In Wort und Bild erfährt man hier die Herkunft, Funktion und Bauweise verschiedener Linsensysteme.

Nachschlagewerk Objektivtypen [Screenshot: Photoworld] Nachschlagewerk Lexikon [Screenshot: Photoworld]

Fotografie ist eine Wissenschaft für sich. Die Nachschlagewerke enthüllen
ihre Geheimnisse.

Wer sich nicht allein mit solch handwerklichem Wissen zufrieden gibt, der kann in der Wissensfülle des Lexikons schwelgen. Von Abbe bis Zwischenring existieren profunde Beiträge, für die eine Suchfunktion und eine Maske zum Editieren bereits stehen. Die historischen und technischen Daten lassen sich mittels dieser Maske um eigenes Wissen ergänzen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt umfasst das Lexikon 391 Stichworte.

Fazit  Wie häufig weiß man vor einem Schnappschuss, in welcher Geschwindigkeit und welchem Winkel ein Auto vorbeirast? Eher selten, weswegen die Berechnung der Verschlusszeit, um eine Bewegung einzufrieren, unwichtig erscheint. Doch wenn man ein Foto komponieren will, in dem sowohl das Hauptmotiv als auch die räumliche Tiefe perfekt aufeinander abgestimmt sind, kommt man ohne exakte Anordnung nicht aus – es sei denn, man will sich blind an die richtigen Werte herantasten. Hier hilft die Freeware: Denn sobald man sich auf die manuelle Steuerung verlässt, heißt es abwägen, planen und vor allem rechnen. Wer Gleichungen mit ein oder zwei Unbekannten nicht mehr flüssig beherrscht, wird für die zahlreichen Eingabemasken dankbar sein.

Das beigefügte Fotografie-Lexikon ist zwar weit entfernt vollständig zu sein, doch liefert es hilfreiche und gut zusammengefasste Informationen. Wenn man der Freeware treu bleiben will, kann man Lücken auch mit eigenem Wissen füllen oder aus dem Internet übernehmen.

Artikel-Vorschläge der Redaktion