Rubrik: Motive und Situationen

Der Mitzieher – Wie man Bewegung in seine Bilder bringt

2009-01-26 In England nennt man es einen "Panning-Shot" (Schwenkschuss), hier in Deutschland sagt man ganz einfach "Mitzieher" dazu. Diese Mitzieher entstehen in der Fotografie immer dort, wo lange Verschlusszeiten und nachgeführte Bewegung aufeinandertreffen. Diese Art der Fotografie findet häufig im Sport Verwendung. Denn die meisten Sportarten begeistern nicht nur durch ihre Spannung und Dramatik, sondern auch durch ihre Geschwindigkeit. Im Gegensatz zu den Kollegen der bewegten Bildberichterstattung im Fernsehen können Fotografen nur einen einzigen Moment ablichten. Dadurch regiert in der Fotografie gesetzmäßig der Stillstand. Der folgende Fototipp verrät, wie man trotzdem Action und Bewegung in ein Bild zaubert.  (Marco Knopp)

1/50 s, F13, ISO 400, Brennweite 17 mm, Blitz ein. Leichter Mitzieher. Das Objekt wird freigestellt, Hintergrund ist trotzdem gut zu erkennen [Foto: Marco Knopp] Mitzieher sind ein Gestaltungsmittel, um Dynamik zu erzeugen. Dieser Dynamikeindruck entsteht dadurch, dass die Kamera mit dem zu fotografierenden Objekt mitgeschwenkt wird. Durch die Bewegung verwischt der Hintergrund, während das Hauptmotiv scharf abgebildet wird. So kommt Bewegung ins Bild, und es entsteht der Eindruck einer rasanten Fahrt.

Um die Stärke des Wischeffektes zu steuern, ist eine Kamera Pflicht, die eine Wahl der Verschlusszeit erlaubt. Dies geschieht bei einigen Kameramodellen über die manuelle Wahl der Belichtung (M), oder den Betriebsmodus Tv bzw. S (Blendenautomatik). Um Bewegung in ein Bild zu bekommen, sollte die Verschlusszeit deutlich länger eingestellt werden, als es die Automatik tun würde.

1/60 s, F5, ISO 800, Brennweite 28 mm, Blitz aus. Leichter Mitzieher, Schärfe liegt nur auf dem Helm des vorderen Fahrers. Die Kontrahenten bleiben trotzdem gut zu erkennen. [Foto: Marco Knopp] In der Blendenautomatik stellt der Fotograf die Verschlusszeit manuell ein, und die Kamera sorgt automatisch für die benötige Blende. Daher sollte die korrekte Belichtung des Bildes in der Regel stimmen. Bei außergewöhnlich hellen oder dunklen Motiven kann ein Experimentieren mit verschiedenen Belichtungsmessmethoden erforderlich sein, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Um das Hauptmotiv später auch richtig scharf ablichten zu können, sollte außerdem der Autofokusmodus der Kamera auf Objektverfolgung (AI-Servo) gestellt werden.

Die Wahl der Verschlusszeit ist in erster Linie abhängig von der Bewegungsgeschwindigkeit des aufzunehmenden Motivs. Als guter Ausgangswert hat sich hierbei eine 1/30 Sekunde bewährt. Wenn der Hintergrund zu stark verwischt ist, sollte die Verschlusszeit verkürzt werden. Ist der Effekt zu wenig ausgeprägt, muss die Verschlusszeit verlängert werden. Langsames, stufenweises Ändern der Zeit ermöglicht es einem, den Grad der Verwischung der Situation und dem eigenen Geschmack anzupassen. Die geeignete Länge der Verschlusszeit muss jedoch bei jeder Situation neu ermittelt werden. Für hohe Geschwindigkeiten, wie zum Beispiel bei einem Rennwagen, 1/20 s, F9,5, ISO 400, Brennweite 28 mm, Blitz ein. Mitzieher mit Blitz. Die Geschwindigkeit des Fahrers wird dadurch deutlich. Für die Schärfe sorgt der Aufsteckblitz [Foto: Marco Knopp] wird vermutlich bereits eine 1/500 Sekunde ausreichen, um dem Hintergrund Dynamik zu verleihen. Ein Faktor, der ebenfalls berücksichtigt werden muss, ist der Abstand zum Motiv; dabei gilt folgende Regel: Je näher das Motiv am Fotografen ist, desto kürzer muss die Verschlusszeit gewählt werden.

Bei sehr schnellen, entfernteren Objekten hilft es, eine lange Brennweite zu verwenden, da das Objekt durch die größere Entfernung leichter zu verfolgen ist. Allerdings wird gleichzeitig die Verwacklungsgefahr beim Fotografieren aus der Hand erheblich größer. Bei kurzen Brennweiten verringert sich die Verwacklungsgefahr, dafür muss der Mitzieher mit einer höheren Geschwindigkeit durchgeführt werden. Jede Brennweite hat also Stärken und Schwächen, daher sollte man vor Ort ausprobieren und entscheiden.

1/20 s, F22, ISO 400, Brennweite 28 mm, Blitz aus. Stärkerer Mitzieher, ohne Blitz. Durch das fehlende Blitzlicht friert das Motiv nicht komplett ein, der Focus des Bildes liegt nur auf dem Kopf des Fahrers [Foto: Marco Knopp] Ein sehr guter Tipp ist es, das Objekt schon lange vor dem Auslösen durch den Sucher zu verfolgen. So kann man die Geschwindigkeit des Motivs aufnehmen und verringert dadurch die Bewegungsunschärfe. Gleichzeitig steigt die Chance, das Objekt im Sucher richtig zu positionieren.

Sehr hilfreich ist auch der Einsatz eines Blitzlichtes. Der Blitz kann sich dabei auf der Kamera befinden oder entfesselt ausgelöst werden. Die extrem kurze Blitzdauer friert das Motiv zusätzlich ein. Mit einem Fernauslöser ist dies auch bei langen Brennweiten möglich. Allerdings kann das künstliche Licht die Stimmung kaputt machen und muss daher dosiert eingesetzt werden.

Fazit Leider gibt es beim Mitzieher kein Patentrezept, da Einstellung und Mitführgeschwindigkeit von vielen Faktoren beeinflusst werden. Entfernung, Größe und Geschwindigkeit des Motivs spielen genau so eine Rolle wie Licht, Blende und Brennweite. Genau wie alle anderen Techniken der Fotografie erfordert der Mitzieher etwas Übung. Sobald man aber ein Gespür für die richtige Verschlusszeit, die passende Geschwindigkeit und vor allem den perfekten Auslösemoment entwickelt hat, entstehen Bilder, die nicht nur außergewöhnlich sind sondern dem Betrachter auch richtig Spaß machen. Aber wie bei allen Aufnahmetechniken gilt: Rausgehen, experimentieren und seinen eigenen Stil finden.

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