Bildbearbeitungssoftware

Testbericht: Skylum Luminar AI

2020-12-09 Nach monatelangen Ankündigungen, technischen Entwicklungs-Notizen und vielem mehr ist es soweit. Skylum Luminar AI erblickt das Licht der Welt und schickt sich an, die Welt der Bildbearbeitung durch einfache Bedienung und komplexe Resultate zu revolutionieren. Wir haben uns die Software genau angesehen und verraten, was Luminar AI richtig gut kann und ob es Bereiche gibt, wo die Software sich nicht so gut schlägt.  (Harm-Diercks Gronewold)

Luminar AI von Sklyum wird für knapp 80 Euro für Windows 10 und Apple macOS 10.13.6 erhältlich und kann am dem 15.12.2020 direkt beim Hersteller Skylum bezogen werden. Dort wird dann auch eine kostenlose, zeitlich begrenzte Testversion erhältlich sein.

Die Installationsgröße von Luminar AI ist auf Windows-Systemen mit knapp drei Gigabyte nicht gerade schlank. Bevor man die Software benutzen kann, muss man sich mit dem eigenen Skylum-Account bei aktiver Internetverbindung einloggen. Das ist allerdings nur einmal notwendig, danach ist Luminar AI auch offline vollumfänglich einsetzbar. Beim Installationsprozess fragt Luminar AI, ob ein Photoshop- beziehungsweise Lightroom-Plugin gleich mit installiert werden soll. Eine Symbiose ist mit den beiden Platzhirschen der Bildbearbeitung von Adobe also möglich.

Die Version von Luminar AI, die diesem Test zugrunde liegt, ist zwar Version 1.0 und wird von Skylum als "Gold-Master" bezeichnet, doch bis zum offiziellen Release am 15.12.2020 könnten noch einige oder alle unsere Kritikpunkte beseitigt werden. Wir werden diesen Test dann dementsprechend aktualisieren.

Die Arbeitsoberfläche von Luminar AI ist übersichtlich gestaltet und der Workflow folgt dem westlichen Lesefluss von links nach rechts und oben nach unten. Am Anfang steht der Bildimport. Hier werden allerdings keine Daten verschoben, sondern nur die Metadaten, die Dateipfade und Vorschaubilder der Aufnahmen in einer internen Datenbank gespeichert. Die Bilder können dabei als Einzelbilder oder als Ordner mit Unterordnern importiert werden. Nach dem Import werden die Aufnahmen in einer Kachelanordnung präsentiert. Eine Suchfunktion mit Schlagworten gibt es nicht. Dafür lassen sich Bilder in eigene Alben zusammenfassen und in verschiedenen Arten filtern.

Anstelle einer Sternebewertung nutzt Luminar AI eine vereinfachte Form der Bildbewertung. Es gibt drei Zustände von Bildern. Favorisiert, Abgelehnt und Unbewertet. Diese Zustände lassen sich bei der Bildbetrachtung über die Tastenkürzel F für favorisiert, X für abgelehnt und U für unbewertet auswählen. Das geht schön schnell.

Luminar AI kann neben den komprimierten Bilddaten wie JPEG auch Rohdaten verarbeiten. Allerdings stehen mit dem Einsatz der Rohdaten keine zusätzlichen Bearbeitungsoptionen zur Verfügung. Zur Vorschau verwendet Luminar AI auch das in die Raw-Datei eingebettete JPEG, erst bei der Umschaltung in den Bearbeitungsmodus wird das Raw eingesetzt. Es ist also durchaus empfehlenswert, die Rohdaten zuvor extern zu verarbeiten und mit Luminar AI den Feinschliff vorzunehmen.

Der Grundsatz von Luminar AI ist die Vereinfachung der Bildbearbeitung. Deshalb überfällt die Software den Benutzer nicht gleich mit Einstellungsoptionen, sondern führt den Bildbearbeiter strukturiert und geordnet durch den Bildbearbeitungsprozess.

Mit den Vorlagen (Presets) startet Luminar AI und dank umfangreicher Analysefunktion "erkennt" Luminar AI die Bilder "dreidimensional" und macht aufgrund der erlangten Daten Vorlagen-Empfehlungen. Bei den von uns eingefügten Bildern lagen die Empfehlungen genau richtig und dienten als guter Ausgangspunkt für eine Individualisierung.

Glücklicherweise übernimmt Luminar AI nicht die Kontrolle, sondern schlägt dem Bildbearbeiter nur bestimmte Einstellungen vor. Die vorgeschlagenen Funktionen und Einstellungen sind mit einem kleinen grafischen Punkt markiert. Damit kann man leicht erkennen, was die Software in dem Vorschlag getrieben hat. Ob man diese Vorschläge so akzeptiert oder ob man sie weiter verfeinert, liegt im Ermessen des Bildbearbeiters.

Im Bearbeitung-Bereich stehen dem Bildbearbeiter vier eigenständige Arbeitsbereiche zur Verfügung. Diese sind über Icons auf der rechten Seite der Arbeitsfläche auswählbar. Diese Arbeitsbereiche sind in Wesentliches-, Kreativ-, Porträt- und Profieinstellungen unterteilt. Zudem findet sich die lokale Maskierung etwas weiter unten, doch dazu später mehr. Alle Bereiche liefern genau das, was sie versprechen.

Schon im ersten Abschnitt der "wesentlichen" Bildeinstellungen laufen dem Bildbearbeiter die ersten Künstliche-Intelligenz-Funktionen über den Weg. So kann die Bildaufbau-AI-Funktion das Bild automatisch beschneiden. Dabei geht die Funktion in Abhängigkeit von Seitenverhältnis und Inhalt vor. Gestaltungsregeln wie der goldene Schnitt und die Dritte-Regel werden ganz offensichtlich in Bezug auf den Bildinhalt berücksichtigt. Alles, was dazu notwendig ist, ist ein Klick auf die entsprechende Schaltfläche.

Wie schon bei den Vorlagen machte Luminar AI auch hier nur einen konkreten Vorschlag. Dem Bildbearbeiter bleibt es frei, den Vorschlag so zu übernehmen oder nach seinen eigenen Vorstellungen anzupassen. So lässt sich beispielsweise das Ausgabeseitenverhältnis anpassen. Auch stürzende Linien können manuell über einen 3D-Transformation-Schieber korrigiert werden. Allerdings ist das keine exakte Geometrie-Korrektur, wie sie beispielsweise DxO Viewpoint anbietet.

Zur visuellen Erkennung der AI-Funktionen sind diese in Luminar AI mit einem blauen Farbton unterlegt.

Eine weitere AI-Funktion nennt sich "Hervorheben AI". Mit ihr lassen sich die Tiefen im Bild anheben, ohne dabei die Mitteltöne und Lichter zu zerstören. Die "Himmel Bildverstärkung" ermöglicht die separate Rekonstruktion von Details im Himmel. Ist der Himmel allerdings "ausgebrannt", so kann diese Funktion keine Wunder vollbringen. Hier sollte man sich als Bildbearbeiter dann dazu entscheiden, den Himmel auszutauschen. Doch dazu später mehr. Die aus Luminar 4 bekannte Structure AI ermöglicht es, den Detailkontrast zu erhöhen, ohne Gefahr zu laufen, das Bildrauschen zu verstärken beziehungsweise unerwünschte Artefakte zu erzeugen.

Die weiteren wesentlichen Funktionen umfassen Schwarz-Weiß-Konvertierungen, herkömmliche Mikrokontrast-Anpassungen, eine Dunstentfernung und die Option, eine Bildentrauschung durchzuführen. Die Bildentrauschung arbeitet eher herkömmlich und Ergebnisse, wie sie Deep Prime von DxO liefert, sollten nicht erwartet werden.

Die "Radieren"-Funktion ermöglicht die Retusche von unerwünschten Elementen aus einem Foto. Dabei geht sie außerordentlich intelligent vor und wir konnten nur in einem von mehreren Bildern eine fehlerhafte inhaltssensitive Retusche erkennen.

Wem das bislang zu unkreativ war, der kann mit dem Bearbeitungsmodus "Kreativ" seiner Fantasie freien Lauf lassen. Hier findet sich beispielsweise die schon aus Luminar 4 bekannte und verbesserte "Himmel AI"-Funktion. Mit dieser maskiert Luminar AI den Himmel in einem Foto automatisch und ermöglicht so den Einbau eines Himmels aus einer anderen Aufnahme. Dafür stehen verschiedene mitgelieferte Aufnahmen zur Verfügung und eigene Bilder können ebenfalls verwendet werden.

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Autor

Harm-Diercks Gronewold

Harm-Diercks Gronewold, 52, ist gelernter Fotokaufmann und hat etliche Jahre im Fotofachhandel gearbeitet, bevor er 2005 in die digitalkamera.de-Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Produktdatenbanken, Bildbearbeitung, Fototipps sowie die Berichterstattung über Software und Zubehör. Er ist es auch, der meistens vor der Kamera in unseren Videos zu sehen ist und die Produkte vorführt.