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Technikärgernis Klebeschild Wenn Etiketten zu gut kleben

Kratzen, Knibbeln, Ärgern: Penetrante Preisschilder haften auf Büchern, DVDs und sogar Pastatellern. Die Klebeetiketten liest man einmal, wird sie nur ganz schwer wieder los - mit Hausmitteln wie Butter, Zitronensaft oder Reinigungsbenzin.

Ein Buch, zwei Aufkleber: Auf das Cover seines immerhin 40 Euro teuren Ratgebers zur Digitalkamera "Nikon D 60" hat der Verlag gleich zwei Werbe-Bapperl gepappt. Wer sich das Buch kauft, will nicht unbedingt die hässlich gesetzten Reklamesprüche "100 %" und "Buchtipp" für immer darauf sehen. Da beginnt der Ärger: Der kleinere Aufkleber lässt sich leicht abziehen, der größere (Steckdosen-Durchmesser!) nur mühsam - Papierfetzen für Papierfetzen (siehe Fotostrecke unten). Nach viel Knibbeln und Kratzen bleibt ein klebriger Schmierfilm auf dem Buch.

Ein Aufkleber geht ab, der andere hinterlässt auf derselben Oberfläche eklige Klebereste und Papierfetzen. Mit solchen Überbleibseln ärgern sich nicht nur Buchkäufer herum. Eine Google-Suche nach dem Hilferuf "Etiketten entfernen" zeigt, wo Hersteller überall hartnäckige Aufkleber unterbringen: auf Pastatellern , Weingläsern , Spiegeln  und Waschbecken.

Theoretisch könnten all diese Bapperl in ein paar Sekunden ohne Rubbeln, ohne Reißen, ohne Klebereste abzuziehen sein. Klemens Ehrlitzer, Chefredakteur des Fachmagazins "Etiketten-Labels" und Geschäftsführer des Verbands der deutschen Hersteller selbstklebender Etiketten (VskE) urteilt: "Es gibt für fast alle Oberflächen Kombinationen von Klebstoff und Etikettmaterial, die sich leicht und völlig rückstandslos entfernen lassen."

Wie fest ein Etikett klebt und wie viel Knibbelei zum Entfernen nötig ist, hängt von drei Faktoren ab:

  • Oberfläche: Mit glatten Oberflächen wie Glas oder Metall kann sich Haftkleber sehr gut vernetzen, wie Klebeprofis das nennen - besser als mit rauen wie etwa unbehandeltem Holz. Sprich: Je glatter die Oberfläche, desto fester klebt das Etikett.
  • Etikettenmaterial: Papier reißt beim Abziehen eher als Kunststoff, dünnes Papier eher als dickeres. Und natürlich reagieren Klebstoffe ganz unterschiedlich mit verschiedenem Etikettenmaterial. 70 Standardsorten hat zum Beispiel allein der Etikettenhersteller Herma im Angebot.
  • Klebstoff: Etiketten können mit Schmelzklebstoffen (haften bei Raumtemperatur gut und immer weniger, je heißer sie werden), aber auch mit lösemittelbasierten oder anderen Klebern befestigt werden - je nach Zusammensetzung dringt der Klebstoff in das Material ein und zerstört die Oberfläche, um permanent kleben zu bleiben oder eben nicht. Die Vielfalt bei Klebstoffen ist etwas geringer als beim Etikettenmaterial: 30 Sorten hat der Etikettenhersteller Herma im Standardsortiment.

Super-Kleber aus Versehen

Wie fest ein Etikett klebt, folgt daraus, wie Kleber und die beiden aneinander gepappten Stoffe miteinander reagieren. Wird einer der Stoffe gegen etwas anderes ausgetauscht, kann es durchaus sein, dass ein Etikett plötzlich stärker klebt als geplant.

Wie es zu solchen Missgeschicken kommen kann, beschreibt Claudia Gross, Marketing-Chefin beim Bochumer Etikettenhersteller Bizerba so: "Der Kunde wechselt die Folie, mit der sein Produkt verpackt ist. Ist die neue Folie poröser, dringt der Klebstoff plötzlich ein und haftet aggressiver als zuvor. Oder die Druckerei ändert ihren Lieferanten und testet die neue Etikettenmaterialien nicht auf dem Verpackungsmaterial."

Klammer-Etiketten als Siegel

Solche Fälle aus Versehen viel zu gut klebender Etiketten kommen vor, sind aber sicher nicht die Regel. Wenn Etiketten verdammt gut kleben, ist das oft beabsichtigt. Früher, als auf Produkten noch Preisetiketten klebten.

Die hafteten besonders gut, hatten zudem einen gewellten Rand und zwei eingestanzte Sollrissstellen - ein Sicherheitsmerkmal gegen den Umetikettierer, die teuren Waren Preisschilder günstigerer Produkte aufpappen. Heute kleben solche Etiketten mit Klammerkleber als eine Art Siegel auf DVDs, Software-Paketen oder Medikamenten, um zu signalisieren, ob die Verpackung geöffnet wurde.

Knibbel-Kleber ist billig

Abgesehen von ungeplanten chemischen Reaktionen und beabsichtigtem Schutz durch superhaftende Etiketten ist der wohl am häufigsten geltende Grund für Knibbel-Etiketten schlicht Geiz. Marketing-Chefin Claudia Gross vom Etikettierer Bizerba erklärt: "Etiketten, die sich rückstandslos entfernen lassen, sind um einiges teurer als die permanent haftenden - das liegt am verwendeten Klebstoff, der einfach für den permanenten Einsatz günstiger ist."

Die Folge, laut Klemens Ehrlitzer vom Etikettierer-Verband VskE: "Am Ende entscheidet der Hersteller oder Abfüller eines Produkts über die Verpackung. Und die entscheiden sich oft für die günstigeren Etiketten." Dass die dann schlechter abzulösen sind, werde "in Kauf genommen". Diese Einsparungen an der Verpackung sieht Ehrlitzer als "Hauptgrund dafür, dass es immer noch Etiketten gibt, die man mühsam abknibbeln muss".

Seife, Fön, Orangenöl

Welche Methode hilft zuverlässig, wenn man Nerv-Etiketten abknibbeln muss, weil der Hersteller am Kleber gespart hat? Das lässt sich so einfach nicht beantworten - denn einem Etikett sieht ein Laie kaum an, ob es nun mit Schmelz-, Dispersions- oder sonst einem Klebstoff befestigt ist.

Also erst mal die milden Methoden ausprobieren, rät Klemens Ehrlitzer, Geschäftsführer des Etikettier-Verbandes: "Beim Ablösen helfen in den meisten Fällen die beiden Methoden Wasser und Seife oder Erwärmen. In den Fällen, wo das nicht hilft, muss man die diversen Tricks durchprobieren."

Als Hausmittelchen gegen Knibbel-Kleber empfehlen in Internet-Foren (es gibt in vielen  Web-Foren  Debatten über die beste Methode zum Etikettentfernen) Experten aus eigener Erfahrung Reinigungsbenzin, Zitronensaft, Orangenöl, aber auch exotischere Helfer wie diese:

  • Butter ("über Nacht einweichen lassen, am nächsten Tag kann man alles abreiben"),
  • Dispersionsentferner ("hat mir ein erfahrener Malermeister empfohlen")
  • Nagellackentferner ("geht immer und den hast du auch zu Hause")
  • und Tesafilm ("gut festreiben und dann mit einem raschen Ruck abziehen").

Was davon hilft, können auch die Etikettenhersteller nicht pauschal sagen. Ihr Rat: vorsichtig rumprobieren (siehe Kasten unten).

Als Alternative zum nachträglichen Knibbeln schlägt ein SPIEGEL-ONLINE-Leser diese Methode vor: "Ich lasse mir Etiketten, die direkt auf den Artikeln und nicht auf Umverpackungen kleben, im Laden entfernen. Lehnt man das ab, verlasse ich den Laden, beschädigt man die Ware, bekomme ich Ersatz."

Versteckte Einschaltknöpfe, verwirrende Anleitungen, verrückte Automaten - in der Reihe "Fehlfunktion" stellen wir in loser Folge Technikärgernisse vor, die Millionen nerven. Schicken Sie uns Ihre Anregungen mit einer kurzen Begründung. Am besten per E-Mail .

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