Porträtspezialist mit Autofokus und Bildstabilisator

Testbericht: Zeiss Batis 1.8/85 mm

2015-09-23 Mit der Batis-Serie kündigte Zeiss im April 2015 erstmals Autofokus-Objektive mit Sony-E-Anschluss für die Kleinbild-Vollformatserie Alpha 7 an. Neben dem Zeiss Batis 2/25 mm, das wir in der vergangenen Woche testeten, gibt es mit dem Zeiss Batis 1.8/85 mm auch einen Porträtspezialisten, der sogar über einen optischen Bildstabilisator verfügt. Wie auch das 25er ist das 85er staub- und spritzwassergeschützt und besitzt ein OLED-Display anstelle einer mechanischen Fokusskala. Unser Test an der 42 Megapixel auflösenden Sony Alpha 7R II klärt, wie sich das Batis 1.8/85 mm in der Praxis und vor allem bei der Bildqualität schlägt.  (Benjamin Kirchheim)

450 Gramm bringt das Batis 1.8/85 mm auf die Waage, zusammen mit der Testkamera Sony Alpha 7R II zerren immerhin 1,1 Kilogramm am Kameragurt. Das Gewicht ist damit gerade noch erträglich. Bei den Abmessungen von rund acht Zentimetern Durchmesser und neun Zentimetern Länge kann man allerdings nicht mehr wirklich von einem Größenvorteil gegenüber Kleinbild-DSLRs sprechen. Dabei verzichtete Zeiss zu Gunsten einer kompakten Konstruktion und höheren Bildqualität beziehungsweise geringerem Preis auf die Standardlichtstärke F1,4, die normalerweise für ein gutes Porträttele selbstverständlich ist. Mit knapp 1.200 Euro hat das Zeiss dennoch einen stattlichen Preis.

Die Konstruktion besteht äußerlich aus Metall, im Inneren kommt auch hochwertiger Kunststoff zum Einsatz. Die zum Lieferumfang gehörende Kunststoff-Sonnenblende nimmt das Gehäusedesign auf und unterstreicht die optisch modern wirkende Erscheinung. Die Konstruktion wirkt aber nicht nur robust, sie ist es auch. Das Objektiv verfügt über einen Spritzwasser- und Staubschutz, zu erkennen etwa am Zeiss-blauen Gummi-Dichtring am Bajonett. Dank des Innenfokus' ändert sich die Baulänge im Betrieb nicht. Wie das 25er Batis verfügt auch das 85er über ein 67mm-Filtergewinde. Neben dem 25er Batis ist auch das 1.8/85 mm eine Bereicherung für das Sony-Alpha-7-System. Denn ein Porträtobjektiv mit dem typischen diagonalen Bildwinkel von 29 Grad hat Sony bisher nicht im Angebot. Nur ein minimal längeres, rattenscharfes 90mm-Makro, das ebenfalls eine durchaus gute Porträtlinse abgibt, sofern einem die F2,8-Lichtstärke zum Freistellen ausreicht.

Fokus

Das Batis verfügt über einen flüsterleisen und schnellen Autofokus, kann aber dank des gummierten, griffigen Fokusrings auch manuell scharf gestellt werden. Der Fokusring arbeitet rein elektronisch "Fly-by-wire", was in der Praxis erstaunlich gut funktioniert, zumal die Umdrehungszahl nicht an eine starre Übersetzung gekoppelt ist. Dreht man den Fokusring schnell, so arbeitet der Stellmotor mit einer hohen Geschwindigkeit und groben Stellschritten, während langsames drehen zu sehr feinen Fokusschritten führt. Die Sucherlupe und das Fokuspeaking tun ihr übriges, um gezielt manuell fokussieren zu können. Normalerweise bieten solche rein elektronisch arbeitenden Systeme keine Fokusskala am Objektiv. Doch Zeiss bildet diese mit einem OLED-Bildschirm, der wie ein Fenster auf die Fokusskala wirkt, digital nach. Der Bildschirm ist allerdings recht tief ins Gehäuse eingelassen und macht keinen Gebrauch von einem gebogenen Display, auch wenn diese Technik grundsätzlich verfügbar ist und für ein rundes Gehäuse naheliegend wäre.

Das OLED lässt sich im Gegensatz zu einer mechanischen Anzeige auch im Dunkeln ablesen, bei direktem Sonnenschein hingegen hat man seine liebe Müh, etwas darauf zu erkennen. Das Display kann mehr, als nur die Entfernung anzuzeigen: Abhängig von Blende und Sensorgröße – das Objektiv funktioniert auch an den APS-C-Modellen mit Sony-E-Bajonett – wird die Schärfentiefe ebenfalls angezeigt. Im Nahbereich arbeitet die Anzeige mit einer erhöhten Genauigkeit, was angesichts der zentimeterdünnen Schärfeebene auch erforderlich ist. Gerade in diesem Bereich wäre bei geöffneter Blende mit einer mechanischen Anzeige kein sinnvoller Wert ablesbar. Über langes Drehen am Fokusring um 360 Grad über die Einstellgrenze hinaus lässt sich das Display konfigurieren, etwa wann die Schärfeskala angezeigt werden soll und ob dies in Meter oder Fuß erfolgen soll. Diese arge Kurbelei schützt vor versehentlichem Verstellen und man nimmt sie vermutlich nur sehr selten vor. Wie allerdings für ein Porträtobjektiv üblich, ist die Naheinstellgrenze mit 80 Zentimetern nicht gerade gering, der maximale Abbildungsmaßstab beträgt lediglich 1:7,9.

Praxis

Außer dem Fokusring sucht man vergeblich Einstellmöglichkeiten am Objektiv. Auf manuellen Fokus muss also an der Kamera umgeschaltet werden. Auch dass das Batis über einen optischen Bildstabilisator verfügen soll, wird nicht besonders offensichtlich. Weder gibt es einen Wahlschalter, noch einen Hinweis im Schriftzug. Nur beim Schütteln merkt man, dass etwas im Objektiv "klappert". Der optische Bildstabilisator lässt sich im Kameramenü auch nicht getrennt vom Sensorstabilisator steuern. Das elektronische Sucherbild wird erst bei halb gedrücktem Auslöser stabilisiert, auch hier bietet der optische Bildstabilisator also keinen Vorteil. An Sony-E-Systemkameras ohne integrierten Bildstabilisator sieht das freilich anders aus.

In der Praxis fallen sofort die hohe Bildschärfe und das nicht zuletzt dank der neunlamelligen Blende weiche Bokeh auf. Eine Blende von F1,8 reicht an einem Vollformatsensor wie bei der verwendeten Alpha 7R II locker zum Freistellen aus. Positiv fällt zudem auf, dass im Gegensatz zum 25mm-Batis kaum Farbsäume zu sehen sind, auch wenn sie ganz leicht vorhanden sind. Bei genauerem Hinsehen kann man beim Hineinzoomen durchaus Farblängs- und -querfehler erkennen, also sowohl Bokeh-CAs im Unschärfebereich als auch welche in der Schärfeebene, dort aber hauptsächlich am Bildrand, was typisch ist. Kommen allerdings Linien parallel zum Bildrand ins Spiel, so fällt sofort eine deutlich sichtbare, kissenförmige Verzeichnung auf. Das macht sich auch bei Porträts, für die ein 85 Millimeter hauptsächlich konstruiert wurde, durchaus unangenehm bemerkbar. Weniger, weil die Verzeichnung offensichtlich sichtbar wird, sondern vielmehr, weil die Proportionen dadurch aus dem Gleichgewicht geraten. Geschickt eingesetzt kann sich bei etwas fülligeren Personen aber durchaus ein positiver Effekt einstellen, wenn sie im Schwerpunkt etwas schlanker wirken. Aus einem Sigmar Gabriel wird dabei aber selbstverständlich keine Heidi Klum; der Effekt ist minimal.

Positiv fällt wiederum die Streulichtunempfindlichkeit auf. Zeiss tut auch einiges dafür: Neben der T*-Vergütung, die Streulichteffekte an den Linsen minimieren und das Licht stattdessen unreflektiert durch die Linse leiten soll sorgt die reflektionshemmende Innenkonstruktion dafür, dass möglichst kein Licht reflektiert wird. Dies gelingt sowohl durch mattschwarze Oberflächen als auch eine schwarze Lackierung der Linsenaußenränder. Geisterbilder und Blendenreflexe konnten wir selbst bei direkter Sonneneinstrahlung nicht provozieren. Allenfalls ein minimaler Kontrastverlust war zu beobachten, der sich mit Hilfe der mitgelieferten Sonnenblende minimieren lässt, solange die Sonne nicht direkt im Bild ist.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.