Die Naheinstellgrenze beträgt laut Sony 2,4 Meter, was zunächst wenig spektakulär klingt. Angesichts der langen Brennweite von 600 Millimetern soll damit aber immerhin ein Abbildungsmaßstab von 1:5 erreicht werden können. In der Praxis konnten wir sogar bereits ab 2,35 Meter fokussieren. Der Abstand von der Objektivfront zum Motiv beträgt dabei etwas mehr als zwei Meter, mit angesetzter Streulichtblende 1,9 Meter. Als minimales Bildfeld haben wir 17,4 mal 11,1 Zentimeter gemessen, was einen Abbildungsmaßstab von 1:4,8 entspricht. Mit Telekonvertern lässt sich der Abbildungsmaßstab im Faktor des Konverters vergrößern.
Als manuelle Fokushilfen stehen nur Einblendungen im Livebild zur Verfügung. Dabei ist die Fokusskala weniger hilfreich, denn sie zeigt nur grobe Richtwerte an. So steht an der Naheinstellgrenze beispielsweise "2 m" auf dem Bildschirm statt der realen 2,4 Meter. Besser funktioniert die automatisch aktivierbare Fokuslupe, die ein präzises Fokussieren erlaubt. Auch Fokuspeaking fehlt nicht, wobei das einen etwas größeren Bereich scharf anzeigt, also etwas weniger präzise arbeitet als die Lupe und daher nur verwendet werden sollte, wenn es nicht auf das letzte Quentchen Schärfe ankommt.
Man kann sich aber auch wunderbar auf den DDSSM (Direct Drive Super Sonic Wave Motor) verlassen. Dieser stellt sehr zügig und präzise auf das Motiv scharf, auch das Verfolgen von Motiven mit dem Fokustracking ist keine Herausforderung und klappt wunderbar. Dabei arbeitet der Fokus flüsterleise.
Mit vier Schaltern lassen sich die Fokus- und Bildstabilisatorfunktion des Sony FE 200-600 mm F5.6-6.3 G OSS (SEL200600G) steuern. [Foto: MediaNord]
Kontrolliert wird die Fokusbetriebsart über die oberen beiden der vier Schalter des seitlich im hinteren Bereich des Objektivs angebrachten Kontrollfelds. Während der obere Schalter zwischen Autofokus und manuellem Fokus umschaltet, bietet der untere eine Fokusbegrenzerfunktion mit drei Einstellungen: 2,4 Meter bis unendlich, 10 Meter bis unendlich oder 2,4 bis 10 Meter. So kann man das Fokussieren in den Nah- oder Fernbereich je nach Bedarf verhindern.
Die unteren beiden Schalter kontrollieren den optischen Bildstabilisator. Dieser arbeitet angesichts der langen Brennweite weitaus effektiver als der Sensor-Shift-Stabilisator. Dennoch arbeiten beide zusammen, indem der Sensor-Shift-Stabilisator die Rotationsstabilisierung übernimmt, die der optische Stabilisator des Objektivs systembedingt nicht ausgleichen kann. In der Praxis konnten wir mit der Alpha 1 bei längster Brennweite von 600 Millimetern drei Blendenstufen längere Belichtungszeiten (1/80 s) sicher aus der Hand halten und erhielten noch pixelscharfe Aufnahmen. Bei vier Blendenstufen (1/40 s) waren leichte Verwackelungen sichtbar, die aber erst bei stärkerer Vergrößerung auffielen, bei fünf Blendenstufen waren die Verwackelungen deutlich sichtbar.
Während der zweite Schalter von unten den Bildstabilisator an- und abschaltet, lässt sich über den unteren der Modus wählen. Modus 1 ist der ganz normale Stabilisator, der Verwackelungen in allen Richtungen ausgleicht. Modus 2 ist für Mitzieher gedacht, Verwackelungen werden entsprechend nur senkrecht zur Schwenkrichtung ausgeglichen. Modus 3 soll es ermöglichen, Motive leichter verfolgen zu können. Hier agiert der Stabilisator im vergleich zum Modus 1 weniger ruckartig, sondern etwas gleichmäßiger beim Verändern des Bildausschnitts. Das hilft in der Praxis tatsächlich, das Motiv besser im Bildausschnitt zu halten.
Bildqualität
Der aufwendige optische Aufbau des Sony FE 200-600 mm F5.6-6.3 G OSS besteht aus 24 Linsen, die in 17 Gruppen angeordnet sind. Fünf ED-Glaselemente und ein asphärisches Element sollen optische Fehler wie chromatische Aberrationen minimieren. Auch die Nano-AR-Vergütung von Sony zur Unterdrückung von Reflexionen und Geisterbildern fehlt nicht. Die Blende besteht aus elf abgerundeten Lamellen, die eine nahezu kreisrunde Öffnung formen sollen.
Tatsächlich überzeugt das Telezoom mit einem schön weichen Bokeh, wobei jedoch die Unschärfescheibchen von Spitzlichtern einen leicht helleren Rand mit scharfer Abgrenzung zeigen. Die Nano-AR-Vergütung sorgt tatsächlich für hohe Kontraste im Gegenlicht, wobei sie aber zumindest bei direkter Lichtquelle im Bildfeld auftretende Blendenreflexe nicht ganz verhindern kann.
Die Auflösung des Sony FE 200-600 mm F5.6-6.3 G OSS (SEL200600G) ist an der Alpha 1 unabhängig der Brennweite hoch und die optischen Fehler mit Ausnahme der leicht sichtbaren Farbsäume gering. [Foto: MediaNord]
Beim Bildqualitätstest im Labor an der 50 Megapixel auflösenden Sony Alpha 1 zeigt das Objektiv so gut wie keine Randabdunklung und Verzeichnung. Bei den Farbsäumen sieht es dagegen etwas anders aus (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Zwar bewegen sich die chromatischen Aberrationen im Mittel auf geringem Niveau von 0,5 bis 0,9 Pixel, in der Maximalausdehnung zu den Bildrändern hin werden sie jedoch mit bis zu 2,7 Pixeln selbst auf einem 30 mal 20 Zentimeter kleinen Fotoausdruck sichtbar. Vor allem die Wahl der Brennweite hat Einfluss auf die Stärke der Farbsäume: sie nehmen mit steigender Brennweite zu.
Bei der Auflösung bei 50 Prozent Kontrast schlägt sich das Sony FE 200-600 mm F5.6-6.3 G OSS äußerst souverän. Vor allem bewegt sich die Auflösung bei allen Brennweiten auf einem ähnlich hohen Niveau, die bei vielen Telezooms häufig mit zunehmender Brennweite nachlassende Auflösung zeigt das Sony-Telezoom nicht beziehungsweise nur in sehr geringem Umfang.
Das Auflösungsmaximum wird bei 200 Millimetern und Blende F11 im Bildzentrum mit 75 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) erreicht. Bei 350 Millimeter und F11 sind es 70 lp/mm und bei 600 Millimetern und F11 67 lp/mm. Bei Offenblende löst das 200-600 zumindest bei kürzester Brennweite im Bildzentrum mit 63 lp/mm etwas geringer auf, bei längerer Brennweite ist die Auflösung bei Offenblende sogar höher.
Der Auflösungs-Randabfall bewegt sich vor allem in Anbetracht dessen, dass es sich um ein Zoomobjektiv handelt, auch niedrigem Niveau. Im Maximum gibt es 27 Prozent Auflösungsverlust, bei den meisten Brennweiten-Blenden-Kombinationen bewegt er sich jedoch bei unter 15 und teilweise sogar unter zehn Prozent. Im Blendenbereich von F5,6 bis F11 beträgt die Randauflösung mindesten 47 und maximal 64 lp/mm. Danach reduziert die Beugung die Auflösung wieder, was vor allem jenseits von F16 zu derbem Auflösungsverlust führt. Kurzum: Man muss sich im Bereich von Offenblende bis F11 bezüglich der Auflösung praktisch keine Gedanken über die verwendete Blende und Brennweite machen. Weiter als bis F16 abzublenden ist nicht empfehlenswert.
Fazit
Das Sony FE 200-600 mm F5.6-6.3 G OSS hat für einen verhältnismäßig geringen Preis erstaunlich viel zu bieten. Es bietet ein robustes Gehäuse mit vielen Bedienelementen und einem schnellen Autofokus, auch ein Wetterschutz fehlt nicht. Vor allem aber überzeugt das Super-Tele-Zoom bei der Bildqualität. Die Gegenlicht-Kontraste sind hoch, das Bokeh mit Ausnahme der Spitzlichter schön, die Auflösung unabhängig der Brennweite hoch und die optischen Fehler mit Ausnahme der leicht sichtbaren Farbsäume gering. Damit ist das Sony FE 200-600 mm F5.6-6.3 G OSS eine klare Kaufempfehlung für alle, denen dieser Brennweitenbereich zusagt bzw. die ihn für Ihre Aufnahmen benötigen und die dabei nicht auf die höchste Lichtstärke angewiesen sind.