APS-C-Telezoom der Mittelklasse

Testbericht: Sony E 70-350 mm 4.5-6.3 G OSS (SEL70350G)

2019-12-31 Mit dem Sony E 70-350 mm 4.5-6.3 G OSS stellte der japanische Kamerahersteller nach Jahren des Entwicklungsstillstands bei seiner spiegellosen APS-C-Objektivlinie endlich wieder ein neues Telezoom vor. Es ist das zweite überhaupt mit APS-C-Bildkreis und will im Gegensatz zum billigen 55-210mm, das noch aus dem Sommer 2011 stammt, einen deutlich höheren Qualitätsanspruch erfüllen. Ob das auch praktisch der Fall ist, klären wir im Test.  (Benjamin Kirchheim)

Lange Zeit ließ Sony die Objektiventwicklung für seine spiegellosen APS-C-Systemkameras schleifen, denn schließlich gibt es ja inzwischen viele Vollformat-Objektive, auf die Sony sich in den letzten Jahren erfolgreich konzentrierte. Doch auf APS-C spezialisierte Objektive haben auch ihre Vorteile: Sie können bei gleicher Qualität kleiner und preisgünstiger gebaut werden als entsprechende Vollformat-Pendants, auch die nötigen Brennweiten sind aufgrund des Cropfaktors andere. Endlich tut Sony nun also etwas für seine APS-C-Anhänger und die vielen Käufer der Alpha-6000er-Klasse. Das E 70-350 mm 4.5-6.3 G OSS will dabei gehobenen Ansprüchen gerecht werden, wie das "G"-Label, das für hohe Bildqualität steht, sowie der Spritzwasser- und Staubschutz zeigen. Dank des erwähnten Crop-Faktors, der 1,5 beträgt, wird zudem ein beachtlicher Brennweitenbereich von 105 bis 525 Millimetern abgedeckt, es handelt sich also um ein Fünffachzoom.

Verarbeitung

Dass das Sony E 70-350 mm 4.5-6.3 G OSS immerhin 623 Gramm auf die Waage bringt, liegt weniger am Gehäusematerial, sondern vor allem am vielen Glas, das trotz der recht geringen Lichtstärke, die eigentlich nicht auf ein hochwertiges Objektiv schließen lässt, verbaut ist. Das Außenmaterial des 14 Zentimeter langen und 7,5 Zentimeter im Durchmesser großen Objektivs besteht nämlich fast ausschließlich aus Kunststoff. Dieser ist aber absolut hochwertig verarbeitet und das Objektiv fühlt sich solide an, das Gehäuse lässt sich nur minimal eindrücken. Der zwischen Streulichtblendenbajonett und Zoomring sitzende Ring und das Bajonett sind die einzigen äußeren Metallbestandteile des Objektivs. Um das Bajonett herum befindet sich eine Gummidichtung, die den Spritzwasser- und Staubschutz am Objektivanschluss zur Kamera sicherstellt. Das Filtergewinde misst übrigens 67 Millimeter und besteht leider aus Kunststoff.

Ausstattung und Bedienung

Das dominanteste Bedienelement des 70-350 ist der insgesamt 4,5 Zentimeter breite Zoomring, der sich weit vorne am Objektiv befindet. 3,3 Zentimeter des Rings sind mit einem griffig geriffelten Gummi versehen und mit einer Viertel-Umdrehung zoomt man von 70 auf 350 Millimeter. Weiße Beschriftungen markieren dabei die Brennweiten 70, 100, 135, 200 und 350 Millimeter, die Kamera zeigt die genaue eingestellte Brennweite leider nicht im Livebild an. Beim Zoomen fährt der Tubus um knapp fünf Zentimeter aus, dreht sich aber nicht mit. Ein kleiner, mechanischer Lock-Schalter arretiert den Zoomring bei 70 Millimetern und dient damit als Transportsicherung. Der Zoomring bietet beim Drehen einen angenehmen und gleichmäßigen Widerstand, der Tubus hat auch ausgefahren nur minimales Spiel.

An der linken Objektivseite befinden sich zwei Schalter und ein Knopf. Letzterer sitzt zwischen Zoom- und Fokusring. Dabei handelt es sich um eine via Kamera programmierbare Funktionstaste, die beispielsweise zum Fokushalten genutzt werden kann. Die beiden Schalter liegen zwischen Fokusring und Bajonett. Der untere von beiden kontrolliert den optischen Bildstabilisator, der im Sony E 70-350 mm 4.5-6.3 G OSS verbaut ist. Dieser ist nicht nur sinnvoll, weil von den APS-C-Kameras nur die Alpha 6500 und 6600 einen Sensor-Shift-Bildstabilisator besitzen, sondern auch, weil vor allem im Telebereich optische Bildstabilisatoren von Objektiven effektiver arbeiten, da Sensor-Shift-Systeme bei langen Brennweiten extrem hohe Amplituden ausgleichen müssten, während die stabilisierte Linsengruppe im Objektiv an einer Stelle des Strahlengangs sitzen kann, an dem kleine Amplituden für die Stabilisierung ausreichen.

Drei bis vier Blendenstufen längere Belichtungszeiten aus der freien Hand im Vergleich zu einer Aufnahme ohne Bildstabilisator sind problemlos möglich. Nicht nur angesichts der großen Brennweite, sondern auch aufgrund der geringen Lichtstärke ist der Bildstabilisator im 70-350mm extrem sinnvoll. 1/50 Sekunde Belichtungszeit hält man recht problemlos bei längster Brennweite noch aus der freien Hand.

Der obere der beiden Schalter wechselt vom manuellen auf den Autofokus. Letzterer arbeitet dank des leistungsstarken XD-Linearmotors lautlos, schnell und präzise. Bereits ab 11 Zentimetern stellt er scharf, allerdings nur bei kürzester Brennweite. Beim Zoomen wächst die Naheinstellgrenze auf 1,5 Meter, immer noch ein guter Wert für die Brennweite. Bei kurzer Brennweite beträgt der Abstand der Objektivfront zum Motiv minimal etwa 90 Zentimeter, es lassen sich damit etwa 340 mal 20 Zentimeter große Motive formatfüllend auf den APS-C-Bildsensor bannen, was einem enttäuschenden maximalen Abbildungsmaßstab von 1:12,7 entspricht. Bei maximaler Brennweite sieht das schon ganz anders aus. Der minimale Abstand der Objektivfront zum Motiv beträgt nun zwar knapp unter 130 Zentimeter, doch hier lassen sich nun 9,5 mal 6,3 Zentimeter kleine Motive formatfüllend abbilden, was einem respektablen Abbildungsmaßstab von 1:4 entspricht, Sony verspricht sogar "nur" 1:4,3.

Allerdings ist es bei dieser Brennweite nicht einfach, sein Motiv zu finden und im Rahmen zu halten, die für Makroaufnahmen ohnehin empfehlenswerte Nutzung eines Stativs ist hier also quasi Voraussetzung. Dabei sollte man auch im Hinterkopf behalten, dass das 70-350 nicht für derartige Aufnahmen gedacht ist, dieser Punkt in dem Sinne also auch nicht als negativ zu bewerten ist. Für Nah- und Makroaufnahmen gibt es sinnvollere Brennweiten und passendere Objektive.

Manuell lässt sich das 70-350mm auch wunderbar fokussieren. Der 1,5 Zentimeter breite Fokusring besteht aus geriffeltem Kunststoff. Er arbeitet rein elektronisch und besitzt keinerlei Markierungen. Die Fokusskala wird stattdessen im Livebild eingeblendet. Diese arbeitet allerdings maximal metergenau und ist damit keine große Hilfe bei der feineren Fokuseinstellung, insbesondere bei näheren Motiven. Umso besser funktionieren das Fokuspeaking sowie die Fokuslupe. Eine feine und exakte Fokussierung gelingt dank des reaktionsfreudigen Fokusrings und der Hilfen problemlos.

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.