Lichtstarke Tele-Festbrennweite

Testbericht: Fujifilm XF 200 mm F2 R LM OIS WR ohne/mit Telekonverter

2018-12-03 Das XF 200 mm F2 R LM OIS WR ist das mit Abstand teuerste, größte und schwerste Objektiv im aktuellen Fujifilm-X-Objektivprogramm. Dafür bietet es mit einer Anfangsöffnung von F2 bei einer Brennweite von 200 Millimetern auch die relativ gesehen höchste Lichtstärke und damit die geringste Schärfentiefe. Sogar einen passenden Telekonverter musste Fujifilm angesichts der Lichtstärke neu konstruieren, er gehört praktischerweise zum Lieferumfang der 6.000 Euro teuren Festbrennweite und macht aus ihr ein F2,8/280 mm mit ca. 430 mm Kleinbildäquivalent. Im Labor- und Praxistest musste das Objektiv nun seine Qualitäten unter Beweis stellen.  (Benjamin Kirchheim)

Das Fujifilm XF 200 mm F2 R LM OIS WR wird in einem riesigen Karton geliefert, in dem sich eine große Tasche befindet, in der wiederum das 21 mal 12 Zentimeter große Schmuckstück steckt. Anders als bisherige Objektive ist es in einem hellen Silbermatt beschichtet, das fast schon einen Perlmutteffekt aufweist, was äußerst edel wirkt. Zum Anheben braucht man jedoch durchaus schon ein paar Muckis, denn die Waage bleibt erst bei 2.260 Gramm stehen. Dagegen wirken der trotz 105 mm Durchmesser 40 Gramm leichte Frontdeckel und die 220 Gramm leichte Streulichtblende fast schon wie Fliegengewichte. Letztere besteht im Gegensatz zum Objektiv aus Kunststoff, was Gewicht spart, aber nicht unbedingt hochwertig wirkt. Innen ist die Sonnenblende mit mattem Filz verkleidet, vorne besitzt sie einen Gummiring zum Abstellen des Objektivs mit montierter Blende. Außerdem ziert die Blende noch ein prägnanter Ring in Fujifilm-Grün, das wird in der Masse von Canon- und Nikon-Objektiven am Spielfeldrand bei Sportveranstaltungen definitiv auffallen!

Sehr praktisch ist das Schiebefenster an der Blende, das die Einstellung eines Polfilters erlaubt, der vorne am Objektiv eingeschraubt werden kann. Weniger schön ist dagegen die fummelige Anbringung der Blende am Objektiv, denn statt eines Bajonetts kommt ein Klemmmechanismus mittels Rändelschraube zum Einsatz. Das mag auf Dauer langlebiger sein, aber nach der Entnahme aus der Tasche muss man erst die Schraube lösen, die Blende umdrehen, aufsetzen, in die richtige Position drehen, falls man das Schiebefenster verwenden möchte, und dann mittels Schraube fixieren.

Doch nun zum eigentlichen Objektiv: Es ist nicht nur edel beschichtet, sondern auch perfekt verarbeitet. Das Gehäuse besteht aus Metall und ist gegen Staub und Spritzwasser geschützt, auch bei Frost von bis zu Minus zehn Grad Celsius soll das Objektiv noch einwandfrei arbeiten. Kalt genug, das zu testen, war es (zum Glück) noch nicht. Das Teleobjektiv besitzt selbstverständlich eine Stativschelle, denn angesichts des Gewichts ist es nicht ratsam, die Kamera direkt auf einem Stativ zu befestigen. Die Schelle bildet eine feste Einheit mit dem Objektiv und ist nicht abnehmbar, wohl aber selbstverständlich drehbar. Sie rastet sogar in 90-Grad-Schritten ein, was im Alltag sehr praktisch ist. So lässt sich die Kamera leicht ins Hochformat und zurück drehen. Gesichert gegen Verdrehen wird die Schelle mittels einer Schraube.

Sogar an Gurtösen hat Fujifilm gedacht, um das Kamerabajonett zu entlasten. Der Gurt muss inklusive der Fujifilm X-T3, die wir zum Test verwendeten, fast drei Kilogramm tragen. Nichts, was man gerne bei einer Wanderung um den Hals hängen hat, außer man steht auf Nackenschmerzen. Man hängt die Kombination besser diagonal über die Schulter oder verstaut sie in einem anständigen Rucksack mit Tragesystem. Übrigens besitzt die Stativschelle nicht nur ein kleines 1/4-Zoll-Gewinde, sondern auch das größere mit 3/8 Zoll. Zudem ist die Schelle mit einer Schwalbenschwanzfräsung versehen, passt also direkt in Arca-Swiss-kompatible Halterungen.

Funktionen

Neben den üblichen Bedienelementen hat sich Fujifilm für seine hochlichtstarke Tele-Festbrennweite noch etwas Neues ausgedacht: Eine Fokusspeicherfunktion. Doch dazu gleich mehr. Wie alle XF-Objektive besitzt auch das Fujifilm XF 200 mm F2 R LM OIS WR einen Blendenring, der in Drittelschritten einrastet. Auch die fehlende Verriegelung der Automatikposition hat es leider geerbt, im GFX-Mittelformatsystem macht Fujifilm es besser. Rutscht der Blendenring tatsächlich mal versehentlich aus der Automatikposition, so fotografiert man mit Blende F22, bekommt also neben Beugungsunschärfe auch noch viel zu lange Belichtungszeiten und/oder zu hohe ISO-Empfindlichkeiten.

Der zweite Ring sitzt weiter vorne am Objektiv und ist dank der schwarzen, geriffelten Gummierung nicht zu übersehen. Hierbei handelt es sich um den Fokusring, der jedoch rein elektronisch arbeitet. Er treibt also "nur" den Autofokusmotor an. Das hat aber viele Vorteile: Durch die fehlende Mechanik kann der Autofokus viel schneller und leiser arbeiten, er besitzt nämlich einen linearen Direktantrieb, der die Fokus-Linsengruppe direkt vor und zurück schiebt. Zudem kann mit dem elektronischen Ring sowohl schnell, als auch präzise Fokussiert werden, denn je nach Drehgeschwindigkeit reagiert der Fokus unterschiedlich sensibel. So kommt der Fotograf wahlweise in den Genuss kurzer Stellwege mit hoher Geschwindigkeit oder langer Stellwege mit unglaublicher Präzision. Da auf dem Monitor nicht nur eine Fokusskala samt Schärfentiefeanzeige, wahlweise in Zentimeter oder auf Pixelebene, angezeigt wird, sondern auch noch eine Fokuslupe, Fokuspeaking und eine Schnittbildindikatorsimulation als Fokushilfen zur Verfügung stehen, bleiben hier fast keine Wünsche offen. Die Umschaltung zwischen manueller und automatischer Fokussierung erfolgt übrigens ausschließlich an der Kamera!

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Noch viel wichtiger als der manuelle Fokus ist bei einem solchen Objektiv jedoch der Autofokus. Dieser arbeitet unhörbar und äußerst schnell, zumindest bei weiter entfernten Motiven. Im Nahbereich hingegen, die minimale Fokusdistanz beträgt 1,8 Meter, kann der Fokus schonmal etwas länger benötigen. Praktischerweise gibt es einen Fokusbegrenzer, der den langsamen Nahbereich unter fünf Meter aussperren kann. Aktiviert wird er über einen Schiebeschalter seitlich am Objektiv.

Darüber hinaus besitzt das Fujifilm XF 200 mm F2 R LM OIS WR gleich vier identisch arbeitende Fokusknöpfe sehr weit vorne am Tubus, deren Verhalten sich je nach Stellung des dritten Schiebeschalters an der Objektivseite ändert. Steht der Schalter auf AF, so arbeiten die Tasten wie die AF-On-Taste an der Kamera. Steht der Schalter auf AF-L, so arbeiten die vier Tasten als AF-L-Tasten, die Fokussierung wird sofort gestoppt und die aktuelle Fokusposition beibehalten. Steht der Schalter hingegen auf der Mitte auf Preset, so wird auf Tastendruck vorne am Objektiv direkt eine vorher gespeicherte Fokusposition angefahren, und zwar unabhängig davon, ob man gerade fokussiert oder ob der manuelle Fokus aktiviert ist. Speichern lässt sich die abrufbare Fokusposition jederzeit unabhängig vom Modus mit einem Druck auf die Set-Taste unterhalb des Wahlschiebers. Dadurch lässt sich jederzeit blitzschnell eine Fokusposition anfahren, ohne dass die Kamera eine Messung vornehmen muss.

Der mittlere Schalter an der Objektivseite steuert den optischen Bildstabilisator. Er lässt sich jedoch lediglich ein- und ausschalten. Mitzieher sollen dabei automatisch erkannt werden, was meistens auch ganz gut funktioniert. Der Bildstabilisator arbeitet sehr effektiv und ermöglicht bis zu fünf Blendenstufen längere Belichtungszeiten aus der Hand, bis 1/10 Sekunde lange Belichtungszeiten sind das dann. Für Pixelschärfe braucht es dabei im Extremfall aber schon eine ruhige Hand.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.