Kompaktes Telezoom

Testbericht: Canon RF 70-200 mm F4L IS USM

Seite 2 von 2, vom 2021-03-26 (Autor: Benjamin Kirchheim)Zur Seite 1 wechseln

Bei größter Brennweite konnten wir tatsächlich bereits ab einer Entfernung von knapp unter 58 Zentimetern von der Sensorebene fokussieren. Der Abstand der Objektivfront zum Motiv beträgt dabei komfortable 38 Zentimeter. Als minimales Bildfeld haben wir 12,2 mal 8,1 Zentimeter ermittelt, was einem maximalen Abbildungsmaßstab von 1:3,4 entspricht und damit die Angabe von Canon, 1:3,6, übertrifft. Bei kürzester Brennweite beträgt das minimale Bildfeld etwa 26 mal 17,3 Zentimeter, was einem Abbildungsmaßstab von 1:7,2 entspricht.

Wie die meisten RF-Objektive verfügt auch das Canon RF 70-200 mm F4L IS USM über einen zusätzlichen Einstellring, der je nach Kamerakonfiguration verschiedene Parameter einstellen kann, etwa die Blende, ISO-Empfindlichkeit, den Weißabgleich oder die Belichtungskorrektur. Der etwa einen Zentimeter breite Ring besitzt eine feine Rautenriffelung, aber keine Gummierung. Das leise Rasten des Rings lässt sich im Gegensatz zu den Blendenringen manch anderer Hersteller (etwa Sigma oder Sony) nicht per Schalter deaktivieren. Wer keine Rastung wünscht, muss sein Objektiv vom Canon-Service umbauen lassen.

Im ausgeschalteten Zustand lässt sich beim Schütteln ein deutliches Klappern vernehmen. Dabei handelt es sich um den optischen Bildstabilisator. Er soll bis zu fünf Blendenstufen längere Belichtungszeiten aus der Hand ermöglichen, zusammen mit dem Sensor-Shift-Bildstabilisator der Canon EOS R5 und R6 sogar noch mehr. In der Praxis konnten wir derartige Werte jedoch nicht nachvollziehen. Bei fünf Blendenstufen, das entspricht 1/6 Sekunde Belichtungszeit bei 200 Millimetern Brennweite, waren die Fotos nicht mehr frei von Verwackelungsunschärfen, auch bei 1/13 Sekunde gab es noch Ausschuss. Zuverlässig waren drei Blendenstufen (1/25 s) jedoch kein Problem.

Zwei Schalter an der Objektivseite erlauben die Aktivierung und Deaktivierung des Bildstabilisators sowie die Wahl des Stabilisierungsmodus. Dabei gibt es gleich drei Modi: Der erste eignet sich für normale, statische Motive und gleicht Verwackelungen in allen Richtungen aus. Der zweite und dritte Modus sind für Schwenks beziehungsweise Mitzieher gedacht und gleichen Verwacklungen nur senkrecht zur Bewegungsrichtung aus. Der Unterschied dieser beiden Modi ist, dass sich der zweite für gleichmäßige Schwenks eignet und der dritte für ungleichmäßige, beispielsweise bei wechselnden Geschwindigkeiten oder Richtungsänderungen des zu fotografierenden Motivs, bei denen man mitschwenkt.

Bildqualität

Mit 45 Megapixeln ist die Canon EOS R5 die derzeit höchstauflösende Kamera im R-System und damit die beste Referenz beziehungsweise größte Herausforderung für die Objektive. Auch wenn es sich beim Canon RF 70-200 mm F4L IS USM "nur" um ein F4-Objektiv und daher eher ein Mittelklasseobjektiv handelt, ist es mit einem Preis von 1.800 Euro preislich recht hoch angesiedelt und sollte entsprechend hohe Auflösungen und gute andere Bildqualitätsparameter abliefern.

Zunächst einmal der Praxiseinsatz: Hier schlägt sich das Canon RF 70-200 mm F4L IS USM hervorragend. Im Gegenlicht behält es hohe Kontraste und zeigt nur minimale Blendenreflexe. Auch das Bokeh ist für ein Zoom überraschend gut. Es ist sehr weich und gleichmäßig. Einen Teil dazu trägt die Blende mit ihren neun abgerundeten Lamellen bei, die für gleichmäßig geformte Unschärfescheibchen sorgt, die zudem eine gleichmäßige Helligkeitsverteilung zeigen. Farbsäume im Unschärfebereich treten nicht auf. Wem Blende F4 zum Freistellen reicht, kann damit problemlos Porträts fotografieren, auch der weiter entfernte Hintergrund bei Sportveranstaltungen wirkt damit unaufdringlich.

Dieser hervorragende Eindruck setzt sich im Labortest fort. Weder eine Randabdunklung noch Farbsäume treten nennenswert auf. Die Auflösung ist bei allen Blenden und Brennweiten in der Bildmitte und am Bildrand hervorragend. Damit lässt sich das Objektiv ab Offenblende verwenden. Bei 70 Millimetern Brennweite liegt die Auflösung bei 50 Prozent Kontrast im Bildzentrum bei knapp 80 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm), bei 120 Millimetern sind es etwas über 70 lp/mm und bei 200 Millimeter sogar bis zu 83 lp/mm. Damit wird im Tele sogar die höchste Auflösung erreicht, was bei Telezooms in unserem Testlabor nur selten der Fall ist. Normalerweise bauen die Objektive am langen Brennweitenende immer etwas ab. Der Auflösungs-Randabfall beträgt selbst im ungünstigsten Fall weniger als 20 Prozent. Die Randauflösung bewegt sich im relevanten Blendenbereich von F4 bis F11 je nach Brennweite bei 60 bis knapp 70 lp/mm. Jenseits von F11 sinkt die Auflösung im gesamten Bildfeld deutlich, weiter sollte man also möglichst nicht abblenden.

Die einzige Schwäche bezüglich der Bildqualität zeigte sich im Testlabor bei der Verzeichnung (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Während sie bei 70 Millimetern Brennweite mit einem Prozent Tonnenform subjektiv kaum störend ist, fällt die Kissenform bei mittlerer Brennweite mit knapp unter einem und bei maximaler Brennweite mit gut 1,5 Prozent deutlich unangenehmer auf. Die Kamera bietet jedoch eine Verzeichnungskorrektur, die man angesichts der hohen Randauflösung und absolut gesehen nicht allzu hohen Verzeichnung ruhigen Gewissens aktivieren kann, egal ob man die kameraintern aufbereiteten Jpegs verwenden möchte oder lieber einen Raw-Konverter nutzt, der ebenfalls Verzeichnungen anhand des im Raw eingebetteten Objektivprofils korrigieren kann.

Fazit

Das Canon RF 70-200 mm F4L IS USM ist derzeit das wohl beste F4-Telezoom am Markt. Sein Preis von gut 1.800 Euro ist zwar nicht gerade günstig, aber durchaus angemessen. Die Verarbeitung ist trotz des Kunststoffgehäuses gut, auch ein Wetterschutz fehlt nicht. Die Ausstattung ist reichhaltig, auch wenn der Funktionsring leider nur beim Canon-Service vom Click befreit werden kann und der Bildstabilisator bei unserem Test nicht ganz so zuverlässig arbeitete wie versprochen. Die Fokussierung ist jedoch äußerst schnell sowie treffsicher und eignet sich damit auch für Sport- und Actionaufnahmen. Bei der Bildqualität begeistert das Objektiv mit einer hervorragenden Auflösung bis an den Bildrand bei allen Brennweiten und Blenden. Als Bildfehler wird höchstens die leichte Verzeichnung sichtbar. Das Objektiv zeigt eine gute Gegenlichtfestigkeit und sogar ein schönes Bokeh.

Kurzbewertung

  • Leichtes, kompaktes, gut verarbeitetes Gehäuse
  • Hervorragend hohe Auflösung bei allen Blenden und Brennweiten
  • Keine Farbsäume
  • Schönes Bokeh
  • Hohe Kontraste auch im Gegenlicht
  • Rastung des Funktionsrings nur vom Service deaktivierbar
  • Kunststoff-Filtergewinde
  • Bildstabilisator weniger effektiv als versprochen

Canon RF 70-200 mm F4L IS USM mit Canon EOS R5

Verzeichnung

Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.

Hersteller Canon
Modell RF 70-200 mm F4 L IS USM
Unverbindliche Preisempfehlung 1.799,00 €
Bajonett Canon RF
Brennweitenbereich 70-200 mm
Lichtstärke (größte Blende) F4 (durchgängig)
Kleinste Blendenöffnung F32
Linsensystem 16 Linsen in 11 Gruppen
inkl. ED Linse(n)
KB-Vollformat ja
Anzahl Blendenlamellen 9
Naheinstellgrenze 600 mm
Bildstabilisator vorhanden ja
Autofokus vorhanden ja
Wasser-/Staubschutz ja
Filtergewinde 77 mm
Abmessungen (Durchmesser x Länge) 84 x 119 mm
Objektivgewicht 695 g

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.