Makro-Objektiv mit Bokeh-Kontrolle

Testbericht: Canon RF 100 mm F2.8 L Macro IS USM

Seite 2 von 2, vom 2022-04-24 (Autor: Benjamin Kirchheim)Zur Seite 1 wechseln

Wenn man manuell fokussieren möchte, braucht man nur den mittleren der drei seitlichen Schalter umzustellen. Die manuelle Fokussierung geht dank der nicht-linearen Funktionsweise des 24 Millimeter breiten Fokusrings, der mit einer 22 Millimeter breiten, griffigen Gummiriffelung versehen ist sowie des angenehmen Widerstands sehr gut von der Hand, zumal die EOS R5 mit einer Fokusskala, einer Fokuslupe sowie dem Fokuspeaking zahlreiche Einstellhilfen bietet. Der Fokusring arbeitet rein elektronisch und überträgt Stellbefehle an die Ultraschallmotoren. Durch den nicht-linearen Betrieb lässt sich bei langsamen Bewegungen eine langsame Übersetzung realisieren, während der Fokus bei kurzen, aber schnellen Bewegungen größere Bereiche schnell durchfährt. Auf Wunsch kann die Reaktion des Fokusrings über das Kameramenü auf einen linearen Betrieb umgeschaltet werden, was Videografen freuen dürfte.

Normalerweise gehen wir im Abschnitt Bildqualität auf das Bokeh ein, doch aufgrund des besonderen Kontrollrings für die sphärische Aberrationen ziehen wir das als "Funktion" etwas vor. Eine sphärische Aberration ist normalerweise ein optischer Fehler, den es zu vermeiden gilt, denn er sorgt für Unschärfe im Bild. Dabei werden nämlich die Randstrahlen im Vergleich zum Zentrum der sphärischen Linse unterschiedlich stark gebrochen, wodurch sie nicht in der Fokusebene zusammenfallen. Normalerweise gleicht man solche Fehler durch Linsen aus, die dem entgegenwirken.

Beim Canon RF 100 mm F2.8 L Macro IS USM lässt sich jedoch genau diese sphärische Aberration mit Hilfe eines 15 Millimeter breiten Kontrollrings, der mit SA Control beschriftet ist, beeinflussen. Um diesen überhaupt nutzen zu können, muss der dazugehörige Lock-Schalter auf der rechten unteren Objektivseite entriegelt werden. Er lässt sich gut mit dem Ringfinger der Griffhand erreichen. Laut der gut ablesbaren Skala des Rings lässt sich dieser in einem Bereich von +/-4 verstellen. Der Ring arbeitet stufenlos und rastet nur in der Neutralstellung leicht ein. Dank der zehn Millimeter breiten Gummiriffelung lässt er sich gut bedienen.

Tatsächlich zeigt das Canon RF 100 mm F2.8 L Macro IS USM in Neutralstellung des SA-Rings ein eher unruhiges Bokeh. Dann haben beispielsweise Zweige im Unschärfebereich unschöne Doppelkonturen, auch die Unschärfescheibchen von Spitzlichtern im Bokeh zeigen einen helleren Rand. Dreht man nun den SA-Ring in den negativen Bereich, wird das Hintergrund-Bokeh deutlich weicher. Dreht man ihn dagegen in den Plusbereich, wird das Bokeh noch unruhiger und unschöner.

Allerdings wirkt sich die sphärische Aberration nicht nur auf das Bokeh aus, sondern auch auf die Schärfeebene. Hier führt die sphärische Aberration zu einer Art Weichzeichnung. Das ist bei Makroaufnahmen eher unvorteilhaft, zum Glück ist hier aber das Bokeh derart unscharf, dass es nicht mehr als unangenehm unruhig auffällt. Nutzt man das Makro dagegen als Porträtobjektiv, kann der Weichzeichner in der Schärfeebene dem Model durchaus schmeicheln. Das muss man aber letztlich wollen und kreativ einsetzen, denn rein nüchtern technisch gesehen ist das ein ungewollter Abbildungsfehler. Wer ein schönes Bokeh in Kombination mit einer knackigen Schärfe in der Fokusebene möchte, muss zu einem der 85mm-Objektive von Canon greifen, sie allesamt ein schöneres Bokeh zeigen als das 100er Makro mit SA-Kontrollring in Neutralstellung.

Bildqualität

Der optische Aufbau des Canon RF 100 mm F2.8 L Macro IS USM besteht aus 17 Linsen, die in 13 Gruppen angeordnet sind. Gläser mit speziellem Brechungsindex oder asphärisch geschliffene Linsen kommen nicht zum Einsatz, wohl aber die Super-Spectra-Vergütung. Die sorgt in der Praxis auch im direkten Gegenlicht für hohe Kontraste. Zudem halten sich die Blendenreflexe in Grenzen. Die Blende selbst besteht aus neun Lamellen und lässt sich typisch für ein Makroobjektiv sehr weit schließen: bis zu F32 sind möglich. Die Blende ist aber so gut gerundet, dass selbst bei F32 nur ein minimaler Sonnenstern sichtbar wird. Dass das Bokeh in Neutralstellung des SA-Kontrollrings nicht das schönste ist, wurde bereits thematisiert. Zudem zeigen sich noch leichte Farbsäume bei hohen Kontrasten im Unschärfebereich (sogenanntes Bokeh-CA).

Im Testlabor an der 45 Megapixel auflösenden Canon EOS R5 schlägt sich das RF 100 mm F2.8 L Macro IS USM äußerst gut. Praktisch nicht vorhanden sind Farbsäume in der Schärfeebene. Auch die Randabdunklung hält sich mit maximal 0,3 Blendenstufen sehr in Grenzen, am Verlauf der Messkurven (nicht jedoch am Bildergebnis) kann man aber die aktivierte elektronische Korrektur minimal erkennen. Die Verzeichnung ist mit maximal 0,4 Prozent Kissenform ebenfalls minimal. Wer möchte, kann auch die elektronisch korrigieren lassen.

Apropos Auflösung: Diese ist an den 45 Megapixeln der Canon EOS R5 sehr gut (siehe auch das Diagramm aus dem Labortest unten). Im Bildzentrum werden bei 50 Prozent Kontrast bereits ab Offenblende knapp 77 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) aufgelöst. Um eine Stufe abgeblendet (F4) wird das Maximum von knapp 87 lp/mm erreicht. Bis F8 werden über 78 lp/mm aufgelöst, dann macht sich der Auflösungsverlust durch Beugung immer mehr bemerkbar. Bei F11 sind es nur noch 72 lp/mm und bei F16 nur noch 62. Wer für maximale Schärfentiefe bei Makroaufnahmen auf F32 abblendet, erhält nur noch 35 lp/mm. Man sollte sich also gut überlegen, ob derart starkes Abblenden notwendig ist oder man eher eine geringere Schärfentiefe in Kauf nimmt oder aber die Fokus-Bracketing-Funktion der Canon-Kameras nutzt und die Einzelbilder am PC mittels Stackings zu einem mit größerem Schärfebereich zusammensetzt, zumal man dann in der Schärfentiefe nicht mehr begrenzt ist. Siehe dazu auch unseren Fototipp in den weiterführenden Links.

Am Bildrand löst das Canon RF 100 mm F2.8 L Macro IS USM ebenfalls gut bis sehr gut auf. Im Bereich von F2,8 bis F11 sind es immer mindestens 68 lp/mm, im Maximum werden bei F5,6 sogar über 72 lp/mm erreicht. Der relative Randabfall bewegt sich bei F2,8 sowie ab F5,6 im vernachlässigbaren Bereich von zwölf Prozent und weniger, nur bei F4 ist er mit knapp über 21 Prozent etwas höher, aber unkritisch. Wer mit dem Makroobjektiv Landschaften aufnehmen möchte oder für reproaufnahmen eine möglichst hohe, gleichmäßige Auflösung bis in die Bildecken wünscht, sollte F5,6 bis F8 als Blende wählen.

Fazit

Ähnlich dem RF 85 mm F2 Macro IS STM ist auch das Canon RF 100 mm F2.8 L Macro IS USM ein Zwitter aus Makro- und Porträtobjektiv, wobei jedoch der Schwerpunkt beim 100er eindeutig auf der Makrofunktion liegt. Dafür bietet es vor allem eine besonders starke Vergrößerung, ohne aber bei normalen Motiven auf einen schnellen Autofokus verzichten zu müssen. Der Bokeh-Kontrollring bietet viel kreatives Potential, vor allem, weil er sich nicht nur auf das Bokeh, sondern auch auf die Schärfeebene auswirkt – bei letzterer jedoch in erster Linie negativ. Das mag den einen oder anderen Porträtfotografen begeistern, Makrofotografen mit Wunsch nach technisch perfekter Schärfe aber vielleicht weniger. Ein schönes Bokeh erhält man mit dem Canon RF 100 mm F2.8 L Macro IS USM jedenfalls nur, wenn man dafür auf Schärfe in der Fokusebene verzichtet, denn ohne sphärische Aberration ist das Bokeh nicht allzu schön und kann nicht einmal mit dem RF 85 mm F2 Macro IS STM mithalten. Positiv hervorzuheben sind neben dem schnellen Autofokus aber der effektive optische Bildstabilisator beziehungsweise der Hybrid-Bildstabilisator sowie die sehr gute optische Abbildungsqualität mit nur geringen optischen Fehlern und einer hohen Auflösung bis zum Bildrand.

Kurzbewertung

  • Hervorragende Makrotauglichkeit
  • Hohe Kontraste auch im Gegenlicht
  • Hohe Auflösung
  • Spritzwasser- und Staubschutz
  • Kontrollmöglichkeit der sphärischen Aberration
  • Gehäuse besteht lediglich auch Kunststoff
  • SA-Kontrollring zeichnet auch Schärfeebene weich
  • In Defaulteinstellung nicht besonders schönes Bokeh

Canon RF 100 mm F2.8 L Macro IS USM mit Canon EOS R5

Auflösung MTF


EOS R5

F2,8F4,0F5,6F8,0F11,0F16,0F22,0F32,0
100 mm76,8 / 67,2 (12 %)86,5 / 68,6 (21 %)82,7 / 72,4 (12 %)78,1 / 71,8 (8 %)71,9 / 67,1 (7 %)61,8 / 59 (5 %)49,5 / 46,2 (7 %)34,9 / 32 (8 %)

Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.

Hersteller Canon
Modell RF 100 mm F2.8 L Macro IS USM
Unverbindliche Preisempfehlung 1.549,00 €
Bajonettanschluss Canon RF
Brennweite 100,0 mm
Lichtstärke (größte Blende) F2,8
Kleinste Blendenöffnung F32
KB-Vollformat ja
Linsensystem 17 Linsen in 13 Gruppen
Anzahl Blendenlamellen 9
Naheinstellgrenze 260 mm
Bildstabilisator vorhanden ja
Autofokus vorhanden ja
Wasser-/Staubschutz ja
Filtergewinde 67 mm
Abmessungen (Durchmesser x Länge) 82 x 148 mm
Objektivgewicht 680 g

Passende Publikationen

digitalkamera.de-Bezahlinhalte (in Premium enthalten)


Passende Meldungen zu diesem Thema

Artikel-Vorschläge der Redaktion

DXOMARK Logo

Die Bildqualität in unseren Tests ermitteln wir seit 2011 mit DXOMARK Analyzer.

Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.