Preisgünstiger Lichtriese

Testbericht: 7Artisans 35 mm F0,95

Seite 2 von 2, vom 2021-03-01, aktualisiert 2021-03-05 (Autor: Benjamin Kirchheim)Zur Seite 1 wechseln

Bildqualität

Auch wenn man bezüglich der Praktikabilität einige Abstriche hinnehmen muss, dazu hat man sich mit dem Kauf eines manuellen Objektivs schließlich bewusst entschieden, kommt es doch letztlich auf die Bildqualität an. Hierbei spielt angesichts des günstigen Preises gar nicht unbedingt die absolute Bildqualität eine Rolle, sondern auch das Wissen dazu, wo die Grenzen des Objektivs liegen, welche positiven Eigenschaften es vielleicht dennoch mitbringt und ob man bereit ist, dafür den geforderten Preis zu bezahlen. Wir haben daher versucht, das Objektiv aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten.

Zum Test kam, wie bereits erwähnt, die Olympus OM-D E-M5 Mark III zum Einsatz. Sie besitzt einen 20 Megapixel auflösenden Four-Thirds-Sensor (Crop-Faktor 2), der gegenüber einem APS-C-Sensor (Crop-Faktor 1,5) um den Faktor 1,33 kleiner ist. Das bringt Vor- und Nachteile mit sich. Einerseits wird der potenziell schlechte Randbereich etwas beschnitten, andererseits besitzt der Bildsensor eine größere Pixeldichte, was wiederum Bildfehler potenziell "vergrößert" und auch die optische Auflösung des Objektivs mehr fordert. Die Pixeldichte entspricht etwa einem 35,4 Megapixel auflösenden APS-C-Sensor, den es in einer so hohen Auflösung noch nicht gibt. APS-C-Sensoren mit Crop-Faktor 1,5 lösen derzeit 24 bis 26 Megapixel auf. Lediglich der 32 Megapixel auflösende APS-C-Sensor von Canon, der einen Crop-Faktor von 1,6 besitzt, hat fast die identische (beziehungsweise eine rechnerisch sogar minimal höhere) Pixeldichte.

Bereits bei der manuellen Fokussierung erwähnten wir den weichen Bildeindruck bei offener Blende. Dieser bestätigt sich leider sehr deutlich im Labortest – und zwar überdeutlich (siehe Diagramm aus dem Labortest unten, wo F0,95 übrigens zu F1,0 gerundet wurde). Bei Offenblende liegt die Auflösung im Bildzentrum bei nur knapp 21 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) im Kleinbildäquivalent bei 50 Prozent Kontrast, das reicht gerade mal für etwas mehr als Postkartengröße. Am Bildrand hingegen werden sogar nur knapp unter 10 lp/mm aufgelöst – die Randunschärfe sieht man damit selbst auf Postkartengröße noch.

Immerhin nimmt die Auflösung beim Abblenden zu – im Bildzentrum stärker als am Bildrand. Bei F2 sind es im Zentrum schon über 40 lp/mm, ein guter Wert, im Bereich von F2,8 bis F8 ist die Auflösung mit über 50 lp/mm sehr gut mit einem Spritzwert von fast 54 lp/mm bei F4 und F5,6. Das ist in etwa das Niveau, was man von guten Festbrennweiten an der Olympus OM-D E-M5 Mark III erwarten kann. Zum Vergleich: Das gut 1.000 Euro (Marktpreis) teure Olympus 25 mm F1.2 ED Pro, das wir an der Olympus OM-D E-M5 Mark III extra nochmal getestet haben, erreicht ein Auflösungsmaximum von 56 lp/mm bei F2,8 und F4, bei Offenblende F1,2 löst es übrigens so hoch auf wie das 7Artisans bei F2.

Der Auflösungs-Randabfall des 7Artisans 35 mm F0,95 ist jedoch bei allen Blenden durchgehend hoch – und das, obwohl die Randbereiche durch den gegenüber APS-C kleineren Four-Thirds-Sensor bereits ausgeblendet sind. Wir können an dieser Stelle jedoch nur mutmaßen, dass der Auflösungs-Randabfall an APS-C-Kameras noch schlimmer ist. Bei F1,4 und F2 ist der relative Auflösungs-Randabfall mit fast 70 Prozent am höchsten. Bei F8 und F11 kratzt das 7Artisans 35 mm F0,95 knapp an der Marke von 30 lp/mm Randauflösung – das reicht dann immerhin für gute Ausdrucke in 30x20 cm, hier liegt der Auflösungs-Randabfall "nur" noch bei 45 bis 35 Prozent. Das Olympus 25 mm F1.2 ED Pro ist zwar auch nicht für seine hohe Randauflösung berühmt, liegt aber an der OM-D E-M5 Mark III immerhin bei 26 lp/mm (F1,2) bis 43 lp/mm (F8).

Immerhin ist die Verzeichnung des 7Artisans 35 mm F0,95 mit unter einem Prozent Tonnenform gering und die Randabdunklung spielt selbst bei Offenblende mit einem Maximum von 0,5 Blendenstufen keine Rolle, obwohl die Kamera mangels Kommunikation mit dem Objektiv keinerlei elektronische Korrekturen vornehmen kann. Hier würden wir an APS-C etwas höhere, aber keine dramatischen Werte erwarten.

Anders sieht es wiederum bei den Farbsäumen aus, denn die sind mit durchschnittlich über zwei Pixeln Breite und einem Maximum von an die vier Pixel wieder sehr deutlich. Das sieht man auch in der Praxis, und zwar nicht nur in der Schärfeebene, sondern auch im Unschärfebereich. Das Objektiv zeigt also nicht nur die im Labor gemessen Farbquerfehler, sondern auch Farblängsfehler, die ihr Übriges zur schlechten Auflösung beitragen dürften (Farbsäume zeigen sich, weil das Licht unterschiedlicher Wellenlängen unterschiedlich stark gebrochen wird, womit auch die Bildschärfe in der Schärfeebene je nach Lichtwellenlänge variiert, weil die Schärfeebene der anderen Wellenlängen knapp vor oder hinter dem eigentlichen Bild liegt).

An der Bildqualität des 7Artisans 35 mm F0,95 gab es bis zu diesen Punkt also deutlich mehr zu kritisieren als zu loben. Ist das Objektiv also völlig unbrauchbar? Sicher nicht ganz. Abgeblendet ist die Auflösung durchaus gut, auch wenn man sich natürlich zu Recht fragen darf, warum man dafür ein so lichtstarkes Objektiv kauft. Aber horrendes Geld hat man dafür ja nun auch wieder nicht bezahlt.

Vielleicht mag der eine oder andere ja sogar den weichen Bildeindruck bei Offenblende, etwa in der Porträtfotografie, denn mit einer kleinbildäquivalenten Brennweite von 70 Millimetern kann man das 7Artisans 35 mm F0,95 gut dafür einsetzen (an APS-C entspricht es zwar eher einem 50mm-Kleinbildobjektiv, aber auch damit lassen sich Porträts fotografieren, bei denen etwas mehr als nur das Gesicht zur Bildkomposition gehört). Die Schärfentiefe ist bei Offenblende sehr gering, man kann sein Motiv also gut freistellen. Jedoch muss man hier anmerken, dass das Bokeh zwar sehr unscharf ist, aber nicht unbedingt so samtig-weich, wie man sich das von einem reinrassigen Porträtobjektiv wünschen würde (siehe auch unseren obigen Bildbergleich bei F0,95 und F5,6).

Es gibt noch einen Bereich, den das 7Artisans 35 mm F0,95 gut meistert – angesichts des Preises sogar überraschend gut. Die Gegenlicht-Kontraste sind nämlich hoch. Das heißt, dass die Vergütung trotz des niedrigen Preises und trotz immerhin elf verbauter Linsenelemente erstaunlich hochwertig und effektiv arbeitet. Selbst die Blendenreflexe halten sich durchaus im Rahmen. Nimmt man die Lichtquelle, beispielsweise die Sonne, direkt ins Bild, sind die Blendenreflexe zwar sehr präsent, beschränken sich aber auf einen kleinen Bereich. Als Bonus sorgen beim kräftigen Abblenden die zwölf Blendenlamellen, deren "Ecken" symmetrisch genau gegenüber liegen, für zwölf Lichtstrahlen an der Sonne (bei Objektiven mit ungerader Anzahl an Blendenlamellen ergeben sich übrigens genau doppelt so viele Lichtstrahlen wie Blendenlamellen vorhanden sind).

Fazit

Mit gerade einmal 270 Euro ist das 7Artisans 35 mm F0,95 ein sehr preisgünstiges Objektiv, was jedoch mit deutlichen Kompromissen und Abstrichen vor allem bei der Bildqualität einhergeht. Angesichts der hohen Lichtstärke ist die Festbrennweite erstaunlich kompakt und zudem äußerst hochwertig verarbeitet, was man für den Preis eigentlich nicht unbedingt erwarten würde. In der fotografischen Praxis bedeutet das rein manuelle Arbeiten jedoch einige Kompromisse. Dabei ist gar nicht unbedingt der fehlende Autofokus das größte Manko, sondern die fehlenden elektrischen Kontrakte am Bajonett und dadurch Lücken in den EXIF-Daten, so dass man später mindestens die eingestellte Blende nicht mehr zweifelsfrei nachvollziehen kann. Der stufenlose Blendenring ist zudem für Fotografen eher ein Schätzeisen als ein präzises Belichtungswerkzeug, zumal Beschriftung und Referenzmarkierung weit auseinander liegen.

Die größten Abstriche muss man jedoch bei der Bildqualität machen. Bei Offenblende reicht die Auflösung kaum für Postkartengröße, vor allem am Bildrand. Deutlich abgeblendet kann das Objektiv zumindest im Bildzentrum auf sehr gutes Niveau zulegen, der hohe Randabfall bleibt aber, je nach Blende etwas stärker oder schwächer, bestehen. Hinzu kommen sichtbare Farbsäume. Kontraste und Gegenlichtsituationen meistert das 7Artisans 35 mm F0,95 hingegen erstaunlich gut, auch die Verzeichnung und Randabdunklung sind gering. Das Bokeh ist zumindest für die Ansprüche eines Porträtfotografen womöglich etwas zu unruhig, zumal auch hier Farbsäume auftreten.

Kurzbewertung

  • Hochwertige Verarbeitung
  • Kompaktes Gehäuse
  • Günstiger Preis
  • Trotz fehlender Gegenlichtblende hoher Kontrast
  • Schwache Auflösung bei Offenblende
  • Hoher Auflösungs-Randabfall (bei allen Blenden)
  • Sichtbare Farbsäume
  • Keine Blendenübertragung und EXIF-Daten

7Artisans 35 mm F0,95 mit Olympus OM-D E-M5 Mark III

Auflösung MTF


OM-D E-M5 Mark III

F1,0F1,4F2,0F2,8F4,0F5,6F8,0F11,0F16,0
35 mm20,9 / 9,9 (53 %)35,8 / 11,3 (68 %)43,9 / 14,5 (67 %)50,7 / 19,1 (62 %)53,7 / 21,2 (61 %)53,6 / 25,2 (53 %)51,5 / 28,5 (45 %)45,4 / 29 (36 %)35,9 / 25 (30 %)

Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.

Hersteller 7Artisans
Modell 35 mm f/0,95
Unverbindliche Preisempfehlung 269,00 €
Bajonettanschluss Fujifilm XF, Micro Four Thirds, Sony E, Canon EF-M, Nikon Z, Canon RF
Brennweite 35,0 mm
Lichtstärke (größte Blende) F0,95
Kleinste Blendenöffnung F16
KB-Vollformat nein
Linsensystem 11 Linsen in 8 Gruppen
inkl. ED Linse(n)
Anzahl Blendenlamellen 12
Naheinstellgrenze 370 mm
Bildstabilisator vorhanden nein
Autofokus vorhanden nein
Wasser-/Staubschutz nein
Filtergewinde 52 mm
Abmessungen (Durchmesser x Länge) 63 x 62 mm
Objektivgewicht 369 g

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.