Lichtstärkstes Serienobjektiv der Welt

Testbericht: Voigtländer 29 mm 1:0,8 Super Nokton asphärisch

2021-03-04, aktualisiert 2021-03-05 Mit einer maximalen Blendenöffnung von unglaublichen F0,8 ist das Voigtländer 29 mm 1:0,8 Super Nokton asphärisch das lichtstärkste Serienobjektiv der Welt. Dafür leuchtet es allerdings auch nur den Bildkreis eines Four-Thirds-Sensors aus und muss manuell bedient werden. Zudem hat die hohe Lichtstärke einen hohen Anschaffungspreis zur Folge, der sogar den der lichtstarken Olympus-Objektive übertrifft. Ob man dafür wenigstens eine hohe Bildqualität oder sogar noch darüber hinaus mehr Gegenwert bekommt, haben wir im Test herausgefunden.  (Benjamin Kirchheim)

Voigtländer ist eine aus analogen Zeiten bekannte Traditionsfirma der deutschen Fotoindustrie, die allerdings heutzutage nur noch als Handelsmarke dient. Die Firmengründung lag sogar noch lange vor dem Zeitalter der Fotografie und datiert auf das Jahr 1756. Seit über 20 Jahren ist die Marke im Besitz der Ringfoto-Einkaufskooperation, die vor zwei Jahren zur United Imaging Group umfirmierte. Unter dem Namen Voigtländer werden vor allem hochwertige, manuelle Festbrennweiten für verschiedenste Bajonettanschlüsse vertrieben.

Das Voigtländer 29 mm 1:0,8 Super Nokton asphärisch wird von Cosina in Japan gefertigt, einem ebenfalls sehr bekannten Objektivhersteller, der für Qualität steht. Entsprechend ist das Objektiv mit einem Preis von knapp 1.800 Euro nicht gerade billig. Zum Vergleich: Das eine Blende lichtschwächere, aber mit einem Autofokus ausgestattete Olympus 25 mm 1.2 ED Pro ist bereits für knapp unter 1.000 Euro zu haben (UVP 1.300 Euro).

Das Voigtländer 29 mm 1:0,8 Super Nokton asphärisch besitzt ein Micro-Four-Thirds-Bajonett und kann damit an spiegellosen Systemkameras von Olympus und Panasonic verwendet werden. Ein einfaches Vorhalten vor eine Sony Alpha 7R III zeigt auch deutlich, dass der Bildkreis tatsächlich entsprechend klein ist, weder das Kleinbild-Vollformat, noch der kleinere APS-C-Bildkreis werden ausgeleuchtet.

Verarbeitung

Für den hohen Preis bekommt man ein absolut hochwertig verarbeitetes Objektiv. Mit einer Länge von knapp neun und einem Durchmesser von etwas über sieben Zentimetern (Filtergewinde 62 Millimeter) fällt das Voigtländer 29 mm 1:0,8 Super Nokton asphärisch angesichts der hohen Lichtstärke durchaus kompakt aus. Es ist gerade einmal jeweils zwei Millimeter länger und "dicker" als das Olympus 25 mm 1.2 ED Pro.

Dass der größere Durchmesser sich bis weit ans Kamerabajonett fortsetzt, ist dagegen ein echter Nachteil und von den Konstrukteuren nicht gut durchdacht worden. An vielen Olympus-Kameras liegt das Stativgewinde nämlich sehr weit vorne. So liegt der Objektivtubus je nach Stativplatte unter Umständen auf dieser oder auf dem Stativ auf, so dass die Kamera schief sitzt und das Objektiv nicht gewechselt werden kann beziehungsweise nicht angebracht werden kann, nachdem eine Stativplatte festgezogen wurde oder (bei kleineren Stativplatten) die Kamera auf das Stativ gesetzt wurde.

Das Gewicht des Voigtländer 29 mm 1:0,8 Super Nokton asphärisch ist mit etwas über 700 Gramm sehr hoch. Zum Vergleich: das Olympus 25 mm F1.2 wiegt gerade einmal etwas über 400 Gramm. Entsprechend hochwertig ist die erste Anmutung, wenn man das Voigtländer in die Hand nimmt. Das viele Metall und Glas machen schon einen tollen Eindruck. Es fällt nicht leicht, überhaupt irgendwas aus Kunststoff zu erblicken, vielleicht der Ring zwischen Bajonett und Hinterlinse auf der Rückseite des Objektivs. Dichtungen gegen Spritzwasser und Staub gibt es hingegen trotz des hohen Preises nicht.

Das Design des Voigtländers ist sehr traditionell, man könnte es auch altbacken nennen. Vor allem der Fokusring ist sehr charakteristisch mit seiner Abwechslung aus erhabener Riffelung und glatten Vertiefungen designt. Das Objektiv "schreit" förmlich "manuell". Bei der mitgelieferten, runden Streulichtblende kommt ebenfalls Metall zum Einsatz, das von innen matt geriffelt ist. Die Blende wird ins Filtergewinde geschraubt, besitzt ihrerseits allerdings wiederum ein 62mm-Filtergewinde, so dass der mitgelieferte Kunststoff-Schnappdeckel auch hier passt.

Ausstattung

Das Manuelle zieht das Voigtländer-Objektiv leider voll durch. Nicht nur der Fokus wird manuell eingestellt, sondern auch die Blendenöffnung. Nicht einmal elektronische Kontakte gibt es, so dass weder Blende noch Brennweite oder Objektivkennung in den EXIF-Daten gespeichert werden. Bei der Olympus OM-D E-M5 Mark III und einigen anderen Kameramodellen gibt es immerhin die Möglichkeit, Objektivprofile in der Kamera zu hinterlegen, so dass Brennweite und Objektivname in den EXIF-Daten landen. Die eingestellte Blende kann man hingegen später höchstens anhand von Notizen nachvollziehen. Immerhin kann der Bildstabilisator der Olympus- und Panasonic-Kameras eingesetzt werden, wenn man ihm die Brennweite des Objektivs über die Kameraeinstellungen mitteilt (oder an einer Olympus das entsprechende Objektivprofil ausgewählt hat).

Der 1,3 Zentimeter breite Blendenring sitzt fast ganz vorne am Objektiv und besitzt recht kleine, aber dank weiß ausgelegter Gravuren dennoch recht gut lesbare Beschriftungen bei F0,8 sowie allen vollen Blendenstufen von F1,0 bis F16. Zudem gibt es angenehm weiche Rastungen in 1/2-EV-Schritten, so dass Fotografen die Blende über den auf einer Breite von sechs Millimetern fein geriffelten Ring perfekt einstellen können. Mit etwas mehr als einer Viertel Umdrehung wird der gesamte Blendenbereich durchfahren. Zudem besteht die Möglichkeit, das Rasten auszuschalten. Hierfür muss der sich vor dem Blendenring befindliche Ring an den zwei Anfassern links und rechts nach hinten gezogen und um 180 Grad gedreht werden, wo er wieder nach vorne einrastet. Nun ist ein gelber Blendenmarkierungspunkt statt eines weißen zu sehen und die Blende arbeitet stufen- und lautlos – Videografen wird es freuen.

Der Blendenring ist mechanisch an die zwölf nicht abgerundeten Lamellen der Irisblende gekoppelt, die entsprechend ein Zwölfeck statt einer runden Öffnung formt. Bei Offenblende fällt viel Licht zum Fokussieren auf den Bildsensor, stark abgeblendet hingegen leidet die Qualität des Livebilds je nach Lichtverhältnissen deutlich. Immerhin springt die Schärfeebene nicht beim Abblenden.

Der manuelle Fokusring befindet sich in der Mitte des Objektivs und fällt mit 3,5 Zentimetern sehr breit aus. Die charakteristische Riffelung erstreckt sich über zwei Zentimeter Breite. Mit einer halben Umdrehung wird der gesamte Fokusbereich von unendlich bis zur Naheinstellgrenze von 37 Zentimetern durchfahren, wobei das Objektiv fast unmerklich um fünf Millimeter ausfährt.

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.