Makro-Festbrennweite für spiegellose Vollformatler

Testbericht: Sigma 105 mm F2.8 DG DN Macro Art

2020-11-18 Das Image des Billig-Objektivherstellers hat Sigma bereits seit Jahren mit seiner Art-Serie abgeschüttelt. Mit dem 105 mm F2.8 DG DN Macro Art bietet der japanische Objektivspezialist nun ein klassisches Makroobjektiv an, das zugunsten einer hohen optischen Leistung sogar bewusst auf einen optischen Bildstabilisator verzichtet. An der derzeit höchstauflösenden Kleinbildkamera Sony Alpha 7R IV musste das Sigma für spiegellose Systemkameras mit E- und L-Bajonett nun beweisen, ob es tatsächlich so gut ist, wie Sigma verspricht.  (Benjamin Kirchheim)

Anders als bei den ersten spiegellosen Kleinbildobjektiven, die im Grunde ein Objektive für Spiegelreflexkameras waren, die lediglich mit einem zusätzlichen Tubus versehen wurden, handelt es sich beim Sigma 105 mm F2.8 DG DN Macro Art um eine spezielle Konstruktion und optische Rechnung für spiegellose Systemkameras. Entsprechend fällt es mit einer Länge von 13,4 Zentimetern kaum länger aus als das "alte" Spiegelreflexmakro von 2011, das noch aus der Zeit vor der Art-Serie stammt, aber immerhin im Gegensatz zum spiegellosen Neuling sogar einen optischen Bildstabilisator bietet. Etwas schlanker (7,4 vs. 7,8 Zentimeter) und fast unmerklich leichter (715 vs. 725 Gramm) ist das neue Modell zudem.

Das modern gestaltete Sigma 105 mm F2.8 DG DN Macro Art besitzt ein Gehäuse, das teilweise aus mattschwarzem Kunststoff und teilweise aus mattschwarzem und teilweise seidenglänzendem Metall besteht. Warum Sigma für den hinteren Tubusteil zwischen Blendenring und Bajonett dann eine glänzendere Oberfläche gewählt hat, bleibt wohl das Geheimnis des japanischen Herstellers, dieselbe matte Oberfläche wie beim Blendenring hätte sicher noch eine Spur edler gewirkt. Übrigens ist das Objektiv gegen Spritzwasser und Staub abgedichtet und besitzt ein langlebiges, verchromtes Messingbajonett.

Ausstattung

Die Objektivfront inklusive des 62mm-Filtergewindes besteht indes wie der Bereich zwischen Fokus- und Blendenring aus Kunststoff, hier verzichtet Sigma also auf die Langlebigkeit eines Metallgewindes. Die mitgelieferte Streulichtblende ist sechs Zentimeter lang und wirkt ebenfalls hochwertig. Sie besteht aus Kunststoff, ist innen matt geriffelt und besitzt außen hinter dem geriffelten Kunststoffring noch eine Gummierung. Dank des Bajonetts lässt sich die Blende schnell anbringen und zum Transport auch verkehrt herum montieren.

Dass der sechs Zentimeter breite Fokusring aus Metall besteht, bemerkt man kaum, denn auf einer Breite von 5,5 Zentimetern ist er mit einer griffigen, geriffelten Gummierung versehen. Er arbeitet rein elektronisch und lässt sich in seiner Reaktion mit dem optionalen Sigma USB Dock anpassen. Durch die reine elektronische Arbeitsweise fehlt eine klassische Entfernungsanzeige am Objektiv, die Sigma auch nicht mit einem modernen Display ersetzt hat, wie so manch anderer Hersteller. Dadurch ist man auf die Fokushilfen der Kamera angewiesen, im Falle der verwendeten Sony Alpha 7R IV also neben der Fokuslupe auch eine Entfernungsskala und eine, wenn auch nicht allzu präzise, dezimale Entfernungsanzeige sowie Fokus-Peaking.

Der Autofokus arbeitet dank des Ultraschallantriebs sehr leise und angenehm schnell, zudem lässt sich über den seitlichen Schiebeschalter ein Fokus-Limiter wahlweise im Bereich von 29,5 bis 50 Zentimeter oder 0,5 Meter bis unendlich aktivieren. Letzteres ist bei der Verwendung als normales Tele- oder Porträtobjektiv sehr sinnvoll. Sogar eine über das Kameramenü programmierbare, mit der AF-L-Funktion vorbelegte Taste bietet das Objektiv. Die Naheinstellgrenze gibt Sigma mit 29,5 Zentimetern ab Sensorebene an, wir konnten sogar bis auf 29,2 Zentimeter fokussieren. Das entspricht einem minimalen Aufnahmeabstand von 13,8 Zentimeter ab Objektivfront beziehungsweise rund acht Zentimetern ab Streulichtblende. Das minimale Bildfeld haben wir mit 3,4 mal 2,3 Zentimetern ermittelt, was einem Abbildungsmaßstab von 1,06:1 entspricht, also minimal besser als das von Sigma versprochene 1:1.

Hinter dem Kunststoff-Tubus-Teil mit den Bedienelementen liegt ein knapp zwei Zentimeter breiter Blendenring. Er besteht aus Metall und ist mit Ausnahme der gut lesbaren weißen Beschriftung griffig geriffelt. Die Automatikstellung sowie die vollen Blendenstufen sind beschriftet und die Zwischenschritte in Drittelstufen markiert. Besonders clever sind die beiden Schiebeschalter, die das Verhalten des Blendenrings rein mechanisch beeinflussen.

Defaultmäßig rastet der Blendenring hör- und fühlbar bei jedem Schritt ein, wobei zwischen A-Stellung und F22 derselbe Weg wie bei einem vollen Blendenschritt gedreht werden muss, ohne dass hier Zwischenstufen rasten. Betätigt man aber den De-Click-Schalter an der Unterseite des Objektivs, läuft der Blendenring von F2,8 bis F22 stufenlos und unhörbar leise. Die A-Stellung rastet hingegen weiterhin ein.

Vom Fotografen aus an der rechten Seite des Objektivs und damit beispielsweise für den Mittelfinger der Griffhand gut erreichbar befindet sich ein weiterer Schiebeschalter. Hiermit wird der Blendenring im Einstellbereich fixiert. Das bedeutet, dass er sich wahlweise nicht aus der Automatikstellung in den manuellen Bereich bewegen lässt oder aus dem manuellen Bereich nicht in Automatikstellung bringen lässt. Befindet sich der Ring in Automatikstellung, kann die Blende wie gewohnt von der Kamera – auch manuell – gesteuert werden.

Die manuelle Blendeneinstellung am Blendenring wirkt sich jedoch nur in den Aufnahmeprogrammen aus, in denen man die Blende verstellen kann – also der Zeitautomatik sowie dem manuellen Modus. Damit handelt es sich bei der Automatikstellung streng genommen um keine Automatik, sondern die Stellung übergibt lediglich die Kontrolle an die Kamera, wenn diese nicht ohnehin die Kontrolle der Blende übernommen hat. Ein Umschalten der Aufnahmeprogramme wie etwas bei einer Fujifilm ist mit dem Blendenring also nicht möglich.

Trotz der vielen Schalter wird mancher Fotograf einen vermissen: Den für einen optischen Bildstabilisator. Auf einen solchen haben die Sigma-Ingenieure jedoch mit Absicht verzichtet, was auch gut nachvollziehbar ist. Einerseits ist ein optischer Bildstabilisator ein bewegliches Linsenelement in einem optischen System, das man mit viel Aufwand versucht, perfekt zu zentrieren. Eine zur Bildstabilisierung ausgelenkte Linse (oder Linsengruppe), die den Strahlengang verbiegt, ist da eher kontrapoduktiv. Der Stabilisator ist aber andererseits angesichts der effektiven Sensor-Shift-Bildstabilisatorsysteme von Panasonic und Sony auch gut verzichtbar, denn die meisten (aber durchaus nicht alle) der "Zielgruppenkameras" für das Vollformat-Makro bringen den Bildstabilisator ohnehin mit.

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.