Lichtstarke Weitwinkel-Festbrennweite

Testbericht: Nikon AF-S 28 mm 1:1.4E ED

2017-09-26 Mit dem AF-S 28 mm 1:1.4E ED stellte Nikon Ende Mai dieses Jahres ein besonders lichtstarkes Weitwinkelobjektiv vor, das sich vor allem für Available-Light-Fotografie und das Freistellen mit Weitwinkelperspektive anbietet. Mit einem Preis von gut 2.400 Euro ist es allerdings nicht gerade günstig. Ob dafür die Leistung stimmt, wie das Objektiv verarbeitet ist und vor allem wie es um die Abbildungsleistung bestellt ist, klärt unser Test.  (Benjamin Kirchheim)

Konstruktion

Mit einem Gewicht von gut 640 Gramm kommt das AF-S 28 mm 1:1.4E ED nicht gerade leichtfüßig daher, bei einem Durchmesser von über acht und einer Länge von gut zehn Zentimetern ist es auch alles andere als dezent. Die Lichtstärke, insbesondere bei einer solchen Weitwinkelkonstruktion, fordert ihren Tribut. Trotz des Gewichts besteht das Gehäuse aus Kunststoff, der zwar robust wirkt, aber Metall wäre dann doch das hochwertiger wirkende Material gewesen. Sogar das 77 mm messende Filtergewinde besteht aus Kunststoff. Das Bajonett hingegen ist aus Metall gefertigt und kommt, wie alle Objektive mit elektronischer Blendensteuerung, ohne mechanischen Blendenmitnehmer aus. Ihre Robustheit strahlt die Konstruktion weniger durch die Materialwahl, sondern mehr durch die Abdichtungen gegen Spritzwasser und Staub aus, das Bajonett ist von einem entsprechenden Dichtungsring eingefasst.

Die optische Konstruktion besteht aus 14 Linsen, die in elf Gruppen angeordnet sind. Ein optischer Bildstabilisator ist darunter nicht zu finden. Dieser wäre sicher nützlich gewesen, sein Fehlen ist aber angesichts der Brennweite und Lichtstärke verschmerzbar. Die hochwertige optische Konstruktion schließt zwei ED- und drei asphärische Linsen mit ein. Zudem sorgt die Nanovergütung, die sowohl auf der Frontlinse als auch auf der Hinterlinse zum Einsatz kommt, dafür, dass die Linsen sich leicht reinigen lassen. Noch wichtiger ist aber die Nanovergütung, die in der Praxis für eine sehr gute, wenn auch nicht ganz perfekte Gegenlichtresistenz sorgt. In Gegenlichtsituationen bleiben die Kontraste hervorragend hoch, leichte Blendenreflexe können jedoch vorkommen. Zum Lieferumfang gehören übrigens eine tulpenförmige Streulichtblende, die ebenfalls aus Kunststoff gefertigt ist und sich zum Transport verkehrtherum montieren lässt, sowie eine Tasche aus lederähnlichem Mikrofaserstoff mit festem Boden und Kordelzug zum Verschließen.

Fokussierung

Als Festbrennweite kommt das AF-S 28 mm 1:1.4E ED mit einem einzigen Einstellring aus, der die Fokusverstellung realisiert. Hierbei handelt es sich um eine mechanische Kopplung zur Fokusgruppe, das heißt auch bei ausgeschalteter Kamera kann man fokussieren. Die Entfernungseinstellung wird zudem in einem Fenster angezeigt, das sogar noch Markierungen für die Schärfentiefe besitzt. Eine knappe halbe Umdrehung durchfährt den gesamten Fokusbereich von 28 Zentimeter bis unendlich. Damit ergibt sich ein Arbeitsabstand ab Frontlinse von knapp über 13 Zentimetern. Der Abbildungsmaßstab beträgt dabei 1:5,9, was durchaus gute Vergrößerungen nahegelegener Motive unter gleichzeitig großzügiger Einbeziehung des Hintergrunds erlaubt, dank der hohen Lichtstärke von F1,4 sogar mit beachtlichem Freistellpotential und einem sahnigen Bokeh. Die neunlamellige Blende trägt ihr übriges zum gleichmäßigen Bokeh bei. Der Autofokusantrieb wird von einem Ultraschallmotor realisiert, der zügig und nahezu lautlos arbeitet. Dabei kann jederzeit mit einem Dreh am Fokusring in die Scharfstellung eingegriffen werden. Der Schalter seitlich am Objektiv erlaubt ein schnelles Umschalten zwischen automatischer und manueller Fokussierung.

Bildqualität

Zum Test der Abbildungsleistung diente die nagelneue Nikon D850, die mit ihrem gut 46 Megapixel auflösenden Sensor die neue Auflösungsreferenz im Nikon-System darstellt. Im Testlabor zeigte sich die Festbrennweite optisch gut, aber nicht perfekt auskorrigiert. So sind die Farbsäume im Mittel gering, in den Maximalausprägungen Richtung Bildrand aber durchaus vorhanden, sodass man sie erkennen kann. Die Verzeichnung ist gering, aber mit einem Prozent Tonnenform ebenfalls vorhanden und wird bei sehr kritischen Motiven sichtbar. Mit dem bloßen Auge auf den ersten Blick sofort erkennbar ist die bis zu 1,6 Blendenstufen starke Randabdunklung, das entspricht einem Lichtverlust von 67 Prozent in den Bildecken. Dies gilt jedoch nur aufgeblendet. Beim Abblenden um eine Stufe wird die Randabdunklung mehr als halbiert, ab F2,8 ist sie praktisch nicht mehr vorhanden.

Die Auflösung bei 50 Prozent Kontrast erreicht in der Bildmitte bereits bei Offenblende sehr hohe Werte (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Die 76 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) kann man getrost als offenblendtauglich bezeichnen, denn selbst stark abgeblendet lässt sich dieser Wert maximal auf 86 lp/mm steigern. Ganz anders sieht es hingegen am Bildrand aus. Hier werden bei Offenblende nur knapp 18 lp/mm aufgelöst, was einem Randabfall von 77 Prozent entspricht. Das ist mit bloßem Auge selbst bei für die D850 verhältnismäßig kleinen Abzügen von 20 mal 30 Zentimeter sichtbar. Ab F2,8 zieht die Auflösung am Bildrand deutlich an. Bei F4 werden schon 50 lp/mm überschritten. Das ist eigentlich viel Auflösung, angesichts der 86 lp/mm im Bildzentrum beträgt der Randabfall jedoch immer noch beachtliche 40 Prozent. Die höchste Auflösung am Bildrand wird bei F8 und F11 mit jeweils gut 72 lp/mm erreicht, im Bildzentrum hat sich die Auflösung hier bereits minimal auf 83 bis 78 lp/mm reduziert.

Fazit

Die hohe Lichtstärke des Nikon AF-S 28 mm 1:1.4E ED wird nicht nur beim Preis teuer erkauft. Die Verarbeitung ist zwar gut, spiegelt den Preis aber nicht ganz wieder. Die hohe Lichtstärke macht das Objektiv zudem recht groß und schwer. Vor allem bei der Bildqualität muss man aber gehörige Kompromisse in Kauf nehmen. Die Randauflösung bei Offenblende ist katastrophal gering, dafür lassen sich mit dem Objektiv gute Freistelleffekte bei schönem Bokeh erzielen. Da die Randauflösung beim Abblenden kräftig anzieht, sind sogar Landschaftsaufnahmen bei F8 und F11 möglich, wo auch keine Farbsäume oder eine Randabdunklung mehr auftreten, die Verzeichnung ist ohnehin gering. Für Landschaftsaufnahmen alleine wird man dieses Objektiv angesichts des Preises aber kaum anschaffen, sondern für speziellere Anwendungen, die diese enorme Lichtstärke erfordern. Die gute Nachricht: Im Bildzentrum ist die Auflösung bereits bei Offenblende sehr hoch, selbst an der fordernden Nikon D850.

Kurzbewertung

  • Hohe Auflösung im Bildzentrum bereits bei Offenblende
  • Schönes Bokeh
  • Spritzwasser- und staubgeschütztes Gehäuse
  • Mechanischer, manueller Fokusring mit Entfernungsanzeige im Fenster
  • Dramatischer Randabfall der Auflösung bis F4
  • Starke Randabdunklung bei Offenblende
  • Kein optischer Bildstabilisator

Nikon AF-S 28 mm 1.4E ED mit Nikon D850 (v6.0)

Auflösung MTF


D850

F1,4F2,0F2,8F4,0F5,6F8,0F11,0F16,0
28 mm76,4 / 17,5 (77 %)80,3 / 19,6 (76 %)83,1 / 36 (57 %)85,8 / 51,4 (40 %)86 / 63,7 (26 %)82,9 / 71,7 (14 %)78 / 71,7 (8 %)69,8 / 63,3 (9 %)

Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.

Hersteller Nikon
Modell AF-S 28 mm 1.4E ED
Unverbindliche Preisempfehlung 2.399,00 €
Bajonettanschluss Nikon F
Brennweite 28,0 mm
Lichtstärke (größte Blende) F1,4
Kleinste Blendenöffnung F16
KB-Vollformat ja
Linsensystem 14 Linsen in 11 Gruppen
inkl. ED und asphärische Linsen
Anzahl Blendenlamellen 9
Naheinstellgrenze 280 mm
Bildstabilisator vorhanden nein
Autofokus vorhanden ja
Wasser-/Staubschutz ja
Filtergewinde 77 mm
Abmessungen (Durchmesser x Länge) 83 x 101 mm
Objektivgewicht 642 g

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.