Supertele-Zoom

Testbericht: Nikon AF-S 200-500 mm 1:5,6E ED VR

2016-01-12 Mit dem AF-S Nikkor 200-500 mm 1:5,6E ED VR bringt Nikon ein Supertele-Zoom mit durchgehender Lichtstärke auf den Markt, das von der neuen elektronischen Blendensteuerung Gebrauch macht. Zudem fällt das mächtige Tele aufgrund seiner überschaubaren Lichtstärke relativ preiswert aus, was es auch für Hobby-Tier- und Sportfotografen interessant macht. An der Nikon D800E musste es in unserem Testlabor seine Bildqualität unter Beweis stellen.  (Benjamin Kirchheim)

Vollformat-Objektive haben es – insbesondere im Telebereich – in sich: Sie sing klobig, wiegen viel, sind praktisch nur vom Stativ aus verwendbar und meist obendrein noch sündhaft teuer. Mit 1.600 Euro gilt zumindest letzteres nicht für das AF-S Nikkor 200-500 mm 1:5,6E ED VR, denn die Vollformat-DSLR, für deren Verwendung es konzipiert ist, dürfte in der Regel teurer gewesen sein. Es ist natürlich auch möglich, das 200-500 an einer APS-C-Nikon zu verwenden, der kleinbildäquivalente Brennweitenbereich liegt dann bei 300-750 Millimeter. Wer möchte, könnte es sogar an eine Nikon 1 adaptieren – 540-1.350 Millimeter entsprechend Kleinbild wären das beeindruckende Resultat.

Gehäuse

Klobig und schwer lassen sich bei einem solchen Telezoom jedoch nicht vermeiden, auch wenn es mit durchgehend F5,6 nur mäßig lichtstark ausfällt. Gut 2,4 Kilogramm wiegt alleine das Objektiv inklusive der obligatorischen Stativschelle und der großen "Becher"-Sonnenblende, die sicher problemlos 20 Kugeln leckeren italienischen Eises mit Sahnehäubchen fassen würde. Erleichtert um Sonnenblende und Stativschelle sind es immer noch 2.080 Gramm. Kommt die etwa einen Kilogramm schwere Nikon D800E hinzu, ist das zum Fotografieren aus der Hand schon sportlich. Auch um den Hals möchte man über drei Kilogramm sicherlich nicht gerne für längere Zeit tragen. Das 27 Zentimeter lange Objektiv (zuzüglich neun Zentimetern Sonnenblende) lässt sich auf einem Einbein- oder Dreibein-Stativ (letzteres am besten mit Teleneiger) am sichersten handhaben. Wer über die Anschaffung eines Filters nachdenkt, sollte bei den 95 Millimetern, die das Filtergewinde misst, einen größeren Betrag einplanen.

Das Gehäuse besteht aus robust wirkendem Kunststoff, die Stativschelle ist aus stabilem Metall gefertigt. Auch wenn Nikon mit der Angabe eines Spritzwasser- und Staubschutzes immer etwas vorsichtig ist – vermutlich aus Angst vor Regressansprüchen – ist das 200-500 eindeutig mit entsprechenden Dichtungen versehen; dies verrät alleine schon der Blick auf das Metallbajonett, das von einem Gummiring umgeben ist. Bei ein wenig Regen oder in staubigen Umgebungen muss der Fotograf also nicht gleich Angst um seine wertvolle Technik haben. Der vier Finger breite Zoomring lässt sich sehr gut bedienen. Ein kleiner Schalter erlaubt die mechanische Verriegelung des Zooms bei 200 Millimetern. Dies ist auch sinnvoll, da sich das Objektiv auch um fast acht Zentimeter "ausziehen" lässt. Dabei ist aber schon ein gewisser mechanischer Widerstand zu überwinden. Man könnte das 200-500 mm zur Not sogar als Schiebezoom verwenden. Die Sonnenblende muss man dafür jedoch schon kräftig anpacken.

Fokussierung

Der Fokusring sitzt dichter an der Kamera, sodass er sich bequem bedienen lässt. Etwa eine halbe Umdrehung ist nötig, um den Bereich von unendlich bis zur Naheinstellgrenze von 2,2 Metern zu durchfahren. Vor allem der Bereich von 2,2 bis 15 Metern lässt sich gut manuell fokussieren. Ein entsprechendes Sichtfenster informiert über die eingestellte Fokusdistanz. Das Objektiv ist aber eher in der automatischen Fokussierung zu Hause. Da große Massen bewegt werden müssen, benötigt der Autofokus etwas länger als bei Standardzooms, ist aber immer noch flott und recht leise unterwegs. Umgeschaltet wird der manuelle beziehungsweise automatische Betrieb über einen Schalter am Objektiv. Dabei lässt sich auch der automatische Fokus nachträglich manuell korrigieren.

Angesichts der enormen Brennweite fällt die Schärfentiefe trotz der Anfangsöffnung von F5,6 äußerst gering aus. Es ist überhaupt kein Problem, durch eine Jalousie oder ein Gitter zu fotografieren, ohne dass man es im Bild sieht. Dabei kann der Fokusbegrenzungsschalter helfen, so dass nur noch von sechs Meter bis unendlich fokussiert wird statt auf den unwichtigen Vordergrund. Wer doch einmal kleine Objekte im Nahbereich formatfüllend auf das Bild bekommen möchte, kann bei einem Abbildungsmaßstab von 1:4,5 einen beträchtlichen Abstand von fast zwei Metern (ab Frontlinse) zum Motiv halten. Rund 16 mal zehn Zentimeter sind die kleinsten Objekte, die sich noch formatfüllend auf den Sensor bannen lassen. Zwei weitere Schalter am Objektiv kümmern sich um den optischen Bildstabilisator. Falls das schwere Objektiv tatsächlich frei Hand verwendet wird, ist dieser bei der langen Brennweite sehr nützlich. Neben dem Ein-/Ausschalter befindet sich auch ein Modusschalter am Objektiv, mit dem zwischen normaler und Sportaufnahme gewechselt wird.

Aufgrund der geringen Schärfentiefe lassen sich gerade im näheren Fokusbereich enorme Freistelleffekte erzielen. Die neun Blendenlamellen erzeugen ein angenehmes Bokeh. Auch Gegenlicht stellt das Objektiv vor keine Herausforderung, die Kontraste bleiben hoch. Wie bei so großen Brennweiten üblich, sollte man allerdings die Sonne im Bildfeld unbedingt vermeiden, da die starke Vergrößerung zu starken Blendungen oder sogar Hitzeschäden an der Kamera und dem Auge führen kann. Bei tief über dem Horizont stehender Sonne beispielsweise ist die Gefahr jedoch deutlich geringer, wer also romantische Motive mit großer untergehender Sonne auf den Speicherchip bannen möchte, kann dies relativ gefahrlos tun. Vor dem Kauf des Objektivs sollte man sich übrigens genau informieren, ob die eigene Kamera zur elektronischen Blendensteuerung, zu erkennen am "E" hinter der Lichtstärke in der Gerätebezeichnung, tatsächlich kompatibel ist. Die jüngeren Modelle (aktuelle und Vorgängergeneration) sollten damit jedoch keine Probleme haben.

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.