Super-Telezoom

Testbericht: Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM

2021-04-15 Das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM ist in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnliches Telezoom. Einerseits ist der Zoomumfang größer als üblich, andererseits aber die Lichtstärke dafür umso geringer. Vor allem aufgrund letzterem verwundert der hohe Preis von über 3.000 Euro. Aber das Objektiv gehört der hochwertigen L-Serie an und soll eigentlich ein 100-400mm mit etwas Bonusbrennweite sein, wie Canon uns verriet. Wie es um die Ausstattung und Praxistauglichkeit sowie vor allem die Bildqualität bestellt ist, haben wir an der 45 Megapixel auflösenden Canon EOS R5 getestet.  (Benjamin Kirchheim)

Angesichts des hohen Preises bekommt man auch einen vernünftigen Ausstattung- und Lieferumfang. Ein vernünftiger Objektivköcher samt Trageschlaufe, die Streulichtblende und auch eine abnehmbare Stativschelle gehören dazu. Zudem ist das Objektiv "Made in Japan", das heißt Canon setzt bei den anspruchsvolleren Objektiven auf die Produktion im Heimatland statt beispielsweise Taiwan, wo günstigere Canon-Objektive produziert werden.

Verarbeitung

Mit fast 1,4 Kilogramm hat das RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM ein sattes Gewicht, mit angebrachter Stativschelle sind es sogar über 1,6 Kilogramm. Setzt man das Objektiv voll ausgestattet mit der 100 Gramm leichten Gegenlichtblende an die Canon EOS R5, zerren 2,34 Kilogramm am Kameragurt. Leicht ist anders und trotz des guten Griffs der EOS R5 muss man diesen schon kräftig packen, um die Kombination noch halten zu können. Besser ist es, wenn die linke Hand das Objektiv von unten stützt.

Auch die Abmessungen sind mit einer Länge von 21 und einem Durchmesser von etwas über neun Zentimetern nicht ohne. Das Filtergewinde bleibt mit 77 Millimetern aber gerade noch im akzeptablen Rahmen. Die mitgelieferte Streulichtblende misst sogar 11,5 Zentimeter im Durchmesser und ist fast acht Zentimeter lang. Sie lässt sich zum Transport verkehrt herum anbringen.

Die Stativschelle ist samt ihrem L-Fuß abnehmbar. Dafür muss nicht nur die Feststellschraube aufgedreht, sondern auch noch gegen einen Federwiderstand nach außen gezogen werden. Ein versehentliches Lösen ist also nicht möglich. Lockert man die Schraube etwas, lässt sich die Schelle frei drehen, Rastpunkte gibt es leider nicht. Als einzige Orientierung diesen drei 90 Grad versetzt angebrachte schwarze Striche an der Stativschelle und eine gefräste Markierung am Objektiv. Mit eingefahrenem Zoom lässt sich die Kamera-Objektiv-Kombination zwar auf dem L-Winkel abstellen, aber sie ist leicht hecklastig. Zoomt man auf volle Brennweite, ist die Kombination gut ausbalanciert. Die Schelle bietet lediglich ein einziges Stativgewinde mit einem Durchmesser von 1/4 Zoll. Leider fehlt eine Schwalbenschwanz-Fräsung, um sie direkt und besonders stabil mit einer Arca-Swiss-kompatiblen Stativaufnahme zu verbinden.

Objektiv, Gegenlichtblende und Stativschelle sind in einem matten, vor allem bei der Gegenlichtblende sehr samtigen, grauen Lack versehen, der einem Aufheizen in der prallen Sonne entgegenwirken soll. Einzelne Details sind aber in kontrastierendem Schwarz gehalten, etwa die Gummierungen des Zoom- sowie des Fokusrings, die Objektivfront sowie die Front der Gegenlichtblende und selbstverständlich auch ihre Innenseite, die zudem mit einer Riffelung versehen ist, um Reflexionen zu vermeiden. Ein weiteres schönes Detail der Blende: Dank eines aufschiebbaren Fensters kommt man gut an (einstellbare) Filter heran.

Der Materialmix besteht aus ein wenig Metall und hauptsächlich hochwertigem Kunststoff. Die Stativschelle ist dabei das einzige massive Metallteil, außerdem besteht das Bajonett aus Metall. Ansonsten kommt Kunststoff zum Einsatz, inklusive dem Filtergewinde. Man sollte also etwas Sorgfalt beim Einschrauben der Filter walten lassen. Der Robustheit tut der Kunststoff jedoch im Grunde genommen keinen Abbruch, zumal das gesamte Objektiv gegen das Eindringen von Staub und Feuchtigkeit abgedichtet ist. Auch das Bajonett ist von einer entsprechenden Dichtungslippe umgeben, um die Abdichtung an der Nahtstelle zur Kamera zu gewährleisten. Untertauchen sollte man sein Objektiv aber keinesfalls. Um die Abdichtung auch beim Zoomen zu gewährleisten, kommen Luftkanäle mit Staubfiltern und Ventilen zum Einsatz, damit kein Staub ins Innere gelangt. Die Frontlinse ist zudem mit einer Fluorbeschichtung gegen die Anhaftung von Verschmutzungen versehen.

Ausstattung und Bedienung

Das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM besitzt vier Einstellringe – zwei davon mechanisch und zwei elektronisch – sowie vier Schalter. Der vorderste Einstellring ist mit über sechs Zentimetern der breiteste, 4,5 Zentimeter davon sind mit einer breiten Gummiriffelung versehen. Es handelt sich um den Zoomring, der um etwas mehr als eine viertel Umdrehung bewegt werden kann. Anhand der hinten aufgedruckten, gut lesbaren schwarzen Beschriftungen lassen sich die Brennweiten 100, 135, 200, 300, 400 und 500 Millimeter einstellen. Eine genauere Brennweitenanzeige auf dem Kameradisplay gibt es dabei leider nicht. Das kennt man beispielsweise von Olympus und stünde auch einer Canon-Kamera gut.

Beim Zoomen fährt der Tubus um neun Zentimeter aus, so dass das RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM eine stattliche Gesamtlänge von 30 Zentimetern erreicht. Die Hinterlinse fährt dabei nur um etwas mehr als vier Zentimeter nach vorne. Direkt hinter dem Zoomring befindet sich ein 1,1 Zentimeter breiter, geriffelter Einstellring, der seitlich mit "SMOOTH <—> TIGHT" beschriftet ist. Hierbei handelt es sich um eine stufenlose mechanische Klemmung für den Zoomring. Steht der Ring auf Smooth, fährt das Zoom ganz leicht ein und aus – man kann es sogar als Schiebezoom verwenden. In der Einstellung Tight läuft der Zoomring deutlich schwerer, insbesondere auf dem letzten Stück kurz von 500 Millimeter, wird aber nicht blockiert. Diese Einstellung wählt man am besten, wenn das Zoom nicht so leicht versehentlich verstellt werden soll oder die Kamera nach oben oder unten gerichtet ist und sich das Zoom nicht durch Eigengewicht verstellen soll. Smooth erlaubt beispielsweise auch relativ weiche Zoomfahrten mit reduzieren Schabgeräuschen.

Das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM besitzt Dual-Nano-Ultraschallmotoren für eine schnelle Fokussierung. Das klappte bei unserem Test auch problemlos bei Sportmotiven und hohen Serienbildgeschwindigkeiten. Der Autofokus arbeitet unhörbar und sehr präzise. Die Naheinstellgrenze variiert je nach Brennweite zwischen 90 und 120 Zentimetern. Um nicht ständig in den Nahbereich fahren zu müssen oder von störenden Details im Vordergrund gestört zu werden, lässt sich per Schiebeschalter ein Fokuslimiter aktivieren, der die Naheinstellgrenze auf drei Meter erhöht.

Wir konnten bei 100 Millimeter Brennweite sogar bereits ab etwas unter 85 Zentimetern Abstand zur Sensorebene fokussieren. Das minimale Bildfeld betrug dabei etwa 26 mal 17,3 Zentimeter, was einem Abbildungsmaßstab von 1:7,2 entspricht. Auch wenn die Naheinstellgrenze beim Zoomen steigt, bei 500 Millimetern Brennweite haben wir etwas über 118 Zentimeter ab Sensorebene gemessen, verbessert sich der maximale Abbildungsmaßstab enorm. Wir konnten ein 10,4 mal 6,9 Zentimeter kleines Motiv formatfüllend abbilden, was einem Maßstab von 1:2,9 entspricht und damit die Herstellerangabe von 1:3 sogar noch leicht übertrifft.

Fortsetzung auf Seite 2

Passende Meldungen zu diesem Thema

Artikel-Vorschläge der Redaktion

Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.